Die Gipfeljagd des Bergfex geht weiter
Die Erfolgsserie von Johannes Rydzek ist unheimlich. Als Führender des Gesamtweltcups reiste der Kombinierer zur WM nach Lahti und springt und läuft an der Salpausselkä-Schanze und in den angrenzenden finnischen Wäldern alles in Grund und Boden. Dreimal innerhalb von sechs Tagen hat der 25-jährige Allgäuer gestern Abend auf der Medal Placa im Herzen der finnischen Sportstadt die Goldplakette umgehängt bekommen – und ist damit nicht nur der bislang erfolgreichste Athlet dieser WM, sondern der erste Deutsche überhaupt, der bei einer WM den Titel-Hattrick schaffte.
Rydzek, der Rekordmann. Seinem Erfolg auf die Spur zu kommen, ist schwierig. Selbst Fachleute, also Trainer und Betreuer, sind nicht wirklich in der Lage, die Stärken Rydzeks in Worte zu fassen. „Er ist derzeit der ausgeglichenste Athlet“, sagte Bundestrainer Hermann Weinbuch gestern und vermied damit bewusst Superlative wie „perfekt“oder „vollkommen“. Vermutlich, weil der zum Perfektionismus neigende Medaillenschmied aus Bischofswiesen sogar bei Rydzek noch Steigerungspotenzial sieht.
Die Karriere von Rydzek verlief steil. 2007 wurde er deutscher Jugendmeister, 2008 bestritt er seinen ersten Weltcup, 2010 durfte er bereits zu Olympia. Im gleichen Jahr wurde er „Eliteschüler des Jahres“, 2011 von der Stiftung Deutsche Sporthilfe zum „Juniorsportler des Jahres“ausgezeichnet. Mit knapp 20 Jahren bekam er ein Ausbildungsstipendium in Höhe von 6000 Euro – und ein Medienseminar. Einige Journalistenkollegen behaupten, letzteres hätte er sich besser gespart, denn bei Interviews wirkt Rydzek noch immer spröde und übervorsichtig, nur ja nichts Falsches zu sagen. Vielleicht dauert es noch eine Zeit lang, bis der Mehrfach-Weltmeister aus dem Allgäu auch in der Öffentlichkeit mal so locker rüberkommt wie in seinem engsten Umfeld, das an ihm auch Humor und Schlagfertigkeit schätzt. Aber klar ist auch: Gold gewinnt Rydzek in der Loipe – und nicht in der Interviewzone.
Rydzek, der Privatmann. Als adrenalinsüchtiger Naturbursch zeigt er sich im Internet. In der Abgeschiedenheit der Allgäuer Berge holt sich der Ausnahmesportler bei atemberaubenden Extremtouren nicht nur die nötige Wettkampfhärte, sondern eben auch das tiefe Gefühl der Zufriedenheit. Gestern sagte Rydzek auf seine Erfolgsbilanz angesprochen: „Ich mache den Sport nicht für die Statistik, sondern weil es mir Spaß macht.“
Der Bergfex Rydzek wird seine Gipfeljagd fortsetzen. Er liebt die Allgäuer Berge – und will doch irgendwann einmal in den Himalaya. Und er liebt die WM in Lahti – und hat im Hinterstübchen bestimmt schon die Olympischen Spiele nächstes Jahr in Korea.