Hauptsache Holz
Der Fertighaushersteller Bau-Fritz im schwäbischen Erkheim ist deutschlandweit für nachhaltiges Bauen bekannt. Geschäftsführerin Dagmar Fritz-Kramer wird in diesem Jahr mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet. Ein Besuch im Holzhaus.
- Schon bevor Dagmar Fritz-Kramer die große Holztür öffnet, wird klar: Das Haus vor ihr ist etwas spezieller. Die Fassade, die Terrasse, der Eingangsbereich – alles aus Holz. Selbst den Autofahrern, die auf der A 96 in Richtung München unterwegs sind, dürfte beim Blick auf die Modellhäuser nicht entgangen sein, welcher Rohstoff hier hervorsticht. Denn direkt neben der Autobahn im bayerischen Erkheim im Allgäu präsentiert das Holzbauunternehmen Bau-Fritz seine Art des Bauens. „Mit dem aus meiner Sicht besten Rohstoff überhaupt, nämlich Holz“, betont Fritz-Kramer.
Stolz betritt die 52-jährige Geschäftsführerin des Unternehmens das Modellhaus. „Dann mal hereinspaziert“, sagt sie in ihrem freundlich schwäbisch-bayrischen Dialekt. Drinnen bestätigt sich der Eindruck von außen: Die Wände, der Boden, die Möbel, ja selbst die Badewanne – alles aus Holz. „Nachhaltigkeit“, sagt Fritz-Kramer, „das ist schon seit Jahrzehnten unsere Philosophie.“Bei Neubauten, Sanierungen oder Anbauten – das Bauunternehmen setzt fast ausschließlich auf den nachwachsenden Rohstoff. „Denn Holz kann viel Kohlenstoff speichern und so die Bildung von klimaschädlichem Kohlendioxid verhindern“, erklärt Fritz-Kramer. Gerade im Bau sei das von Vorteil, in einer Zeit in der Deutschland bis 2045 klimaneutral sein will.
Der Bausektor wird auf dem Weg zur Klimaneutralität eine Schlüsselrolle einnehmen, da sind sich alle Experten einig – und das ist gut begründet: Der Gebäudesektor verursachte laut Umweltbundesamt 2022 rund 40 Prozent der Emission an klimaschädlichen Treibhausgasen in Deutschland. „Wenn wir jetzt nicht anfangen klimaneutral zu bauen, dann schaffen wir das bis 2045 nicht. So viel Zeit bleibt nicht mehr“, sagt Fritz-Kramer. Ihr Unternehmen setzt schon seit langer Zeit konsequent auf den ökologischen Rohstoff Holz und bietet fast komplett nachhaltige Fertighäuser an.
Für diese Pionierarbeit wird Fritz-Kramer am Samstag in Lübeck mit dem Deutschen Umweltpreis 2023 ausgezeichnet. Sie sei eine Ideengeberin für neue Wege im Bausektor, begründet der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), Alexander Bonde, die Entscheidung für die Allgäuer Geschäftsfrau und ihr Baugeschäft. „Sie und ihr Unternehmen sind Motor für die Branche und Vorreiterin für die Bauwende“, so Bonde.
Und tatsächlich kann das Erkheimer Familienunternehmen auf ein lange Tradition im ökologischen Holzbau zurückblicken. Gegründet 1896 von Fritz-Kramers Urgroßvater Silvester Fritz als Zimmerei, hat sich die Baufirma nach und nach dem ökologischen Bauen verschrieben. Schon Fritz-Kramers Opa habe angefangen, Häuser komplett aus Holz zu bauen. In den 1980er-Jahren, als Fritz-Kramers Vater die Erkheimer Zimmerei verantwortete, startete die Firma weitere gezielte Versuche, nachhaltig zu bauen. „Damals gab es beispielsweise noch gar keine ökologische Dämmung für die Häuser“, erklärt die Unternehmerin. Ihr Vater sei dann auf die Idee gekommen, mit Spänen zu dämmen. Beim Stammtisch abends habe ein Freund des Vater – ein Molkereimeister – vorgeschlagen, Molke als Brandschutz für die Späne zu nutzen, erzählt Fritz-Kramer. „Weil Molke früher zum Löschen eingesetzt wurde.“Geboren war eine nachhaltige Dämmung aus Spänen, die Bau-Fritz weiterentwickelt und patentiert hat – und bis heute als Dämmstoff verwendet. Es ist eines von über 40 Patenten der Firma.
Seit 2004 ist Dagmar Fritz-Kramer – damals 33 Jahre alt – Teil der Geschäftsführung. Das Unternehmen wuchs auch in der vierten Generation immer weiter. Mittlerweile trägt Fritz-Kramer die Verantwortung für über 500 Mitarbeiter, darunter auch eine fünfköpfige Forschungsabteilung: „Das sind Ingenieure, die unseren Weg des klimaneutralen Bauens weiter vorantreiben und viele tolle Konstruktionen entwickeln“, erklärt Fritz-Kramer.
Das Wichtigste sei stets, nachhaltig zu bauen. Beispiele: Fenstermodule, die ohne ungesunden PU-Bauschaum oder chemische Klebstoffe auskommen. Ein selbst entwickelter Parkettklebstoff, der komplett auf gesundheitsgefährdende Weichmacher verzichtet. Und natürlich die Holzspäne als natürlicher Dämmstoff. „Aktuell sind nur sieben Prozent der Gebäude in Deutschland mit nachwachsenden Rohstoffen gedämmt“, erläutert Fritz-Kramer und schwärmt weiter von Holz als Baustoff. „Die Zeit ist gekommen für Baustoffe, die im ersten Moment teurer, aber volkswirtschaftlich gesehen viel effizienter sind.“Schließlich müssten 21 Millionen Gebäude in Deutschland bis 2045 saniert werden. Um bis dahin klimaneutral zu sein, werde man anders bauen müssen, ist sich Fritz-Kramer sicher.
Aber warum wird dann nicht viel mehr mit Holz gebaut? „In den Entwicklungen und den Patenten der Firma Bau-Fritz zeigt sich, der Werkstoff Holz und die Holzbauweise können, müssen aber nicht immer nachhaltig sein. Entscheidend ist, wie der Rohstoff gewonnen und für welche Anwendungen er dann genutzt wird“, sagt Christian Bruch, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerksund Wohnungsbau (DGfM). So werde der Wald in seiner wichtigen Funktion als CO2-Senke geschädigt, wenn Holz aus nicht nachhaltiger Produktion verwendet wird. Er glaubt, dass die Dekarbonisierung der Industrie und das Recycling mehr nachhaltiges Mauerwerk hervorbringen wird, als der Versuch, nachwachsende Baustoffe wie Holz zu Massenbaustoffen zu machen. „Um den Wohnraumbedarf der Bevölkerung von mehr als 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr zu decken, braucht es also mehr denn je Mauerwerk“, so Bruch. Das sei Ansporn und Verpflichtung zugleich, in die klimaneutrale Produktion zu investieren. „Deshalb gibt es auch in unseren Reihen Unternehmen, die mit Weitsicht, Wagemut und wirtschaftlicher Kompetenz Produktion und Baustoff weiterentwickeln“, betont Bruch.
Auch Michael Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg betont: „Im Bereich der mineralischen Baustoffe gibt es zahlreiche Neuentwicklungen, die klimafreundliches Bauen ermöglichen. Dazu gehören CO2-reduzierte Betone oder der ressourcenschonende Carbon-Beton, der den Materialeinsatz erheblich senkt und damit Zement einspart“, erklärt Möller. Holz sei zwar ein nachhaltiger Baustoff, „Voraussetzung dafür ist jedoch, dass das Baumaterial aus heimischen Wäldern stammt. Muss das Holz von weither transportiert werden, wirkt sich das negativ auf die Klimabilanz aus“, so Möller. Außerdem gefährde eine zu intensive Holznutzung den Fortbestand der Wälder.
Das verwendete Holz bei BauFritz komme ausschließlich aus heimischen Wäldern, sagt Dagmar Fritz-Kramer. „Nur aus der Region. Generell glaube ich, müssen wir sowieso viel mehr Aufforsten
in Deutschland. Das würde unsere CO2-Bilanz ja senken“, sagt die Geschäftsführerin.
Kritiker des Holzbaus bemängeln aber richtigerweise, dass Holz Kohlenstoffdioxid nicht unendlich speichert. Wenn Baumstämme verrotten oder ein Holzhaus abgerissen und sein Baumaterial verbrannt wird, setzt es das eingelagerte CO2 frei. „Die energetische Verwertung von Altholz, das beim Abriss von Gebäuden anfällt, belastet das Klima“, sagt Michael Möller von der Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Deswegen dürfe man das Holz auch nicht verbrennen, argumentiert Fritz-Kramer dagegen. „Bei uns gibt es für jedes Haus eine sogenannte Rücknahmegarantie, bevor das Haus abgerissen wird.“Bau-Fritz recycelt das Holz anstatt es verbrennen zu lassen. Als Hightech-Baustoff der Natur könne Holz einfach wiederverwendet werden. „Wir werden die Welt nicht ausschließlich mit Holzbau retten“, sagt Fritz-Kramer. „Aber wir dürfen uns nicht länger um die richtige Lösung streiten, sondern brauchen viele Lösungen.“
Auch Marc Kirschbaum, Studiengangsleiter für Architektur an der Hochschule Heidelberg, plädiert für den traditionellen Baustoff als Zukunftsträger: „Holz, Holz und nochmal Holz“, sagt er. Daran führe kein Weg vorbei. Aus Kirschbaums Sicht ist es vor allem wichtig, so viel vorhandene Bausubstanz wie nur irgend möglich zu verwenden. „Im Bestand ist die verbrauchte Energie quasi schon vorhanden“, sagt er. Allerdings sei Bauen im Bestand immer anstrengender „und mit Neubau lässt sich mehr Geld verdienen“.
Ein Fertighaus aus Holz bleibt aber freilich ein recht teures Vorhaben – vor allem in einer fast komplett nachhaltigen Variante wie bei Bau-Fritz. Gebäude aus Mauerwerk sind im Durchschnitt 15 Prozent günstiger als andere Bauweisen. Und trotzdem ist die Nachfrage groß beim Allgäuer Holzhausbauer. 180 Projekte hat das Unternehmen 2022 betreut. „Der Sanierungsbereich macht etwa zehn Prozent des Umsatzes aus. Das größte Segment ist aber immer noch deutlich der Neubau und der Mehrgeschossbau“, betont Fritz-Kramer.
In der Lagerhalle, die auf der anderen Seite der Autobahn liegt und über einen kleinen Firmentunnel direkt vom Modellhaus zu erreichen ist, werden die Häuser vorbereitet. „Der Holzbau ist maschinell sehr gut vorzufertigen“, erklärt Fritz-Kramer. So werden die Wände bereits komplett in der Produktionshalle erstellt – inklusive Dämmung aus Holzspänen. Vom Allgäu aus geht das Holzhaus dann Richtung Baustelle, ein Montagetrupp baut es innerhalb weniger Tage auf. Mittlerweile sind die nachhaltigen Holzhäuser bei Kunden aus ganz Europa beliebt, vor allem in Großbritannien.
Nun steht für das Holzbauunternehmen aber erst einmal eine Ausfahrt in den Norden an, nach Lübeck. Dort wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Samstag Geschäftsführerin FritzKramer den Deutschen Umweltpreis überreichen, 50 Mitarbeiter werden sie dorthin begleiten. „Das wird bestimmt ein schöner Firmenausflug und macht uns natürlich stolz, als kleine Allgäuer Holzhausbauer zeigen zu können, dass nachhaltiges Bauen funktionieren kann“, sagt sie. Dagmar Fritz-Kramer und ihr Team werden danach weiter forschen und tüfteln, um in Zukunft noch nachhaltiger zu bauen – mit dem Rohstoff, den sie hier in Erkheim so lieben: mit Holz.