„Das wäre eine Katastrophe“
Wann in der Deutschen Eishockey Liga die Saison starten kann, ist unsicherer denn je. Aufsichtsratsvorsitzender Jürgen Arnold spricht über Modelle zum Neustart, den Gehaltsverzicht und ein Schreckensszenario, das über allem schwebt
Wann und wie kam die DEL auf die Idee, dass die Spieler in der kommenden Saison auf 25 Prozent ihres Gehalts verzichten beziehungsweise dieses ihrem Verein stunden sollen?
Jürgen Arnold: Nun, es hat bereits im April erste Gespräche und Sitzungen mit den Gesellschaftern der 14 DEL-Klubs gegeben, in denen wir uns relativ schnell einig waren, dass wir in den bestehenden Verträgen gewisse Anpassungen vornehmen müssen, um in dieser schwierigen Phase die Vereine finanziell zu entlasten und ihnen eine gewisse Planungssicherheit zu geben. Konkret ausgedrückt: Das Überleben der Klubs wird dadurch definitiv um ein großes Stück wahrscheinlicher. Man muss ganz deutlich sagen, dass einige Klubs ohne diese Änderung schon jetzt in einen finanziellen Engpass kommen würden, da ja auch außerhalb einer Saison Fixkosten entstehen, die beglichen werden müssen.
Da Akteure, die diese Vereinbarung nicht unterschreiben, von ihren Klubs keine Lizenz erhalten, machte sogar der Begriff „Erpressung“die Runde. Wie sind die Gespräche zwischen Klubs und Spielern verlaufen? Arnold: Ich denke, das war an jedem Standort und bei jeder SpielerGruppierung anders. Es gab Profis, die hatten von Beginn an großes Verständnis, weil sie vielleicht in ihrer Karriere schon einmal eine ähnliche Erfahrung gemacht haben. Andere Akteure hingegen waren der Meinung, dass es nicht ihr Problem, sondern das der Gesellschafter sei. Von dem her waren die ersten Reaktionen doch sehr gemischt.
Lag es möglicherweise auch daran, dass die DEL die nötige Transparenz den Spielern gegenüber in diesem Punkt vermissen ließ?
Arnold: Nein, auf keinen Fall. Wir haben von Anfang an mit offenen Karten gespielt und den Akteuren alles offengelegt. Klar, die Überzeugungsarbeit mussten letztlich die jeweiligen Klubs leisten. Diese haben versucht, den Spielern zu verdeutlichen, dass diese Regelung die einzige realistische Chance ist, dass wir überhaupt durch eine Saison kommen. Als wir damit Ende April zum ersten Mal auf die Spieler zugegangen sind, war dies ja zunächst nur als Vorsichtsmaßnahme gedacht. Im Nachhinein und mit dem jetzigen Wissensstand hat sich diese Entscheidung als absolut richtig erwiesen. Ich möchte nochmals betonen, dass es uns zu keinem Zeitpunkt darum ging, den Spielern Geld wegzunehmen. Wäre das unser Ziel gewesen, hätten wir ja gleich einen harten „Paycut“machen können. Sollten die Vereine die gleichen Umsätze wie im Vorjahr generieren, bekommen die Akteure selbstverständlich auch diese 25 Prozent wieder komplett ausbezahlt.
Eine andere Möglichkeit der Einsparung wäre der immer wieder diskutierte „Salary Cap“, der eine ligaweite Obergrenze der Gehaltskosten festlegt. Arnold: Über den „Salary Cap“diskutieren wir im Aufsichtsrat bereits seit dem Jahr 2005. Wir sind jedoch in Deutschland aufgrund der arbeitsrechtlichen Grundlagen nicht in der Lage, ein solches Konstrukt, wie es beispielsweise in Nordamerika angewendet wird, entsprechend umzusetzen. Man müsste, was die gesetzlichen Grundlagen betrifft, derart viele Veränderungen vornehmen, dass ich es derzeit für ausgeschlossen halte.
Die einzige Lösung wäre eine „freiwillig verpflichtende“Gehaltsobergrenze. Arnold: Genau. Allerdings glaube ich ehrlich gesagt nicht, dass alle 14 Klubs einem freiwilligen „Cap“aus verschiedenen Gründen zustimmen würden.
Welche Optionen liegen auf dem Tisch, um die Saison 2020/2021 möglichst komplett über die Bühne zu bringen? Der 13. November wurde ja bereits als Starttermin offiziell genannt… Arnold: Es gibt jede Menge Denkmodelle. Allerdings wollen wir jetzt zunächst einmal diesen 13. November im Fokus behalten, weil es eigentlich der letzte Termin ist, der uns eine reguläre Saison inklusive einer Play-off-Meisterrunde im Modus „Best-of-five“ermöglichen würde. Darüber hinaus gibt es weitere Gedanken-Modelle hinsichtlich eines späteren Saisonstarts oder einer verkürzten Spielzeit. Eines ist aber klar: Je weiter wir mit dem Saison-Beginn nach hinten rücken, um so größer müsste dann die Zuschauer-Zulassung oder auch die Subvention durch den Staat sein. Rein theoretisch könnten wir sogar am 13. November starten und die ganze Spielzeit ohne Zuschauer absolvieren – vorausgesetzt, der Staat würde dies komplett subventionieren.
Was wäre denn aus Ihrer Sicht das absolute „Worst-Case-Szenario“, das es nach Möglichkeit zu vermeiden gilt? Arnold: Es gibt sicher mehrere Situationen, die fatal wären. Würde man beispielsweise in die Saison starten und müsste sie dann wieder abbrechen, wäre das vor allem ein emotionaler Worst Case. Es wäre aber noch viel fahrlässiger, wenn wir am 13. November mit der Hoffnung, dass sechs Wochen später Zuschauer zugelassen werden oder der Staat das Ganze schon subventionieren wird, die Saison beginnen würden. Sollte dann die Nachricht kommen, dass beides nicht möglich ist, müssten wir die Spielzeit aus wirtschaftlichen Gründen stoppen. Das wäre ebenfalls emotional, aber auch finanziell eine Katastrophe.
Und rein wirtschaftlich betrachtet? Arnold: Das Schlimmste in diesem Fall wäre, wenn wir mit der Vorbereitung beginnen, zum Teil die Spieler aus der Kurzarbeit holen und dann das Ganze unmittelbar vor dem geplanten Saisonstart wieder einstellen müssten. Dann hätten die Klubs Kosten, aber überhaupt keine Einnahmen. Das wäre definitiv der finanzielle Worst Case.
Wann es in den Eishockey-Arenen Deutschlands wieder losgeht, ist ungewiss. Die komplette Liga zittert in diesen Tagen um ihr Überleben.
Eine Option, die sich keiner wünscht, ist eine Komplett-Absage der Saison 2020/2021. Kann es sich der Eishockey-Sport leisten, eine Spielzeit von der Bildfläche zu verschwinden? Arnold: Auch wenn die Sportart Eishockey dadurch mit Sicherheit nicht sterben würde, wäre es in meinen Augen dennoch katastrophal, wenn wir ein Jahr lang – wie Sie gesagt haben – von der Bildfläche verschwunden wären. Wir werden daher auch alles versuchen, dass wir diese Saison in irgendeiner Form über die Runden bringen – sofern es denn wirtschaftlich gesehen den Klubs gegenüber vertretbar ist. Wenn wir in die Spielzeit starten, dann aber aus finanziellen Gründen nach und nach die Klubs verlieren, würde es logischerweise keinen Sinn machen.
Ausgerechnet ab der Saison 2020/2021 gibt es in der Deutschen Eishockey Liga wieder den Auf- und Abstieg. Gibt es Gedankenspiele, diesen aufgrund der Ausnahmesituation auszusetzen? Arnold: Es gibt einen bestehenden Vertrag mit der DEL2, der das Thema Auf-/Abstieg beinhaltet – und an diesen werden wir uns halten.
Wenn Sie einen Wunsch in Richtung Politik äußern dürften: Wie würde dieser aussehen?
Arnold: Ich würde mir von der Politik wünschen, dass sie auch die Systemrelevanz „kleinerer“Sportarten wie Eishockey, aber auch Handball oder Basketball erkennt und deren Weiterleben ermöglicht. In unserem speziellen Fall geht es darum, einerseits Zuschauer zuzulassen und andererseits mit Subventionen die Klubs zu unterstützen, damit dieser Sport weiter ausgeübt werden kann.
Die Fragen stellten Dirk Sing und Andreas Kornes.
Jürgen Arnold
Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Beim ERC Ingolstadt ist er Beiratsvorsitzender. Der verheiratete Familienvater (drei Kinder) ist Geschäftsführer einer Druckerei in Gaimersheim.
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