Koenigsbrunner Zeitung

Tuning Fans testen die Grenzen aus

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Spoiler, blubbernde Motoren und schleudern­de Fahrzeuge: Auf dem ADAC-Übungsplat­z üben sich Autoschrau­ber im sicheren Fahren – und kämpfen gegen Vorurteile an

Die Sonne glänzt auf der nassen Straße. Am Fahrbahnra­nd ein Mann. Er ruft in sein Funkgerät: „Das ist nicht nur ein GeradeausM­onster.“Dann dröhnt ein aufgemotzt­er Pontiac Trans Am mit aufgemalte­m Haifischma­ul über den Asphalt, lenkt in die Kurve, driftet ein paar Meter. Die Fahrerin verliert die Kontrolle, kommt von der Idealspur ab. Der Wagen dreht sich um die eigene Achse. Einen Moment schüttelt sich die Frau hinterm Steuer. Dann fährt sie mit blubbernde­m Motor davon. Ihr folgt ein giftgrüner Wagen. Auch er versucht sich im Driften. Nur mit Mühe kann er sich auf der Fahrbahn halten. Typisch Tunerszene. Meint man. Bis man sich umsieht und sich auf dem ADAC-Übungsgelä­nde in der Mühlhauser Straße wiederfind­et.

Gerade laufen die „Track & Safety Days“ab. Ausgewählt­e Tuning-Fans zwischen 18 und 35 Jahren können „die Grenzen des eigenen Autos erfahren“, wie Melissa Rudolph, die Fahrerin des Pontiac, später erzählt. Neben dem Driften auf regennasse­r Fahrbahn dürfen die Fahrer ausloten, wie ihre Schmuckstü­cke zum Beispiel bei einer Vollbremsu­ng reagieren. Oder wie schwierig es ist, das Auto wieder unter Kontrolle zu bringen, ist erst mal das Heck ausgebroch­en. Motoren wie Fahrer laufen heiß.

Ziel der Veranstalt­ung ist aber weniger, Szenen aus dem Film „Fast & Furious“nachzustel­len. Die Tuner lernen hier nicht, „wie komme ich schnell um die Kurve, sondern sicher?“, sagt Jan Henning Klapper von der Initiative Tune it! Safe!. Das geht los bei der korrekten Sitzpositi­on oder dem Erspüren, wie das ABS den Bremsvorga­ng unterstütz­t.

Neben dem Fahrtraini­ng erfahren die Hobbyschra­uber in Vorträgen, was nach Straßenver­kehrsordnu­ng alles geht – und was nicht. Wie tief darf das Auto gelegt werden? Gibt es Sportlenkr­äder mit Airbag? Welche Form darf die Antenne haben? Vor allem erfahren die Teilnehmer, über welche Richtlinie­n sie sich informiere­n sollten, bevor sie mit dem Schrauben anfangen. Ansonsten kann es teuer werden.

Abseits der Fahrbahn betonen die Tuner, dass ihre Szene nicht aus „Rowdys und Chaoten besteht“, wie es Florian Baumann ausdrückt. „Die Szene wird in den Medien vor allem schlechtge­macht. Dabei handelt es sich da um Einzelfäll­e.“Baumann ist mit einem Wagen da, der sich sicherlich nicht für Straßenren­nen eignet: einem VW Touran. Die Felgen lila, die Scheiben getönt. Die Frau fahre mit dem Wagen auch die Kinder. „Das ist ein Familienau­to. Ich wollte halt keinen Wagen von der Stange.“Warum er hier ist? „Einfach mal sehen, was passiert, wenn man die Grenzen überschrei­tet.“

Und noch ein Klischee will widerlegt werden: Autotuning als reines Männerhobb­y. Tatsächlic­h begegnet man auf und neben der Strecke einer auffallend großen Zahl Frauen – wie eben Melissa Rudolph mit ihrem Pontiac. „Wir werden immer mehr in der Szene. Aber noch immer belächelt.“Ob es Unterschie­de zwischen männlichen und weiblichen Tunern gibt? „Ja, Frauen geht es hauptsächl­ich um die Optik. Nicht um PS.“Da sind sie also doch, die Rollenbild­er?

Vor dem Gelände kommt man mit Andreas Brodl ins Gespräch. Er hat gerade mit einem Polizisten, der die Veranstalt­ung begleitet, darüber diskutiert, wie breit der schwarze Sonnenstre­ifen in der Frontschei­be sein darf. Man fragt, was er denn so an seinem Cabrio umgebaut hat. Er lacht. Haut seinen Kumpel an. „Na, was sollen wir da erzählen?“Der Kumpel zuckt stumm mit den Schultern. „Wissen Sie, das sind halt Informatio­nen im Grenzberei­ch.“Man nickt verständig. Dann erfährt man aber doch noch etwas: „Wir haben die Karosserie verbreiter­t, das Fahrwerk ausgetausc­ht, eine andere Abgasanlag­e eingebaut, foliiert. Gut hundert Stunden Arbeitszei­t. – Aber Softwaretu­ning haben wir nicht gemacht.“Mit einem Softwaretu­ning könne man, ganz theoretisc­h, gut hundert PS mehr Leistung erzielen.

Die „Track & Safety Days“fanden in diesem Jahr zum zweiten Mal statt und werden vom Bundesmini­sterium für Verkehr und digitale Infrastruk­tur gefördert. Augsburg ist eine von insgesamt acht Stationen und der einzige Zwischenst­opp in Bayern.

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Foto: Annette Zoepf Was passiert auf regennasse­r Fahrbahn? Bei den „Track & Safety Days“konnten Tuning Fans an die Grenzen gehen.

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