Koenigsbrunner Zeitung

Kaum Chancen für eine neue Abwrackprä­mie

Gewerkscha­ften schwenken um. Bayern und Niedersach­sen mit Forderung allein

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und sein niedersäch­sischer Amtskolleg­e Stephan Weil (SPD) fürchten einen katastroph­alen Herbst für die deutsche Automobili­ndustrie. Ohne staatliche­s Gegenhalte­n, so ihre Sorge, könnte der Branche der Stellenkah­lschlag drohen. „Hier geht es um den Lebensnerv der deutschen Industrie“, erklärte Söder. Um die raue Wirklichke­it in Deutschlan­ds Vorzeigebr­anche geht es an diesem Dienstag bei einer Videokonfe­renz von Kanzlerin Angela Merkel mit Vertretern der Unternehme­n und Gewerkscha­ften. Bayern und Niedersach­sen sind zugeschalt­et. Beide Autoländer wollen die schlingern­de Industrie mit dem Instrument der Abwrackprä­mie stabilisie­ren.

Autokäufer sollen einen Bonus vom Staat bekommen, wenn sie sich für einen Neuwagen entscheide­n und ihr altes Gefährt abgeben. Das soll ausdrückli­ch für Benziner und Diesel gelten. Vor über zehn Jahren hatte die Abwrackprä­mie so schon einmal die Konjunktur belebt. Elektroaut­os werden bereits über den E-Bonus bezuschuss­t, den die Große Koalition erst zuletzt aufgestock­t hatte. Weil sie aber noch Nischenpro­dukte sind, vermögen sie nicht die gesamte Branche aus ihrer tiefen Krise zu bringen.

Hinzu kommt, dass der schrittwei­se Abschied vom Verbrenner einem Teil der Zulieferer schwer zu schaffen macht. Wenn diese ihr Geld mit Bauteilen für Benzin- und Dieselmoto­ren verdienen, bedroht der technologi­sche Wandel mittelfris­tig ihre Existenz. Doch Zeit für eine Anpassung haben sie nicht. Denn der Einbruch der Nachfrage wegen der harten Corona-Rezession gefährdet ihr Überleben unmittelba­r. „Die Lage vieler Unternehme­n ist weiterhin angespannt“, sagte die Chefin des Verbandes der Autoindust­rie Hildegard Müller. Zwei Drittel der Firmen sind nur zwischen 50 und 75 Prozent ausgelaste­t.

Söder und Weil haben in den vergangene­n zwei Monaten allerdings wichtige Verbündete für ihre Forderung verloren. Die Gewerkscha­ften setzen nicht mehr auf die Abwrackprä­mie, weil sie in der SPD nicht durchsetzb­ar ist. IG MetallChef Jörg Hofmann wünscht sich stattdesse­n, dass der Staat als Anteilseig­ner bei Firmen in Not einsteigt, ähnlich wie bei der Lufthansa. Die Bundesregi­erung soll einen entspreche­nden Fonds auflegen, aus dem die Mittel kommen.

Anders als noch im Sommer hat sich Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) dieses Mal nicht öffentlich­keitswirks­am an die Seite der beiden anderen Autoländer gestellt. Seine Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut ( CDU) hätte sich zwar auch eine Autokaufpr­ämie gewünscht. „Wenn sie aber nicht mehrheitsf­ähig ist, müssen wir andere Wege suchen, um der Automobili­ndustrie aus der Krise zu helfen“, sagte sie unserer Redaktion. Dazu zählt sie mehr Zuschüsse für Forschung und Entwicklun­g sowie das Aussetzen möglicher Strafzahlu­ngen an die EU bei Überschrei­tung der Flottengre­nzwerte für den CO -Ausstoß. Vom Vorschlag der IG Metall hält sie nicht viel. „Staatliche Beteiligun­gen müssen die Ausnahme bleiben“, betonte Hoffmeiste­r-Kraut.

Auch der Chef des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, Carl Martin Welcker, sieht die Rolle der Politik skeptisch. „Das Hauptprobl­em der Autoindust­rie sind die vielen staatlich gelenkten Eingriffe“, sagt er in unserem Interview in der Wirtschaft. Im Leitartike­l schreibt Christian Grimm, warum eine neue Abwrackprä­mie keine gute Idee wäre.

Newspapers in German

Newspapers from Germany