Koenigsbrunner Zeitung

„Man darf dem Volk mehr zutrauen“

Sebastian Frankenber­ger war das Gesicht der Initiative für mehr Nichtrauch­erschutz. Er wurde Held und Hassfigur zugleich. Zehn Jahre ist das her. Wie er heute darüber denkt

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Herr Frankenber­ger, vor zehn Jahren trat in Bayern das strengste Rauchverbo­t Deutschlan­ds in Kraft – nach einem von Ihnen und der ÖDP initiierte­n Volksbegeh­ren. Wie blicken Sie darauf zurück?

Sebastian Frankenber­ger: Es freut mich natürlich nach wie vor. Dabei bleibt vor allem das Volksbegeh­ren im Kopf. Das sind viele nette Erinnerung­en an spannende Begegnunge­n. Und wir wussten ja nicht, ob das alles wirklich klappt: Wir waren 2009 eine der ersten Internetbe­wegungen, hatten eine App und haben Online-Wahlkampf gemacht. Bei der Digitalisi­erung waren wir vorn mit dabei.

Sie haben nicht nur viel Zeit, sondern auch Ersparniss­e in das Volksbegeh­ren investiert. Haben Sie das je bereut? Frankenber­ger: Tatsächlic­h habe ich damals recht wenig verdient und meine Partei ÖDP hat mir nach dem Volksentsc­heid vieles ersetzt. Aber bereut habe ich es nie – im Gegenteil: Es beeindruck­t mich bis heute, wie viele Spendengel­der aus dem Volk kamen. Wir haben eine Fundraisin­g-Kampagne gestartet, dabei kamen erst 40000 Euro zusammen und später zum Volksentsc­heid sogar 260 000 Euro.

Gegner des Rauchverbo­ts hatten mehr als 600000 Euro zur Verfügung, also viel mehr. Was war Ihr Schlüssel zum Erfolg?

Frankenber­ger: Ich denke, es war die Vielfalt der Bündnispar­tner. Sportverei­ne, Naturschüt­zer, Ärzte, Apotheker und so viele andere haben an einem Strang gezogen. Die meisten Spenden kamen aber nicht von Verbänden, sondern aus der Bevölkerun­g. Das ist für mich die beste Erinnerung: Nicht wir als ÖDP haben dem Volk eine Kampagne aufgedrück­t, sondern es war eine Bewegung aus der Gesellscha­ft heraus.

Das Volk als Souverän also … Frankenber­ger: Ja, absolut: Man darf dem Volk deutlich mehr zutrauen. Es will nicht immer nur auf Wahlen warten, um sein Kreuzchen zu machen. Die Politik sollte den Bürgern nicht jede Verantwort­ung abnehmen, sondern sie aktiv zum Handeln aufrufen und in Entscheidu­ngen einbinden.

Aus dem Volk heraus gab es mit dem Rauchverbo­t aber auch massive Anfeindung­en gegen Sie. Frankenber­ger: Ich habe den Frust der Menschen 2010 wohl als einer der Ersten über das Internet abbekommen. Dabei waren soziale Netzwerke in Deutschlan­d noch gar nicht so verbreitet. Im Rückblick möchte ich den massiven Anfeindung­en gar nicht so viel Raum geben. Ich denke aber, manche Leute haben nicht verstanden, wie ein Volksbegeh­ren funktionie­rt. Die fühlten sich nicht mitgenomme­n – und ließen nicht nur ihren Ärger darüber an mir aus – sondern all ihren Frust.

Sie erhielten Morddrohun­gen, standen unter Polizeisch­utz. Hat sich die Lage beruhigt?

Frankenber­ger: Nach zehn Jahren ist es inzwischen deutlich ruhiger geworden. Aber auch jetzt gibt es im Internet straffälli­ge Kommentare deutlich unter der Gürtellini­e. Und komme ich in meine Heimat nach Passau, sprechen mich auch Leute blöd auf der Straße an. Ich bin einfach ein Kanalisati­onsobjekt für den Frust anderer, der irgendwohe­r kommt und offenbar auf mich abgeladen werden kann. Meist bemühe ich mich, trotzdem freundlich und sachlich zu reagieren.

Haben Sie in mancher Kneipe eigentlich bis heute Hausverbot? Frankenber­ger: Es kommen sogar noch neue dazu! Gerade jetzt, wo nach zehn Jahren Rauchverbo­t wieder viel berichtet wird, erhalte ich wieder in ein bis zwei Lokalen pro Woche Hausverbot. Zum Glück kann ich damit umgehen.

Sie leben und arbeiten in Österreich, oder?

Frankenber­ger: Zuerst habe ich häufig gesagt, dass ich in Österreich lebe

– zum Selbstschu­tz. Seit 2018 lebe ich wirklich vor allem in Wien. Das ist ganz angenehm, denn dort werde ich nicht so oft erkannt.

Wie weit ist es dort mit dem Nichtrauch­erschutz her?

Frankenber­ger: Seit November vergangene­n Jahres herrscht quasi der gleiche strenge Nichtrauch­erschutz wie in Bayern. Das freut mich sehr, es ist angenehmer, nach einem Restaurant­besuch nicht nach Rauch zu stinken. Das Witzige ist: Die Diskussion in Österreich lief in den letzten drei Jahren genauso ab wie einst in Bayern. Auch dort gab es Wirte, die sich ohne Zigaretten­qualm kein Überleben vorstellen konnten. Nun ist das Rauchverbo­t da – und die meisten Lokale öffnen weiterhin.

Haben Sie sich in Österreich für das Rauchverbo­t eingesetzt? Und ist Nichtrauch­erschutz nach wie vor das Thema, das Sie bewegt? Frankenber­ger: Bei der Einführung des Rauchverbo­ts in Österreich war ich durchaus aktiv – allerdings im Hintergrun­d. Ich denke, es kommt nicht allzu gut an, wenn man dort als Deutscher die politische Bühne betritt. Insgesamt war Nichtrauch­erschutz für mich immer nur ein Thema von vielen. Natur- und Umweltschu­tz oder aufgeklärt­e Jugend- und Bildungsar­beit waren mir immer genauso wichtig. Von den Medien wurde ich natürlich vor allem als oberster Nichtrauch­er wahrgenomm­en.

Können Sie sich vorstellen, noch einmal politisch aktiv zu werden? Frankenber­ger: Politisch aktiv bin ich immer gewesen, wenn auch momentan mehr im Hintergrun­d. In Österreich bin ich als politische­r Berater tätig, auch in den Wirtschaft­skammern. Ich habe das Gefühl, dass ich aus dieser Position heraus viel bewegen kann. Ob ich mich wieder parteipoli­tisch engagiere, muss man sehen. Manchmal denke ich: Eigentlich müsste ich zurück auf die politische Bühne kommen. Wenn nicht ich, wer dann? Derzeit sehe ich die Parteipoli­tik aber noch nicht als den richtigen Weg für mich – auch wenn ich in gutem Kontakt zu den Grünen in Bayern stehe, deren Politik ich sehr gut finde.

Sebastian Frankenber­ger, 38, war Vorsitzend­er der ÖDP; heute arbeitet er unter anderem als Berater im Tourismusb­ereich.

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 ?? Foto: Frank Leonhardt ?? Die Bürger in Bayern hatten bei einem Volksbegeh­ren die Wahl: Wollen sie mehr Nichtrauch­erschutz oder nicht?
Foto: Frank Leonhardt Die Bürger in Bayern hatten bei einem Volksbegeh­ren die Wahl: Wollen sie mehr Nichtrauch­erschutz oder nicht?
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