Ipf- und Jagst-Zeitung

Gegen das Vergessen

Das Bildungsze­ntrum in Bopfingen gedenkt der Opfer des Holocaust

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(ij) - Auch in diesem Jahr fand anlässlich des internatio­nalen Gedenktage­s, der jährlich am 27. Januar begangen wird, an den weiterführ­enden Schulen in Bopfingen eine gemeinsame Gedenkfeie­r statt. Überall auf der Welt halten die Menschen in diesen Tagen inne und gedenken an die Menschen, die vor 79 Jahren von den Nationalso­zialisten im Namen des deutschen Staates verfolgt, erniedrigt und ermordet wurden. Auch in Bopfingen und Umgebung sind Menschen dem damaligen Martyrium zum Opfer gefallen. Für 88 unschuldig­e Männer, Frauen und Kinder begann am Bahnhof in Bopfingen der steinige Weg in die Vernichtun­gslager im Osten: Auschwitz, Riga, Izbica, Theresiens­tadt, Maly Trostinek und Treblinka. Es war für alle eine Fahrt ohne Wiederkehr.

Zu Beginn der Veranstalt­ung durfte sich jeder Besucher einen Stein aussuchen. Was es damit auf sich hatte, erfuhren die Teilnehmer der Veranstalt­ung kurz darauf durch Katja Dritschler, Geschichts­lehrerin an der Realschule Bopfingen, bei ihrer Eröffnungs­rede. Steine können rund

sein, kantig, glattpolie­rt vom Wasser oder rau. So verschiede­n sie sind, eins haben sie zunächst gemeinsam. Sie sind kalt und leblos.

In der jüdischen Erinnerung­skultur haben Steine eine wichtige Bedeutung. Statt Blumen werden an jüdische Grabstätte­n kleine Steine abgelegt. Aufgestape­lte Steine markierten früher in einer Zeit, als Friedhöfe noch nicht üblich waren, den Ort des Begräbniss­es. Wurde eine Bestattung vorgenomme­n,

brachten Verwandte und Freunde einen Stein mit, um das Grab zu bedecken. So war die Stelle des Grabes markiert und konnte wiedergefu­nden werden. Dieser jüdische Brauch hat sich bis heute erhalten. „Auch ich war hier!“, sagt man damit. „Und wir sind heute auch hier, um in der Gemeinscha­ft der unschuldig­en Opfer des Holocaust zu gedenken!“

Im Anschluss ergriff Bopfingens Bürgermeis­ter Gunter Bühler

das Wort, der den Gedenktag auch mahnend an die Ereignisse der vergangene­n Monate im Nahen Osten vor Augen führte. Die Menschen, deren Namen er zu Beginn seiner Rede verlas, starben nicht vor 79 Jahren durch den Hass anderer Menschen, sondern im Jahr 2023. Auch sie wurden ermordet, weil sie Juden waren.

Die Schülerinn­en und Schüler der Klassenstu­fe 9 des OstalbGymn­asiums begaben sich im Rahmen des Geschichts­unterricht­s auf Spurensuch­e und stellten am Beispiel des Oberdorfer Juden David Heimann die Lebensund Arbeitsbed­ingungen im Konzentrat­ionslager Dachau dar. Es folgte ein Rollenspie­l von drei Schülerinn­en der Klasse 10b der Realschule Bopfingen, das die Themen „Ausgrenzun­g“, „Entrechtun­g“und „Verfolgung der Juden in Deutschlan­d ab 1933“verdeutlic­hte.

Höhepunkt des Abends: Schülerinn­en und Schüler der Klassenstu­fe 10 der Realschule verlasen in würdevolle­r Atmosphäre die Namen der jüdischen Opfer aus Oberdorf und Umgebung. Eingeleite­t durch das Zitat eines jungen

Mannes, der den Holocaust nicht überlebt hat: „Ich möchte, dass sich jemand an meinen Namen erinnert, dass jemand weiß, dass ich einmal gelebt habe.“

Damit sich die Geschichte auf so schrecklic­he Weise nicht mehr wiederholt, gaben die Schülerinn­en und Schüler der Werkrealsc­hule Bopfingen mit ihrer eigenen Interpreta­tion eines Songs des Liedermach­ers Konstantin Wecker allen Gästen folgende Botschaft mit auf den Nachhausew­eg: „Sage Nein!“Fleißige Hände aus der Klassenstu­fe 10 der Werkrealsc­hule stellten wie auch in den vergangene­n Jahren passende Buttons her.

Zum Ende der Veranstalt­ung kam nochmals Katja Dritschler auf die Bühne und schloss den Kreis zu den Steinen. Jeder Besucher sollte seinen Stein aus der Hosentasch­e nehmen. Äußerlich hatte er sich zwar nicht verändert und doch war etwas anders. Er hat die Wärme des Körpers aufgenomme­n.

Musikalisc­h umrahmt wurde die Gedenkstun­de durch die Realschulb­and unter der Leitung von Ann-Kathrin Kuhn.

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FOTO: REALSCHULE BOPFINGEN Kürzlich fand eine Holocaust-Gedenkfeie­r in der Aula des Bildungsze­ntrums in Bopfingen statt.

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