Tuning Fans testen die Grenzen aus
Spoiler, blubbernde Motoren und schleudernde Fahrzeuge: Auf dem ADAC-Übungsplatz üben sich Autoschrauber im sicheren Fahren – und kämpfen gegen Vorurteile an
Die Sonne glänzt auf der nassen Straße. Am Fahrbahnrand ein Mann. Er ruft in sein Funkgerät: „Das ist nicht nur ein GeradeausMonster.“Dann dröhnt ein aufgemotzter Pontiac Trans Am mit aufgemaltem Haifischmaul über den Asphalt, lenkt in die Kurve, driftet ein paar Meter. Die Fahrerin verliert die Kontrolle, kommt von der Idealspur ab. Der Wagen dreht sich um die eigene Achse. Einen Moment schüttelt sich die Frau hinterm Steuer. Dann fährt sie mit blubberndem Motor davon. Ihr folgt ein giftgrüner Wagen. Auch er versucht sich im Driften. Nur mit Mühe kann er sich auf der Fahrbahn halten. Typisch Tunerszene. Meint man. Bis man sich umsieht und sich auf dem ADAC-Übungsgelände in der Mühlhauser Straße wiederfindet.
Gerade laufen die „Track & Safety Days“ab. Ausgewählte Tuning-Fans zwischen 18 und 35 Jahren können „die Grenzen des eigenen Autos erfahren“, wie Melissa Rudolph, die Fahrerin des Pontiac, später erzählt. Neben dem Driften auf regennasser Fahrbahn dürfen die Fahrer ausloten, wie ihre Schmuckstücke zum Beispiel bei einer Vollbremsung reagieren. Oder wie schwierig es ist, das Auto wieder unter Kontrolle zu bringen, ist erst mal das Heck ausgebrochen. Motoren wie Fahrer laufen heiß.
Ziel der Veranstaltung ist aber weniger, Szenen aus dem Film „Fast & Furious“nachzustellen. Die Tuner lernen hier nicht, „wie komme ich schnell um die Kurve, sondern sicher?“, sagt Jan Henning Klapper von der Initiative Tune it! Safe!. Das geht los bei der korrekten Sitzposition oder dem Erspüren, wie das ABS den Bremsvorgang unterstützt.
Neben dem Fahrtraining erfahren die Hobbyschrauber in Vorträgen, was nach Straßenverkehrsordnung alles geht – und was nicht. Wie tief darf das Auto gelegt werden? Gibt es Sportlenkräder mit Airbag? Welche Form darf die Antenne haben? Vor allem erfahren die Teilnehmer, über welche Richtlinien sie sich informieren sollten, bevor sie mit dem Schrauben anfangen. Ansonsten kann es teuer werden.
Abseits der Fahrbahn betonen die Tuner, dass ihre Szene nicht aus „Rowdys und Chaoten besteht“, wie es Florian Baumann ausdrückt. „Die Szene wird in den Medien vor allem schlechtgemacht. Dabei handelt es sich da um Einzelfälle.“Baumann ist mit einem Wagen da, der sich sicherlich nicht für Straßenrennen eignet: einem VW Touran. Die Felgen lila, die Scheiben getönt. Die Frau fahre mit dem Wagen auch die Kinder. „Das ist ein Familienauto. Ich wollte halt keinen Wagen von der Stange.“Warum er hier ist? „Einfach mal sehen, was passiert, wenn man die Grenzen überschreitet.“
Und noch ein Klischee will widerlegt werden: Autotuning als reines Männerhobby. Tatsächlich begegnet man auf und neben der Strecke einer auffallend großen Zahl Frauen – wie eben Melissa Rudolph mit ihrem Pontiac. „Wir werden immer mehr in der Szene. Aber noch immer belächelt.“Ob es Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Tunern gibt? „Ja, Frauen geht es hauptsächlich um die Optik. Nicht um PS.“Da sind sie also doch, die Rollenbilder?
Vor dem Gelände kommt man mit Andreas Brodl ins Gespräch. Er hat gerade mit einem Polizisten, der die Veranstaltung begleitet, darüber diskutiert, wie breit der schwarze Sonnenstreifen in der Frontscheibe sein darf. Man fragt, was er denn so an seinem Cabrio umgebaut hat. Er lacht. Haut seinen Kumpel an. „Na, was sollen wir da erzählen?“Der Kumpel zuckt stumm mit den Schultern. „Wissen Sie, das sind halt Informationen im Grenzbereich.“Man nickt verständig. Dann erfährt man aber doch noch etwas: „Wir haben die Karosserie verbreitert, das Fahrwerk ausgetauscht, eine andere Abgasanlage eingebaut, foliiert. Gut hundert Stunden Arbeitszeit. – Aber Softwaretuning haben wir nicht gemacht.“Mit einem Softwaretuning könne man, ganz theoretisch, gut hundert PS mehr Leistung erzielen.
Die „Track & Safety Days“fanden in diesem Jahr zum zweiten Mal statt und werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert. Augsburg ist eine von insgesamt acht Stationen und der einzige Zwischenstopp in Bayern.