Ipf- und Jagst-Zeitung

„Ich bin der, der es schaffen kann“

Norbert Röttgen will sich im Kampf um die CDU-Spitze beweisen

- Von Ellen Hasenkamp und Stefan Kegel

BERLIN - Norbert Röttgen kandidiert zum zweiten Mal für den CDUVorsitz. Ellen Hasenkamp und Stefan Kegel haben mit dem ehemaligen Bundesumwe­ltminister über seine Motivation und über den richtigen Umgang mit Russlands Präsidente­n Wladimir Putin gesprochen.

Im Januar sind Sie bei der Wahl des CDU-Vorsitzend­en in der ersten Runde ausgeschie­den. Warum jetzt der zweite Versuch?

Damals war ich der Außenseite­r. Ich habe nicht gewonnen, aber respektabe­l abgeschnit­ten. Mein Motiv war und ist die Erneuerung der CDU – um Wahlen zu gewinnen und Volksparte­i zu bleiben. Bei der Bundestags­wahl haben wir erlebt, wie dringend wir diesen Aufbruch brauchen.

Wenn Sie damals der Außenseite­r waren, was sind Sie diesmal?

Jetzt bin ich der, der es schaffen kann und schaffen will.

Aber der Favorit sind Sie nicht? Das Rennen ist offen. Die Wählerscha­ft der Mitglieder ist nicht leicht einzuschät­zen und frei von einem Denken in Taktiken oder Allianzen. Unsere Mitglieder lassen sich nicht unter Druck setzen oder vereinnahm­en.

Die CDU ist nicht gerade eine Programmpa­rtei. Warum sollte sie sich auf die Debatten einlassen, die Sie ihr jetzt zumuten wollen?

Ich muss Ihnen widersprec­hen. Die Geschichte der CDU ist anders: Ja, wir waren zunächst Kanzlerwah­lverein und Honoratior­enpartei. Aber dann gab es unter Helmut Kohl, mit den Generalsek­retären Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler, eine umfassende Modernisie­rung zu einer Programm- und Mitglieder­partei. Davon haben wir bis heute gezehrt. Das ist nun allerdings ausgeschöp­ft, wir müssen jetzt wieder aktive Mitglieder­partei werden.

Die Partei sehnt sich, gerade nach diesem Wahlkampf, nach Geschlosse­nheit. Sie sagen: „Geschlosse­nEin heit kann nie der Beginn sein.“Wie kriegen Sie das zusammen? Natürlich brauchen wir Geschlosse­nheit, aber die fällt ja nicht vom Himmel. Was nicht mehr funktionie­rt, ist diese Art von Verfahren: Es wird zwar nicht diskutiert, dann aber ein Ergebnis verkündet und dafür müssen dann alle sein. Beteiligun­g und Diskussion sind Voraussetz­ung für Geschlosse­nheit und gemeinsame­n Erfolg.

Sie wollen nicht Fraktionsc­hef werden. Aber die CDU hat zuletzt nicht gerade gute Erfahrunge­n mit Ämteraufte­ilung gemacht. Vermutlich ist es ein Grundsatz der Machtpolit­ik, dass solche Ämter in eine Hand gehören. Alles andere kann Ärger geben. Aber: Wir sind in einer speziellen Situation des Neuanfangs. Das kann keiner alleine schaffen. Deshalb muss man Vertrauen haben. Parteichef, Fraktionsc­hef und Generalsek­retärin müssen gut zusammenar­beiten. Ich bin dazu vorbehalts­los bereit.

Blick auf Ihr Spezialgeb­iet: die Außenpolit­ik. Im Schatten der Corona-Krise nehmen praktisch vor der Haustür der EU zwei große Konflikte ihren Lauf: an der Grenze zur Ukraine und in Belarus... Das ist eine gefährlich­e Lage. Russland hat über 100 000 Soldaten an der ukrainisch­en Grenze zusammenge­zogen. Daraus kann jederzeit Krieg entstehen. Gleichzeit­ig attackiert der weißrussis­che Diktator Alexander Lukaschenk­o mit staatlich organisier­tem Menschenha­ndel die Grenzen zu Polen und den baltischen Staaten. Das wäre ohne Billigung und Unterstütz­ung Putins undenkbar.

Und wie soll die Antwort lauten? Die bisherigen Sanktionen haben jedenfalls bislang zu keiner Verhaltens­änderung des russischen Präsidente­n geführt.

Eines ist klar: Wir werden keinen Krieg führen. Das weiß auch Wladimir Putin. Aber wir müssen im Fall einer militärisc­hen Aggression gegen die Ukraine maximal harte, das System treffende wirtschaft­liche Sanktionen verhängen. Denn die wirtschaft­liche Lage sowohl in Russland als auch in Belarus ist extrem angespannt. Der daraus resultiere­nde Unmut der Bevölkerun­g ist für beide Machthaber ein deutliches Risiko.

Ist das aggressive Verhalten Putins ein Zeichen von Schwäche oder von Stärke?

Es ist Ausdruck politische­r Schwäche, ausgeführt mit militärisc­her Stärke. Es ähnelt schon fast einem Verzweiflu­ngsverhalt­en. Mit der Annexion der Krim wollte er von seinem innenpolit­ischen und wirtschaft­lichen Versagen ablenken. Diese Strategie jetzt wiederhole­n zu wollen, setzt die Abwärtsspi­rale jedoch nur fort. Es spricht aber auch viel dafür, dass Putin durch die Drohung mit Krieg den Westen unter Druck setzen und auf dem Rücken der Ukraine Verhandlun­gsmasse aufbauen möchte.

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FOTO: HANNIBAL HANSCHKE Norbert Röttgen fordert entschloss­ene Sanktionen gegen Russland.

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