Die Flüchtlingsberatung stellt sich neu auf
Die Migrations- und Asylsozialberatung wurden zusammengelegt. Dadurch erhalten Ballungszentren zusätzliche Stellen. Ob das für eine erfolgreiche Integration ausreicht, fragt sich Matthias Schopf-Emrich von „Tür an Tür“
Region
Geflüchtete Menschen, die ihr Heimatland verlassen haben, müssen hier größtenteils bei null anfangen. Sie sprechen zunächst die Sprache nicht oder nur bruchstückhaft, sie können auch nicht auf ein breites Netzwerk von Familie, Verwandtschaft und Freunden zurückgreifen, die ihnen den Weg in der neuen Umgebung ebnen. Die erste Anlaufstelle ist und bleibt deshalb für Asylbewerber die Flüchtlingsberatung.
Welches Amt ist für sie zuständig? Wo bekommen sie einen Sprachkurs, wo Arbeit, welchen Arzt können sie aufsuchen und in welchen Kindergarten die Kinder bringen? Das sind Fragen, die geklärt werden müssen. Und es gibt noch viele weitere Probleme, die sich den Geflüchteten stellen.
Beantwortet und gelöst werden sie in der Region von Flüchtlingsberatern, die bei verschiedenen Wohlfahrtsverbänden arbeiten. Das lässt sich der Freistaat einiges kosten: Bayernweit gibt es derzeit rund 700 Beraterstellen in der Flüchtlingsund Integrationsberatung. Im Haushalt 2018 sind für die Beraterstellen insgesamt rund 27,9 Millionen Euro vorgesehen.
Für Aufregung bei den Wohlfahrtsverbänden sorgte in den vergangenen Wochen und Monaten ein Papier des Freistaats. In der Tabelle der bayerischen Integrationsrichtlinie war herauszulesen, dass im kommenden Jahr Beraterstellen vor allem im ländlichen Bereich abgebaut werden sollten. Demnach hätte der Landkreis Aichach-Friedberg mit derzeit 5,76 Stellen insgesamt 1,97 Stellen einsparen müssen. Der Landkreis Augsburg, derzeit 8,98 Stellen, hätte 0,74 Stellen streichen müssen.
Dazu habe es schon Gespräche im Landkreis Aichach-Friedberg gegeben bestätigt Simone Losinger, die dort die Ausländerbehörde leitet. Diese Prognosen sind allerdings vom Tisch, betont Michael Siefener, Sprecher des bayerischen Innenministeriums. „Insoweit können im Landkreis Aichach-Friedberg, die heuer beantragten 5,76 Beraterstellen auch im kommenden Jahr 2019 gefördert werden; ein Stellenabbau ist nicht erforderlich.“
Das freut Simone Losinger von der Ausländerbehörde im Kreis Aichach-Friedberg. Natürlich wohnten nun nicht mehr so viele geflüchtete Menschen im Kreis wie zu den Hochzeiten 2015 und 2016. „Derzeit sind in unseren Unterkünften rund 1000 geflüchtete Menschen untergebracht, 450 sind ausgezogen und haben im Kreis eine Wohnung gefunden. Zu den Hochzeiten waren es 1650 bis 1700 Menschen“, sagt sie. Viele Unterkünfte des Kreises, die über den gesamten Landkreis verteilt sind, konnten be- reits aufgelöst werden. Zählte Simone Losinger vor gut zwei Jahren rund 120 Unterkünfte, sind es heute etwa 60.
Auch der Betreuungsaufwand sei anfangs höher gewesen, so Losinger. „Je länger die Flüchtlinge da sind, desto besser finden sie sich zurecht. Außerdem sind die Berater hier sehr gut vernetzt und unterstützen sich gegenseitig“, sagt sie. Weniger Arbeit gebe es dennoch nicht: Anfang
2018 wurden die Asylsozialberatung und die Migrationsberatung zusammengelegt. „Es werden jetzt also auch Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen, aber keine Asylbewerber sind, von unseren Beratern betreut“, erklärt Simone Losinger.
Eine deutliche Erhöhung der Beraterstellen ist in den Ballungszentren festzustellen. Die Stadt Augsburg, die in diesem Jahr über 12,51 Beraterstellen verfügt, darf im kommenden Jahr ihr Beraternetz um
8,82 Stellen aufbauen. In München werden gar 18,60 weitere Stellen geschaffen, in Nürnberg 11,51. „Wie jede Förderumstellung bringt auch die Umstellung auf die bayerische Integrationsrichtline teilweise eine regionale Umverteilung der verfügbaren Fördermittel mit sich. Der beschriebene Stellenzuwachs zugunsten einzelner Städte und Landkreise ist dabei dem Umstand geschuldet, dass sich in jenen Städten und Landkreisen relativ betrachtet tatsächlich viele Ausländer mit potenziellem Beratungsbedarf aufhalten“, erklärt der Sprecher des Innenministeriums. Gleichwohl sei es das vordringliche Ziel, eine flächendeckende Beratungsinfrastruktur im gesamten Freistaat zu gewährleisten.
Für Matthias Schopf-Emrich vom Augsburger Verein „Tür an Tür“, der sich maßgeblich seit über 25 Jahren in der Flüchtlingsarbeit und -beratung engagiert, ist jede einzelne Stelle wichtig. Er freut sich über den Erhalt beziehungsweise die Aufstockung der Stellen. „Die Beratungsarbeit ist eine zeitintensive Arbeit, die Flüchtlingen hilft, sich hier zu integrieren. Da stellt sich die Frage, wie viel Integration wir brauchen?“, so Schopf-Emrich. Bildung, Wohnen, Arbeiten seien auch für Flüchtlinge die zentralen Themen. Ihnen müsse viel Zeit gewidmet werden. Schopf-Emrich bemängelt, dass vom Freistaat vergleichsweise viel Geld in die „Abschottung“investiert werde. Er nennt die Sicherung der Unterkünfte durch den Einsatz von Sicherheitspersonal und die Errichtung der bayerischen Grenzpolizei als Kostenfaktor.
Laut Innenministerium stehen für den Einsatz von externen Sicherheitsdiensten in bayerischen Asylbewerberunterkünften im Jahr 2018
188 Millionen Euro zur Verfügung. Eine Bezifferung der „Kosten für die bayerische Grenzpolizei“sei leider nicht möglich, so Siefener. Der Ministerrat habe aber beschlossen, dass die bayerische Grenzpolizei künftig über 1000 Polizistinnen und Polizisten verfügen solle. Siefener: „Hierzu ist beabsichtigt, die Grenzpolizei ab 2019 bis 2023 mit jährlich
100 Stellen – insgesamt 500 zusätzliche neue Stellen – zu verstärken. Zusätzlich investieren wir in die hochmoderne Ausstattung unserer Grenzfahnder, wie zum Beispiel mit Smartphones mit polizeilichem Messenger-Dienst und mobile Fingerabdruck-Scanner in den Einsatzfahrzeugen sowie spezielle Drohnen und Wärmebild- und Nachtsichtgeräte.“