Neuen Wörtern auf der Spur
Corona-Begriffe haben Hochkonjunktur – Auch Trends zu Ernährung und Mode finden sich im Sprachgebrauch
Warum?
Weil ich genug gemacht habe. Ich bin der meistausgestellteste Künstler der Welt. Niemand hatte mehr Besucher als ich. Andererseits: Es gibt so viele Dinge, die ich noch nie gemacht habe. Ich könnte jeden Tag sterben, und dann würde ich es sehr bedauern, wenn ich mein ganzes Leben lang nur Kunst gemacht hätte.
Was wollen Sie stattdessen tun? Vielleicht pflanze ich Bäume oder baue etwas. Oder ich verbringe mehr Zeit mit meinem Sohn. Oder ich schreibe noch ein Buch. Oder ich drehe weitere Filme.
Sie sind 2009 im Alter von 52 Jahren Vater geworden. Sind Sie ein guter Vater?
Ich weiß es nicht. Mein Sohn sagt, ich sei ein guter Vater. Aber er sagt auch: „Du bist ständig unterwegs.“Ich erkläre ihm dann, dass ich nicht nur sein Vater sein kann, sondern auch mein eigenes Leben leben muss.
Finden Sie selbst auch, dass Sie ein guter Vater sind?
Nicht gut genug. Ich bin gut darin, auf seine Bedürfnisse einzugehen. Mein Vater ist nie auf meine Bedürfnisse eingegangen. Nie! Er gab mir viel Kunst und Poesie, aber konnte mir nie einen Pfennig geben. Finanziell kann ich meinen Sohn zum Glück gut unterstützen, aber ich weiß nicht, ob ich ihm auch wirklich helfen kann.
Wie möchten Sie in Erinnerung bleiben?
Auf meinen Grabstein soll stehen. „Dieser Mann hat gelebt und nichts erreicht.“
Ist das wieder Ironie?
Nein. Wenn wir uns die Welt ansehen, sehen wir so viele Menschen, die immer noch ohne Licht in der Dunkelheit leben. Also haben wir alle zu wenig erreicht.
MANNHEIM (dpa) - Von „Boostern“bis zur „Vollimmunisierungsquote“– die Pandemie beherrscht nicht nur unseren Alltag, sie hat sich auch in unsere Sprache eingeschlichen. Neue Wörter entstehen infolge von Corona, werden umgedeutet, wiederbelebt oder aus dem Englischen ins Deutsche übertragen. Geläufig kommen uns Begriffe über die Lippen wie „Impfdrängler“, „2G-Plusregel“, „long covid“oder „Lockdown“. Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) stellte am Montag solche neuen Wörter rund um Corona vor, die in sein Neologismenwörterbuch einziehen könnten, wenn sie weiterhin im Sprachgebrauch sind.
In der Sprache werden auch Phasen der Pandemie abgebildet, wie dieser Satz der IDS-Wissenschaftler veranschaulicht: „Während etwa im ersten Halbjahr 2021 Impfneid dazu führte, dass manche zu Impfdränglern wurden, trat im zweiten Halbjahr eher das Problem in den Vordergrund, wie man Impfschwänzer dazu bringen kann, sich ihre zweite und gegebenenfalls auch noch die BoosterImpfung abzuholen.“
Rund 2000 Beiträge haben die IDS-Experten von „Abflachen der Kurve“bis zum „Zweitimpfling“im Bereich der Pandemie bereits zusammengestellt. Letzterer ist „eine Person, die sich durch wiederholte Vakzination gegen einen bestimmten Erreger vollständig immunisieren lässt“. Gute Aussichten, rasch in das Wörterbuch einzuziehen, hat die neue Corona-Variante Omikron.
In puncto schnelle Verbreitung kann es aber nach Worten von IDSLinguistin Annette Klosa-Kückelhaus kaum ein Begriff mit dem Unwort des
Jahres 2017 aufnehmen: Die Formulierung „Alternative Fakten“der TrumpBeraterin Kellyanne Conway legte nahe, dass es zwei Wahrheiten geben kann. „Der Begriff hat sich rasend schnell verbreitet und landete noch im selben Jahr im Wörterbuch“, erzählt Klosa-Kückelhaus.
Das Wörterbuch wird auf Basis umfangreicher Textsammlungen aus fiktiver und Sachliteratur, Magazinen, Zeitungen, Parlamentsprotokollen und Wikipedia-Einträgen erstellt. Dieses Deutsche Referenzkorpus enthält 50,6 Milliarden Wortformen. Gut 2000 Neologismen stehen im Wörterbuch, 300 sind im Wartestand und werden bei zunehmender Nutzung ins Wörterbuch wechseln. Die Corona-Wörter sind meist noch zu jung, um in den Kanon der etablierten neuen Wörter aufgenommen zu werden.
Auch aktuelle Trends, etwa bei Ernährung und Mode, bestimmen den Zugang neuer Wörter: Wer sich „rohvegan“ernährt, isst nur nicht erhitzte Nahrungsmittel und verzichtet auf tierische Produkte. „Rohveganer“dürften kaum Probleme mit der Figur habe, auch wenn die „skinny Jeans“noch so eng sitzt und bei vielen eine bis dahin unbekannte Problemzone zutage fördert: den über den tiefen Bund quellenden Hüftspeck. Für den wurde der Begriff „Muffin Top“in wenig schmeichelhafter Anlehnung an das Törtchen geprägt.
Zurück zur Mode: Seit Kurzem ins Wörterbuch aufgenommen ist der „Männerdutt“. Mit lässig am Hinterkopf befestigten Haaren erregte etwa Schauspieler Brad Pitt Aufmerksamkeit. In die Kategorie Körperschmuck fällt auch der „Tattooärmel“, den sich zum Beispiel der deutsche Kunstturner Marcel Nguyen hat stechen lassen. Dieser ebenfalls dieses Jahr freigeschaltete Begriff bezeichnet Tattoos, die einen Arm vollständig bedecken oder vom Handgelenk bis zur Schulter reichende Stulpen aus mit Tattoomustern bedrucktem Material.
Sogar aktuelle politische Ereignisse schlagen sich im Wortschatz nieder. Das Ergebnis der Bundestagswahl hat die „Ampel-Koalition“, ein Neologismus der 80er-Jahre, wiederbelebt. Hinzu kommen Begriffe wie „Babymoon“oder „Lovebombing“, das Zuschütten mit (elektronischen) Liebesnachrichten.
Sind Wörter wie diese im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen, werden sie in die Sammlung des IDS aufgenommen, verschwinden aber daraus auch wieder, wenn sie nicht mehr benutzt werden.