Steht es wirklich so schlecht um die Wirtschaft?
Ledvance und Fujitsu schließen, Kuka muss sparen: Die Nachrichten aus großen Betrieben waren zuletzt nicht gut. Was ist da nur los? Wie Experten die Lage einschätzen und warum sie teilweise Entwarnung geben
In Augsburg geht es Schlag auf Schlag: Kaum ist der LedvanceStandort endgültig geschlossen, kündigt Fujitsu die Werksschließung für 2020 an. Kurz danach präsentiert Kuka ein Sparprogramm, das in den kommenden Jahren rund 300 Millionen Euro bringen soll – inklusive Personalabbau. In welchem Umfang steht allerdings noch nicht fest. Auch beim Flugzeughersteller Premium Aerotec kriselt es nach wie vor. Weil vor allem beim Airbus A400M und dem A380 die Nachfrage sinkt, muss die Firma die Produktion herunterfahren. Rund die Hälfte der angekündigten 450 Leiharbeiterstellen sind bereits abgebaut worden. Was noch kommen wird, ist noch offen. Dazu stehen auch andere Unternehmen unter Druck, bei denen die Nachfrage nach ihren Produkten sinkt. Bekanntes Beispiel dafür ist der Druckmaschinenhersteller Manroland Web Systems Goss.
In dieser geballten Ansammlung scheint es Augsburg wirtschaftlich gesehen in den letzten Wochen und Monaten hart getroffen, zu haben. Allein mit Ledvance und Fujitsu gehen bis 2020 vermutlich um die 2550 Arbeitsplätze verloren. Doch steht es um den Wirtschaftsstandort Augsburg tatsächlich so schlecht? Hört man sich bei Gewerkschaft, Unternehmensvertretern und der Arbeitsagentur um, klingen die Interpretationen unterschiedlich.
Der Wirtschaftsverband bayme vbm sagt: „Die schwäbische Metallund Elektroindustrie steckt aktuell in einem Konjunkturtal.“Er vertritt die bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeber. Acht Prozent der schwäbischen Betriebe wollen die Produktion dem Verband zufolge drosseln, die Investitionspläne seien regelrecht „eingebrochen“, sagt Jürgen Weiss, vbm-Vorstandschef für Nordwest-Schwaben. Die Industrieund Handelskammer (IHK) Schwaben dagegen berichtet, 90 Prozent der Augsburger Unternehmen seien mit ihren Geschäften zufrieden. Auch die Geschäftserwartungen seien positiv. Augsburger Firmen wie die Wafa, die die großen Automobilhersteller unter anderem mit Kühlergittern und Radkappen beliefert, erwarten für die nächsten Jahre sogar „signifikante“Umsatzsteigerungen. Ein Personalabbau wie bei Kuka sei daher nicht vorgesehen, betonte Geschäftsführer Martin Witte im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir suchen im Gegenteil dringend Fachkräfte, insbesondere im Bereich Galvanik“.
Ein einheitliches Bild ist daher offenbar nicht zu zeichnen. Das sagt auch Erik Lehmann, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Augsburg. „Je nachdem, aus welchem Blickwinkel man die Lage aktuell betrachtet, zeigen sich unterschiedliche Ausprägungen“, sagt er. Grundsätzlich hält Lehmann die Debatte um eine Wirtschaftskrise in Augsburg aber für überhitzt. „In Augsburg zeigt sich meines Kenntnisstands nach eine solide wirtschaftliche Lage.“Es herrsche nahezu Vollbeschäftigung. „Wir kommen von einem hohen Niveau, das darf man nicht vergessen, und der Markt ist für viele der frei werdenden Beschäftigten aufnahmefähig“, so Lehmann. Die Arbeitslosenquote in Augsburg lag 2018 bei fünf Prozent – so niedrig wie schon lange nicht mehr. Auch Elsa Koller-Knedlik, Leiterin der Agentur für Arbeit Augsburg, ist davon überzeugt, dass die wirtschaftliche Lage in Augsburg 2019 stabil bleiben wird – trotz des angekündigten Stellenabbaus einiger Unternehmen. Michael Leppek, Sprecher der Augsburger IG Metall und Mitglied einiger Aufsichtsräte der betroffenen Firmen, ist ebenfalls der Ansicht, dass es zwei Seiten der Medaille gibt. „All die Entscheidungen, Standorte zu schließen oder Arbeitsplätze abzubauen, treffen uns schwer, schmerzen und man muss der Ursache auf den Grund gehen.“Aber es seien stets „unterschiedlich gelagerte Einzelentscheidungen“, so Leppek: „Sie bedeuten nicht, dass Augsburg in einer Krise steckt“, sagt er. Im Gegenteil: Augsburg habe viele Unternehmen, die gut dastehen und investieren.
Dazu gehört aus seiner Sicht auch Kuka. „Das ist, trotz der Hausaufgaben, die zu erledigen sind, ein grundsolides Unternehmen und kein Sanierungsfall“, so der Gewerkschafter.
Warum die Wahrnehmung der Lage dennoch anders ist, erklärt sich Wissenschaftler Lehmann mit der Psychologie. „Die betroffenen Unternehmen haben große Namen, sie haben eine gewisse Tradition. Die Zahlen der betroffenen Mitarbeiter sind auf den ersten Blick hoch. Das schafft ein bestimmtes Bild und Betroffenheit“, sagt er. Dass von den einzelnen Maßnahmen zum Stellenabbau jedoch nur ein kleiner Teil der in Augsburg sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – mit 145 286 waren es so viele wie seit 20 Jahren nicht mehr – betroffen sei, gerate dabei schnell in den Hintergrund. Und auch, dass es deutlich mehr Unternehmen gibt als die bekannten Großen. Allein im produzierenden Gewerbe sind es über 2000 Firmen, die die IHK registriert. Und gerade diese Branche sei nun einmal stark dem Wandel unterlegen. Doch die meisten Unternehmen stehen gut da und arbeiten erfolgreich an Zukunftsthemen.
Der Automobilzulieferer Faurecia beispielsweise am Thema Elektromobilität. Und auch im Handwerk hält der Aufschwung weiterhin an. Die Auftragsbücher sind voll, Mitarbeiter gesucht. Dazu kommt das Thema Uniklinik. Sowohl Gewerkschafter Leppek als auch IHK-Sprecher Tomas Schörg erwarten sich hiervon noch einmal einen gewaltigen Schub für Augsburg. Rund 6500 Arbeitsplätze sollen hier und im Umfeld neu entstehen. „Nur weil die großen Unternehmen derzeit husten, hat die Region noch lange keine Grippe“, fasst Leppek zusammen.
Die Gewerkschaft nennt Kuka „grundsolide“