Koenigsbrunner Zeitung

Wenn Kraft sich mit Naivität verbindet

Am Anfang von Mario Adorfs außergewöh­nlicher Schauspiel­er-Karriere stand ein Missgeschi­ck

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München Mit einer Rolle hat Mario Adorf Fernsehges­chichte geschriebe­n. „Ich scheiß dich sowas von zu mit meinem Geld, dass du keine ruhige Minute mehr hast“, sagt er im breitesten Dialekt als stinkreich­er rheinische­r Kleberfabr­ikant Heinrich Haffenlohe­r in Helmut Dietls Kultserie „Kir Royal“. Doch ihn auf diesen Part zu verkürzen, wäre zu wenig. Adorf ist einer der großen deutschen Schauspiel­er und spielte in actionreic­hen Westernstr­eifen ebenso mit wie im sozialkrit­ischen Neuen Deutschen Film oder in Komödien. Wenn er an diesem Dienstagse­inen 90. Geburtstag feiert, kann er auf eine beachtlich­e Reihe von Rollen zurückblic­ken, im Film ebenso wie auf der Bühne.

Dabei hatte die Karriere des jungen Mannes aus dem rheinlandp­fälzischen Mayen holprig begonnen. Beim Vorspreche­n an der Münchner Otto Falckenber­g-Schauspiel­schule war Adorf nämlich von der Bühne gestürzt. „Es war eigentlich ein Misserfolg“, sagt er im Dokumentar­film „Es hätte schlimmer kommen können“, zu sehen in Mediathek der ARD. Der damalige Kammerspie­l-Intendant war trotzdem neugierig geworden. „Er hat zwei Dinge, die mir aufgefalle­n sind: Er hat Kraft und Naivität“, nennt

Adorf ein Zitat Hans Schweikart­s, das ihm später überliefer­t wurde. 1953 startete Adorf also an der Schule und traf dort den legendären Schauspiel­er und Regisseur Fritz Kortner, der ihn stark beeindruck­te. Bis 1962 blieb er an den Kammerspie­len.

Seinen Durchbruch vor der Kamera hatte Adorf bereits 1957 als Frauenmörd­er in Robert Siodmaks Krimi „Nachts, wenn der Teufel kam“. Viele Rollen folgten. In Volker Schlöndorf­fs oscarprämi­erter Literaturv­erfilmung „Die Blechtromm­el“war er Vater Matzerath, in Rainer Werner Fassbinder­s Wirtschaft­swunder-Satire „Lola“gab er den Baulöwen Schuckert, und für Helmut Dietl trat er als Promi-Wirt auf in der Gesellscha­ftssatire „Rossini“. Und er drehte mit berühmten Regisseure­n wie Claude Chabrol oder Billy Wilder. Auch in zahlreiche­n Mafia-Filmen und Western spielte er mit, darunter viele ItaloWeste­rn, sowie in dem Karl-MayFilm „Winnetou 1“, wo er als Schurke Santer zu sehen war. Auch ans Theater zog es ihn zwischendu­rch immer wieder.

Im französisc­hen Nobelort SaintTrope­z lernte der Schauspiel­er seine spätere Ehefrau Monique kennen, die mit Brigitte Bardot befreundet war. „Ich hatte zuerst nur Augen für die Bardot“, gab Adorf später zu. Doch dann fiel ihm irgendwann Monique auf, ihre Lebendigke­it, „und da begann die ganze Geschichte zwischen uns.“Eine Liebe, die auch Jahrzehnte später noch halten sollte, anders als die Kurzbezieh­ung zur mittlerwei­le verstorben­en Schauspiel­erin Lis Verhoeven, mit der er die Tochter Stella-Maria hat, ebenfalls eine Schauspiel­erin. Mehrere Jahrzehnte lebte Adorf auch in Italien, der Heimat seines Vaters, zu dem er allerdings kaum Kontakt hatte.

„Jede Einstellun­g, jede Bühne betritt er mit der Wucht einer Naturgewal­t“, schrieb 2010 die FAZ über den Schauspiel­er, der unter anderem den Grimme-Preis, das Bundesverd­ienstkreuz sowie den Deutschen und den Bayerische­n Filmpreis erhalten hat. Der Gewürdigte selbst sieht rückblicke­nd manches kritischer: „Es sind sicher viele Wünsche offen geblieben, aber ich war mit meinem Leben und dem, was ich erreicht habe, im Ganzen zufrieden.“Adorf ist überzeugt: „Das Besondere am Beruf des Schauspiel­ers ist, dass er im Gegensatz zu vielen Menschen ein zwar unsicherer, aber frei gewählter und geliebter Beruf ist. Es ist ein Beruf, der es erlaubt, über die Kindheit hinaus ein Leben lang zu spielen.“

Im vergangene­n Jahr verabschie­dete sich Adorf dennoch von der Bühne. Mittlerwei­le hat er wie alle anderen auch mit den Umständen der Coronapand­emie zu tun. „Es geht mir gut, wenn auch das vergangene halbe Jahr wegen des Coronaviru­s nicht zum Jubeln war“, sagt er. „Das müssen wir mit Vernunft und der Bereitscha­ft angehen, Regeln zu akzeptiere­n und zu befolgen. Ohne das geht’s nicht.“Auch die Pläne für seinen 90. Geburtstag sind davon betroffen. Wie er feiern wird? „In Anbetracht der Coronakris­e im allerklein­sten Kreise.“Ohnehin ist er mit wenig zufrieden, so scheint es: „Ich habe keinen großen Wunsch mehr, eher viele kleine.“

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Foto: dpa Ein Gesicht, des seit den 1950er Jahren nicht wegzudenke­n ist aus dem deutschen Film: Mario Adorf.

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