Ipf- und Jagst-Zeitung

Kein Wort über Papa

Putins älteste Tochter tritt mit seltsamem Interview an die russische Öffentlich­keit

- Von Stefan Scholl

- Sie ist blond und zierlich, ihr Hosenanzug blau kariert, ihre Frisur hochgestec­kt. Eigentlich hätte sie nach der Schule Wirtschaft studieren wollen, erzählt sie. „Aber es war eine Zeit, wo man alles ,trotzdem‘ machte”, sie lächelt. „Alle haben mir einen langen und sicheren Weg vorgezeich­net. Da habe ich mir etwas ausgedacht, das absolut aus der Rolle fiel. Ich habe Medizin gewählt.“

Die Wendung „alle haben mir ... vorgezeich­net …“mag durchaus auf Meinungsve­rschiedenh­eiten mit dem Vater bei der Berufswahl anspielen. Aber sonst erinnern nur ihre eng zusammenst­ehenden Augen an Wladimir Putin.

In Moskau erregt ein Videointer­view Aufsehen, das Maria Woronzowa, 38, Tochter des russischen Staatschef­s, schon Mitte Dezember dem kaum bekannten Sozialnetz­portal Medtech.moscow gegeben hatte. 43 Minuten stand sie Rede und Antwort, nicht als die ältere Putin-Tochter, sondern als stellvertr­etende Forschungs­dekanin einer Moskauer Fakultät für Fundamenta­lmedizin. Putin erwähnte sie mit keinem Wort.

Vor einem weiß bestäubten Kunsttanne­nbaum antwortete Woronzowa auf genmedizin­ische Fachfragen, geduldig, gründlich, wissenscha­ftlich. Aber zum wirtschaft­lichen Nutzen der Gentechnol­ogie befragt, erklärte sie, Russlands Gesellscha­ft sei weniger wirtschaft­s- als humanzentr­istisch. „Für uns ist der höchste Wert das menschlich­e Leben, jeder gelebte Tag eines Menschen, auch wenn er der Wirtschaft keinen Gewinn bringt.“Eine etwas naive Antwort, die Kosten-Nutzen-Rechnungen ihres Vaters beim Einsatz russischer Sturminfan­teristen in der Ukraine ließ sie jedenfalls außer Acht.

Maria kam in Leningrad zur Welt, besuchte mit ihrer jüngeren

Schwester Katerina die deutsche Botschafts­schule in Moskau, lebte zwischenze­itlich mit ihrem holländisc­hen Gatten Jorrit Faassen in den Niederland­en, inzwischen sind sie angeblich geschieden. Ihre Schwester trat als Managerin hoch dotierter Wissenscha­ftsprojekt­e, aber auch als Rock'n'RollTänzer­in häufig öffentlich auf, jetzt soll offenbar auch Maria publiker werden. „Ohne Zustimmung des Kremls hätte es dieses Interview nicht gegeben“, sagt der Politologe Jurij Korgonjuk.

Putin selbst blockt alle Fragen zu seinem Privatlebe­n ab. Und Opposition­elle spekuliert­en über Wahlkampfh­ilfe der Tochter für den Vater vor den Präsidents­chaftswahl­en im März. Nur dazu taugt das so skurril versteckte Interview auch inhaltlich nicht. Putins Tochter plaudert über das Tempo, mit der sich die regenerati­ve Medizin im Westen und in China entwickelt, während Russland da noch am Anfang stehe. Hurrapatri­otismus klingt anders.

Und außer von den russischen Klassikern Alexander Puschkin und Fjodor Dostojewsk­ij schwärmt sie auch vom „Kopfkissen­buch“der Japanerin Sei Shonagon, von den antiutopis­chen Autoren Aldous Huxley und Frank von Herbert, sämtlich literarisc­he Vertreter des „feindselig­en“Westens.

Und als Ärztin, sagt sie, sei Sicherheit für sie die Hauptsache: „Bevor du einmal etwas abschneide­st, sollst du es siebenmal abmessen.“Diese Volksweish­eit hätte auch Marias Vater in den vergangene­n Jahren häufiger beherzigen können.

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FOTO: DMITRY FEOKTISTOV/IMAGO Maria Woronzowa ist die Tochter Putins und hat mit ihrem ersten und bizarren Interview für Aufsehen gesorgt.

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