SPD droht mit Alleingang
Scharmützel um Bundeswehr-Sondervermögen
BERLIN - Der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Rolf Mützenich, hält einen Alleingang der Koalition beim geplanten 100-Milliarden-Euro Sondervermögen für die Bundeswehr für möglich. Derweil kommen aus der Union Forderungen nach neuen Panzerlieferungen.
Nein, das sei keine Drohung, heißt es aus der SPD-Fraktion. Zwar habe deren Chef im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“tatsächlich darauf hingewiesen, dass Verfassungsjuristen einen Weg aufgezeigt hätten, um die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr auch ohne Grundgesetzänderung zu beschließen. Dies sei jedoch nur ein Hinweis auf eine Möglichkeit gewesen.
Tatsächlich hatte bei einer Anhörung im Bundestag Joachim Wieland von der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer auf die „außergewöhnliche Notsituation“durch den Krieg in der Ukraine verwiesen, die es nach Artikel 115 des Grundgesetzes erlaube, „Kreditobergrenzen aufgrund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages“zu überschreiten. Damit wäre die Schuldenbremse hinfällig – mit einfacher Bundestagsmehrheit.
Andere Wissenschaftler sehen diese Notsituation nicht. Bei derselben Anhörung erklärte Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität Berlin, die Regel für den Notfall greife hier nicht, weil der Zustand der Bundeswehr seit Langem bekannt sei, ebenso wie das „seit Langem völkerrechtswidrige Verhalten von Putin-Russland“.
Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hält nichts von 100-Milliarden-Extraschulden ohne Verfassungsänderung. Er habe ja gerade deswegen ein Sondervermögen im Grundgesetz vorgeschlagen, damit der Charakter der Schuldenbremse selbst intakt bleibe. Eine „Aufweichung“sei „mit der FDP politisch nicht zu machen“.
Auch der neue verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Alexander Müller, plädiert für die Verfassungsänderung und will unbedingt die Union einbeziehen. „Die Bundeswehr benötigt nach Jahren des Sparens dringend jeden
Euro der 100 Milliarden. Die Union ist nach 16 Jahren Kanzlerschaft verantwortlich für den aktuellen
Zustand der Bun- deswehr und muss sich nun entscheiden, ob sie auch als Oppositionsfraktion staatspolitische Verantwortung übernehmen will.“
Tatsächlich scheint der Weg über Artikel 115 in der Ampel nicht mehrheitsfähig.
Für Empörung, zumindest in der SPD-Fraktion, sorgte unterdes ein Vorstoß des CDU-Außenpolitikers Roderich Kiesewetter. Der hatte im ARD-Fernsehen der Bundesregierung vorgeworfen, einen Sieg der Ukraine nicht zu wollen, „in dem Sinne, dass die russischen Truppen aus dem Land getrieben werden“. Als Beleg dient dem CDU-Politiker, dass die Regierung die Auslieferung von insgesamt 200 Panzern an die Ukraine verhindere.
Die SPD-Fraktionsgeschäftsführerin im Bundestag, Katja Mast, sieht hier einen „hochgefährlichen außenpolitischen Tabubruch“. Keiner der Verbündeten würde „im Alleingang schwere Panzer westlicher Bauart in die Ukraine“schicken. „Der außenpolitische Kompass der Union spielt verrückt“, so Mast, „ich bin froh, dass der Kanzler Kurs hält.“