Trump fest im Blick
Kaeser ist erfolgreicher denn je. Er hat Siemens wieder stark gemacht, verordnet sich selbst aber Demut. Mit warnenden Worten wendet sich der Bayer an den US-Präsidenten
München Das mit der selbst verordneten Demut scheint Siemens-Chef Joe Kaeser ernst zu nehmen. Und das, obwohl der Konzern besser denn je dasteht. Der Aktienkurs ist 2016 um 30 Prozent nach oben geschnellt, während der Dax 6,9 Prozent gutgemacht hat. So sollen die Siemens-Anteilseigner mit 3,60 Euro je Papier eine schöne Dividende erhalten. Zuletzt stieg der Gewinn kräftig an, sodass der Riese die Ertragsprognose angehoben hat.
Nach unruhigen Jahren kann Kaeser auf das operativ beste Geschäftsjahr der Unternehmensgeschichte verweisen. In solchen Phasen heben Manager leicht ab. Der Siemens-Chef haut bei der gestrigen Hauptversammlung des Unternehmens in München aber die Arroganz-Bremse rein. Er zitiert Werner von Siemens, den Gründer der Firma: „Für den augenblicklichen Gewinn verkaufe ich die Zukunft nicht.“Dabei gibt sich Kaeser in der Olympiahalle volksnah. Nachdem ein Anteilseigner beklagt hat, dass es mit der Einladung zur Hauptversammlung keine kostenlosen Nahverkehrstickets mehr gibt, bleibt Kaeser hart. Er nimmt die Regelung nicht zurück. Der Siemens-Chef scheint sich nun doch einer Arroganzfalle zu nähern. Einige Anteilseigner sind wütend. Der Manager reagiert rasch: „Ich zahle denjenigen, die gepfiffen haben, ein Ticket aus eigener Tasche, aber nur, wenn sie im nächsten Jahr wieder kommen.“Weiterer Protest bleibt aus.
So einfach lassen sich kleine Probleme lösen. Größere verlangen mehr Worte, ohne dass sich meist eine Lösung abzeichnet. Der dickste deutscher Unternehmensführer hat fünf Buchstaben: Trump, Trump und nochmals Trump. Die Aktionäre drängen den Siemens-Chef, seine Strategie gegenüber dem amerikanischen Unruhestifter offenzulegen. Zunächst einmal kann Kaeser, der für Siemens früher lange in den USA gearbeitet hat, nicht verbergen, dass ihn die freihandelsfeindlichen Äußerungen Trumps beunruhigen. „Es besorgt uns schon, es besorgt mich persönlich, dass wir Töne hören, die bisher zu unserer Wahrnehmung dieses Landes nicht passten“, sagt er. Kaeser fände es „sehr schade“, wenn die USA die Errungenschaften der Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionen aufgeben würden. Der Manager appelliert eindringlich an Trump: „Wir treten für Weltoffenheit und Toleranz ein.“Diese Werte werde Siemens in den USA zwar demütig, aber doch deutlich vertreten.
Dabei kann Kaeser, der einige Berater Trumps kennt, mit einem besonderen Pfund wuchern: „Wir sind in Amerika ein erheblicher BeSorgenbrocken standteil der Gesellschaft.“Das belegen Zahlen, denn gut 50 000 Menschen arbeiten für Siemens in Amerika – und das in rund 60 Fabriken. Damit befindet sich etwa jeder siebte Arbeitsplatz des Konzerns in Amerika. In Bayern sind noch rund 59 000 Frauen und Männer für das Unternehmen tätig. Die Zahl zeigt, wie wichtig inzwischen nach immer neuen Zukäufen das US-Geschäft für Siemens geworden ist.
Ein Nutznießer der Entwicklung ist der amerikanische Fiskus. Kaeser betont, Siemens habe in den vergangenen drei Jahren in Amerika über zwei Milliarden Dollar Steuern überwiesen. Der Manager versucht mit Fakten bei der US-Regierung zu punkten. Dabei setzt er auf den künftigen Außenminister Rex Tillerson, der als Chef des Öl-Konzerns ExxonMobil bekannt wurde. Kaeser hat einen guten Draht zu dem Mann und hofft: „Er kennt die Welt und weiß, was globaler Handel ist.“Vielleicht hilft dieser Umstand Unternehmen wie Siemens.
Kaeser redet phasenweise wie ein Politiker. Ein Aktionär bringt ihn sogar als Kanzler ins Gespräch. Bernd Günther ruft: „Kaeser for Chancellor.“Der Siemens-Chef wirkt durchaus geschmeichelt, lacht, winkt aber ab. Doch es spricht einiges dafür, dass er über seinen bis Mitte 2018 laufenden Vertrag hinaus Siemens-Chef bleibt. Einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden hat der Konzern mit Jim Hagemann Snabe gefunden. Der 51-jährige Däne und frühere Chef des Software-Spezialisten SAP soll 2018 Gerhard Cromme ablösen. Der wird bald 74 Jahre alt und klebt – wie ihm lange unterstellt wurde – nicht mehr an dem einflussreichen Posten.