Gemeinsam vespern, Haare schneiden und neu einkleiden
Ellwanger Vesperkirche erfindet sich neu – Das erwartet die Gäste in diesem Jahr
- Ein Ort des Miteinanders, der Geselligkeit und der Gastfreundschaft – dafür steht die Ellwanger Vesperkirche. Jedes Mal aufs Neue erfreut sich das gemeinsame Mittagessen im Jeningenheim bei den Gästen großer Beliebtheit. In der 26. Ausgabe der Veranstaltung möchten die Organisatoren, die katholische und die evangelischen Kirchengemeinde, ihren Erfolg mit einigen Neuerungen weiter ausbauen.
Von Montag, 13., bis Sonntag, 19. November, sind die Besucher damit nicht nur eingeladen, täglich zwischen 11.30 und 13 Uhr gemeinsam zu speisen, sondern können sich – so laut Pfarrer Martin Schuster die vorbehaltlichen Planungen – an einigen Tagen an einem Stand der Kleiderstelle der Caritas neu einkleiden, von Frisören die Haare schneiden lassen oder an einem der Mittage LiveMusik genießen. „Wir haben in den vergangenen Jahren sehr gute Erfahrungen mit dem gemeinsamen Essen und dem christlichen Impuls gemacht, da wollen wir dieses Jahr noch eins daraufsetzen“, erklärt der evangelische Pfarrer Martin Schuster dazu.
Die neuen Angebote folgen dem Vorbild der allerersten Vesperkirche, 1995 in der Stuttgarter Leonhardskirche. Damals in erster Linie für Obdachlose und Menschen aus prekären Verhältnissen gedacht, hatte die Stuttgarter Kirchengemeinde außer einem Mittagessen bereits bei der ersten Ausgabe eine kostenlose ärztliche
und zahnärztliche Versorgung, Hilfe für die Tiere der Gäste sowie musikalische Unterhaltung organisiert. Dieses Format hat sich bis heute so erhalten, mittlerweile kommen täglich bis zu 800 Menschen aller sozialen Schichten zu der Vesperkirche.
Auch in Ellwangen ist während der Vesperwoche jeder im Jeningenheim willkommen: „Die Gäste reichen von Arbeitern aus den Werkstätten von Habila oder der Stiftung Haus Lindenhof, die sich über Abwechslung zu ihren eigenen Kantinen freuen, über alleinerziehende Mütter bis zu älteren Menschen, die sonst zu Hause allein essen und bei der Vesperkirche die Gesellschaft genießen“, so der Pfarrer. Aber auch politische Persönlichkeiten wie Landrat Joachim Bläse oder Oberbürgermeister Michael Dambacher seien in den vergangenen Jahren immer wieder zu Gast gewesen.
Eine weitere Neuerung in diesem Jahr: Die Organisatoren verzichten in diesem Jahr auf eine reguläre Kasse und erheben damit auch keinen festen Unkostenbeitrag mehr für das Mittagessen. Stattdessen soll sich die Speisung ausschließlich über Spenden finanzieren. „Schon immer kommen zur Vesperkirche Menschen, die uns mit Spenden unterstützen. Wir vertrauen darauf, dass wir mit diesen Spenden auch weiterhin ein großzügiger Gastgeber sein können“, sagt Schuster in diesem Zusammenhang. Eine Wechselgeldstelle, an der die Gäste Geld für ihre jeweilige Spende passend eintauschen können, wird zu diesem Zweck eingerichtet. Ebenso werden in den Tafelläden zur besseren Planung der Essen weiterhin Gutscheine verteilt.
Zwar wurde bei der Vesperkirche auch bisher niemand abgewiesen, wenn die zwei Euro für das Mittagessen nicht aufgebracht werden konnten. Dennoch soll nun der komplette Verzicht auf den Unkostenbeitrag insbesondere in Zeiten von Lebensmittelteuerungen und Inf lation noch deutlicher machen, dass Armut grundsätzlich kein Ausschlusskriterium für soziale Teilhabe sein sollte. „Die Vesperkirche kann Menschen nicht aus der Armut herausführen, sie kann aber ihre Folgen, wie zum Beispiel Einsamkeit oder ein schmales Budget, für einen Moment ausklammern oder zumindest lindern“, sagt Schuster in diesem Zusammenhang. „Für mich hat die Vesperkirche deshalb etwas Oasenhaftes.“
Bekocht werden die Gäste wieder von den Sankt-Anna-Schwestern, zusätzlich wird ein Kaffeeund Kuchenbuffet aufgebaut. Bei der Bewirtung erhalten die Ehrenamtlichen und Helfer aus den Kirchengemeinden in diesem Jahr außerdem Unterstützung von Schülerinnen und Schülern der Konrad-Biesalski-Schule in Wört. Dass Kinder- und Jugendliche aus den umliegenden Schulen bei der Vesperkirche mitanpacken, hat Tradition. Denn aus Schusters Sicht können aus diesem Zusammentreffen Schüler und Gäste gleichermaßen viel Positives ziehen: „Die Schüler erfahren beim Bedienen ein hohes Maß an Anerkennung und Dankbarkeit. Und es ergibt sich dabei ganz von selbst ein gegenseitiges Wahrnehmen von Menschen, die sich im Alltag sonst wahrscheinlich gar nicht begegnen würden.“