Ipf- und Jagst-Zeitung

Auf Titelkurs trotz „frittierte­n Hirns“

Zum ersten Sieg im WM-Duell braucht Schach-Champion Carlsen 136 Züge, der zweite stellt sich schneller ein

- Von Björn Hahn

DUBAI (SID) - Als Magnus Carlsen zu seinen Chancen auf eine erfolgreic­he Titelverte­idigung bei der Schach-WM gefragt wurde, fiel die Antwort kurz, aber deutlich aus. „Sehr gut“, sagte der sichtlich erschöpfte Weltmeiste­r am Sonntagabe­nd. Wenige Minuten zuvor hatte der Norweger seinen Herausford­erer Jan Nepomnjasc­htschi zum zweiten Mal binnen zwei Tagen besiegt und seine Führung auf 5:3 Punkte ausgebaut. Die Voraussetz­ungen für den fünften WM-Titel sind damit bestens. Doch trotz der komfortabl­en Führung mahnt Carlsen zur Vorsicht. „Ich konzentrie­re mich immer auf das nächste Spiel. Es ist nie einfach“, sagte der Großmeiste­r, gab aber auch zu: „Zwei Spiele machen schon einen großen Unterschie­d zu einem einzigen.“

Nepomnjasc­htschi müsste Carlsen in den maximal sechs verbleiben­den Partien zweimal schlagen, um ein Tiebreak zu erzwingen – das scheint nahezu ausgeschlo­ssen. Denn von seinen bisherigen 53 klassische­n WM-Partien verlor der 31-jährige Carlsen erst zwei. Außerdem

schafften es in der langen Schachgesc­hichte bislang nur zwei Herausford­erer, einen Zwei-PunkteRück­stand gegen den amtierende­n Weltmeiste­r noch zu drehen: der Niederländ­er Max Euwe 1935 und der US-Amerikaner Bobby Fischer 1972.

Dass der zweite Sieg nun so schnell folgte, überrascht­e Carlsen nicht sonderlich. „Um ehrlich zu sein, wäre der zweite Sieg wahrschein­lich nicht möglich gewesen ohne den ersten. Alles ist irgendwie miteinande­r verbunden“, erklärte der Titelverte­idiger.

Carlsen, Weltmeiste­r seit 2013, war allerdings alles andere als fit. „Mein Hirn war einfach nur frittiert. Ich spürte, dass eine scharfe Partie nicht in meinem Interesse war“, sagte er niedergekä­mpft. Das war nach der fast achtstündi­gen Tortur vom Freitag auch jetzt noch verständli­ch: Da stand Carlsen erst nach 136 Zügen als Gewinner fest – eine Rekordpart­ie.

Vielleicht bot Carlsen deshalb am Sonntag bereits nach zehn Zügen eine versteckte Möglichkei­t zum Remis an. Doch „Nepo“, wie sein russischer Gegner in der Schachwelt genannt wird, nahm das Angebot nicht an – und sollte bitter dafür bestraft werden. Während Carlsen in der Folge ruhig und durchdacht spielte, unterlief dem Russen im 21. Zug der entscheide­nde Fehler. „Ich möchte mich für meine Leistung heute entschuldi­gen. Ich denke, sie war unter dem Niveau eines Großmeiste­rs“, sagte Nepomnjasc­htschi später.

Am Dienstag (13.30 Uhr) muss der Herausford­erer mit den weißen Steinen alles riskieren, um noch eine Chance auf seinen ersten WM-Triumph zu bekommen. Carlsen indes konnte entspannt in den Ruhetag gehen, um sich von den Strapazen zu erholen.

Geplant sei nichts, sagte er. „Ich bin einfach glücklich, einen freien Tag zu haben.“

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FOTO: KAMRAN JEBREILI/DPA Magnus Carlsen (re.) war am Sonntag erleichter­t, dass ihm eine „scharfe Partie“gegen Jan Nepomnjasc­htschi erspart geblieben ist.

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