Kaum Chancen für eine neue Abwrackprämie
Gewerkschaften schwenken um. Bayern und Niedersachsen mit Forderung allein
Berlin Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und sein niedersächsischer Amtskollege Stephan Weil (SPD) fürchten einen katastrophalen Herbst für die deutsche Automobilindustrie. Ohne staatliches Gegenhalten, so ihre Sorge, könnte der Branche der Stellenkahlschlag drohen. „Hier geht es um den Lebensnerv der deutschen Industrie“, erklärte Söder. Um die raue Wirklichkeit in Deutschlands Vorzeigebranche geht es an diesem Dienstag bei einer Videokonferenz von Kanzlerin Angela Merkel mit Vertretern der Unternehmen und Gewerkschaften. Bayern und Niedersachsen sind zugeschaltet. Beide Autoländer wollen die schlingernde Industrie mit dem Instrument der Abwrackprämie stabilisieren.
Autokäufer sollen einen Bonus vom Staat bekommen, wenn sie sich für einen Neuwagen entscheiden und ihr altes Gefährt abgeben. Das soll ausdrücklich für Benziner und Diesel gelten. Vor über zehn Jahren hatte die Abwrackprämie so schon einmal die Konjunktur belebt. Elektroautos werden bereits über den E-Bonus bezuschusst, den die Große Koalition erst zuletzt aufgestockt hatte. Weil sie aber noch Nischenprodukte sind, vermögen sie nicht die gesamte Branche aus ihrer tiefen Krise zu bringen.
Hinzu kommt, dass der schrittweise Abschied vom Verbrenner einem Teil der Zulieferer schwer zu schaffen macht. Wenn diese ihr Geld mit Bauteilen für Benzin- und Dieselmotoren verdienen, bedroht der technologische Wandel mittelfristig ihre Existenz. Doch Zeit für eine Anpassung haben sie nicht. Denn der Einbruch der Nachfrage wegen der harten Corona-Rezession gefährdet ihr Überleben unmittelbar. „Die Lage vieler Unternehmen ist weiterhin angespannt“, sagte die Chefin des Verbandes der Autoindustrie Hildegard Müller. Zwei Drittel der Firmen sind nur zwischen 50 und 75 Prozent ausgelastet.
Söder und Weil haben in den vergangenen zwei Monaten allerdings wichtige Verbündete für ihre Forderung verloren. Die Gewerkschaften setzen nicht mehr auf die Abwrackprämie, weil sie in der SPD nicht durchsetzbar ist. IG MetallChef Jörg Hofmann wünscht sich stattdessen, dass der Staat als Anteilseigner bei Firmen in Not einsteigt, ähnlich wie bei der Lufthansa. Die Bundesregierung soll einen entsprechenden Fonds auflegen, aus dem die Mittel kommen.
Anders als noch im Sommer hat sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dieses Mal nicht öffentlichkeitswirksam an die Seite der beiden anderen Autoländer gestellt. Seine Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut ( CDU) hätte sich zwar auch eine Autokaufprämie gewünscht. „Wenn sie aber nicht mehrheitsfähig ist, müssen wir andere Wege suchen, um der Automobilindustrie aus der Krise zu helfen“, sagte sie unserer Redaktion. Dazu zählt sie mehr Zuschüsse für Forschung und Entwicklung sowie das Aussetzen möglicher Strafzahlungen an die EU bei Überschreitung der Flottengrenzwerte für den CO -Ausstoß. Vom Vorschlag der IG Metall hält sie nicht viel. „Staatliche Beteiligungen müssen die Ausnahme bleiben“, betonte Hoffmeister-Kraut.
Auch der Chef des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, Carl Martin Welcker, sieht die Rolle der Politik skeptisch. „Das Hauptproblem der Autoindustrie sind die vielen staatlich gelenkten Eingriffe“, sagt er in unserem Interview in der Wirtschaft. Im Leitartikel schreibt Christian Grimm, warum eine neue Abwrackprämie keine gute Idee wäre.