Jesper Munk beflügelt die Kantine
Konzert Theatrales Spektakel und musikalische Virtuosität müssen sich nicht gegenseitig im Weg stehen
Vorbands sind die unliebsamen Katzen im Sack: Man kennt oft weder ihre Namen noch kann oder will man sich mit ihnen unbedingt abgeben. Jesper Munks Vorboten in der gut gefüllten Kantine beweisen am Donnerstagabend das Gegenteil und bieten mit dem Headliner zweieinhalb Stunden unprätentiöse Extravaganz – in Auftritt, Klamotte und Musik.
Olmo & Mathilda, ein Duo aus Berlin und London, und der Brite Robbie Moore as. Robot. Die Ersten eröffnen pünktlich die Manege und legen das Motto für den gesamten Abend fest: theatral-normal. Theatral, weil Mathilda mit seinem (!) clownesken Erscheinungsbild hypnotisiert. Normal, weil die dreiköpfige Band so ungezwungen wie bei einer regulären Bandprobe agiert. Zwischen die psychedelisch surrenden Drums und Gitarren mischen sich mal Walzer-Takte, mal Mundharmonika und Tamburin mit hawaiianischem Country. Das Publikum ist zwar überrascht, lässt sich aber wohlwollend auf das artistische Experiment ein. Es geht schließlich um Musik – und die drei Jungs können das.
Das artistische Experiment wird von Robot, dem Keyboarder aus Jesper Munks Band, weitergesponnen – im Schwarzlicht leuchtet der Gitarrenspieler in Neonfarben und füllt die kurze Pause bis zu Jespers Auftritt. Was für ein Kontrast: ein Licht-Leuchtspektakel wie aus den 1980er Jahren und dazu psychedelischer, melodischer und stark emotionaler Pop. Eine harmonische Disharmonie, bei der trotz der auffälligen visuellen Komponente die Musik im Vordergrund steht.
Dass dies bei Jesper Munk und Band der Fall sein würde, weiß man, wenn man nicht zum ersten Mal auf einem Konzert ist. Auf der Tour zu dem dritten Album „Favourite Stranger“überzeugt das aus München stammende und auf der Straße entdeckte Multitalent einmal mehr durch Expertise auf der Bühne. Und die exklusive Besetzung der Band tut das Übrige: Micha Fromme an den Drums, Robbie Moore am Keyboard, Taylor Savvy am Bass sowie der erstklassige Gitarrist Knox Chandler, der bei R.E.M. für die Gitarrenriffs verantwortlich war.
Der Blondschopf, der mit seinem Stehkragen und den glänzenden Tanzschuhen stylish voll für die Bühne präpariert ist, brilliert wie erwartet und wird vom Publikum, das von vorne nach hinten altersmäßig zunimmt, andächtig bejubelt. Gründe dafür gibt es viele an dem Abend. Zunächst seine Stimme, die nach Whisky und Selbstgedrehten klingt. Dann ist da dies schelmische Lachen – das Publikum hat Munk gleich für sich gewonnen.
Und dann bleibt noch die musikalische Darbietung. Von kleinen technischen Nachjustierungen abgesehen ist Variation stimmführend. Man findet eine wohldurchdachte Abfolge von langsamen und schnellen Stücken vor, von traurig getragenen Passagen und pulsierenden Gitarrensoli, von altbewährten Liebesschnulzen (so „Morning Coffee“, von Munk ironisch angekündigt) und von fröhlichen Neuerscheinungen.
Jesper Munk bietet ein äußerst abwechslungsreiches Musikkino, das trotz der Komplexität mancher Lieder beflügelt. Und wenn Jesper Munk samt Band und allen Katzen im Sack beim letzten Zugabe-Track „Solitary“das Publikum zum Mitsingen und Schnipsen animiert, fühlt sich das traurige Lied ums Alleinsein plötzlich nach großem Gruppenkuscheln an. So theatral, so normal eben.