Wenn der Tortenkauf zur Glaubensfrage wird
Larissas Leckereien #10 – So backt die Bäckerei Weißgerber Rieser Bauerntorte
- Jeder, der im Nördlinger Ries bei einer Bäckerei eine Bauerntorte bestellt und dabei mit der Frage „katholisch oder evangelisch?“konfrontiert wird, weiß in der Regel, dass es dabei nicht um die eigene Konfession geht, sondern um die Variante der Torte.
Für die zehnte Folge von „Larissas Leckereien“geben Inhaberin Lena Scherer und ihr Großvater Willi Weißgerber in ihrer Bäckerei einen Einblick, wie das traditionelle Rieser Gebäck hergestellt wird, welche Geschichte damit einhergeht und warum es eine katholische und eine evangelische Variante gibt.
Einen Hefeteig, Apfelmus für die Füllung, ein bisschen Kakao, Orangeat und Zitronat, Rosinen, Zimt und Zucker – mehr Zutaten braucht es für eine Bauerntorte nicht. Die Wallersteiner Bäckerei backt Bauerntorten bereits in der dritten Generation. Das Rezept hat sich seit der Gründung durch den Wemdinger Willi Weißgerber nie geändert, wie seine Enkelin und heutige Mit-Inhaberin der Bäckerei Weißgerber, Lena Scherer, versichert: „Wenn mich jemand nach den Rezepten fragt und ich dann sagen kann, dass das genau dieselben sind, die mein Opa schon vor 60 Jahren genauso gemacht hat, bin ich da natürlich stolz drauf.“
Und nach wie vor kommt der 79-Jährige noch beinahe täglich in die Bäckerei an der Wallersteiner Hauptstraße und backt die traditionellen Bauerntorten.
Dabei lässt er für den Boden zunächst eine Teigkugel – diese muss exakt halb so groß wie jene für die Abdeckung der Torte sein – durch die Teigausrollmaschine laufen. Anschließend streicht er eine Masse aus Apfelmus, Rosinen und Gewürzen auf den dünnen Teigkreis. Bis dahin unterscheiden sich die beiden Tortenvarianten nicht. Erst mit dem Deckel entscheidet sich: Wird die
Torte evangelisch oder katholisch?
„Wir sind zwar alle katholisch, aber wir haben uns für unsere Bäckerei für die evangelische Variante entscheiden, bei dieser ist der Deckel komplett geschlossen und wird nur eingeschnitten, so bleibt das Apfelmus einfach viel saftiger“, erklärt Bäckermeisterin Lena Scherer. Auch sei die katholische Variante wesentlich zeitaufwendiger und somit für den täglichen Verkauf eher ungeeignet. Denn diese wird entgegen der evangelischen nicht mit einer Teigdecke, sondern mit -streifen geschlossen, die zu einem Gitter angeordnet werden. „Auf Anfrage backen wir die andere Variante aber auch. Denn wenn zum Beispiel die Kirche eine Bauerntorte bestellt, möchte die natürlich schon eine katholisch haben“, so Scherer.
Woher die Tradition kommt, dass sich zwei Varianten einer Torte mit exakt denselben Zutaten überliefert haben, weiß die Bäckerei nicht mit Sicherheit. „Weil wir im Ries sind?“, antwortet sie scherzend auf die Frage und fügt dann als Vermutung an: „Man sieht das ja schon an den Kirchen: Katholische und evangelische Kirchen haben im Prinzip die gleiche Funktion und sehen doch ganz anders aus, die katholischen sind oft viel prunkvoller gestaltet, die evangelischen etwas schlichter.“
Den Boden samt Füllung fertig vorbereitet, rollt Willi Weißgerber die zweite kleinere Teigkugel beinahe hauchdünn aus und bestreicht sie für einen schönen Glanz und eine goldene Farbe nach dem Backen mit Eigelb. In gleichmäßigen Abständen schneidet er außerdem ein Muster aus Weizenähren in den Deckel. Mit geübten Händen und sehr vorsichtig, damit das Muster nicht einreißt, ziehen Lena Scherer und ihr Großvater dann als letzten Schritt vor dem Backen die Teigdecke über die Torte – nun ist sie bereit zum Backen.
Das Interesse an dem typischen Rieser Gebäck habe in den vergangen zehn bis 15 Jahren wieder deutlich zugenommen, so Scherers Eindruck: „Vermutlich, weil es kaum noch jemanden gibt, der Bauerntorten noch zu Hause backt.“Früher sei das anders gewesen. „Damals hat es im Dorf einen großen Ofen im Backhaus gegeben, da hat jeder seinen Teig und seine Bauerntorte daheim vorbereitet und hat sie dann ins Backhaus gebracht. Das gibt es so eben nicht mehr“, berichtet die Bäckermeisterin.
Und obwohl die Torten schon damals jederzeit recht schnell gebacken werden konnten, weil Zutaten wie Mehl, Zucker oder eingemachtes Apfelmus aus eigenem Streuobst eigentlich immer vorrätig im Haus waren, hafte ihnen bis heute schon allein aufgrund ihrer Größe immer etwas Festliches an. „Bei der Kommunion, bei der Taufe, bei der Hochzeit, bei uns in der Region bestellt da eigentlich jeder immer eine Bauerntorte dazu. Die gehört einfach dazu“, so Scherer.
Für die 29-Jährige käme es daher auch nicht infrage, die Bauerntorte aus dem Sortiment zu nehmen. „Tradition bedeutet für mich nicht, die Asche aufzubewahren, sondern die Glut am Glühen zu halten. Natürlich möchte ich auch neue Sachen ausprobieren, aber die Gebäcke, die schon immer funktioniert haben und zu uns dazugehören, weil unsere ganze Region auf diese Tradition stolz ist, die gehören bei mir ins Sortiment.“