Ein Grenzgänger erlebt die Politik
Aalens Alt-OB Ulrich Pfeifle bespricht das Buch des gebürtigen Ellwangers Thomas Geisel
ELLWANGEN - Sechs Jahre ist Thomas Geisel OB in Düsseldorf gewesen. Diese Zeit hat der gebürtige Ellwanger in einem Buch verarbeitet. Es trägt den Titel „Grenzgänger. Sechs Jahre Leben für die Politik“. Ulrich Pfeifle, Alt-OB aus Aalen und Sozialdemokrat wie Geisel, hat das Buch für die „Ipf- und Jagst-Zeitung / Aalener Nachrichten“gelesen.
Der Titel des „Cleverle“ist im Schwäbischen mit der Person des ehemaligen Ministerpräsidenten und späteren Jen-Optik Chefs Lothar Späth schon besetzt. Schade. Denn zu Thomas Geisel, der nunmehr ein spannendes Buch über seine sechs Jahre als OB von Düsseldorf vorgelegt hat, würde diese Umschreibung auch sehr gut passen.
Ich kannte ihn als aufgewecktes Bürschchen schon in seiner Ellwanger Zeit, wo er als Sohn des damaligen sozialdemokratischen Landtagsvizepräsidenten zur Schule ging. Auch seinen weiteren Weg habe ich aufmerksam verfolgt. Der führte über das Jurastudium in Tübingen und Genf weiter nach Washington D.C.. Es folgte ein Stipendium an der Harvard-Universität.
Und es ging weiter über die Treuhandanstalt in die Managertätigkeit als Gaseinkäufer bei der E.ON bis zur überraschenden Wahl als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf. Dieser Weg rechtfertigt in der Tat die Bezeichnung „Cleverle“, und daran ändert sich meiner Meinung nach auch nichts durch die nach sechs Jahren erfolgte Abwahl. Warum dies so kam und was in den sechs turbulenten Jahren auf dem OB Sessel sich so alles ereignete: Dies alles kann man nachlesen im Buch „Grenzgänger“. Natürlich dreht sich dabei viel um Düsseldorfer Kommunalinterna. Aber im Buch findet man vieles mehr, auch Allgemeingültiges. „Grenzgänger“ist lesenswert für jeden, der sich für (Kommunal-)Politik interessiert. Der Titel weist hin auf den bunten Lebensweg des Verfassers als einer der Wenigen, der die Grenze von der Wirtschaft hin zur Politik überschritten hat, mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Und leider geschieht dies ja recht selten.
Viele Themen der Kommunalpolitik, wie sie sich eigentlich überall für Räte und Bürgermeister stellen, werden in lesenswerten Kapiteln dargestellt, etwa die aktuellen Fragen zum Wohnungsbau, zum Klimaschutz, zur Verkehrswende und zur Bürgerbeteiligung sowie des Achtens auf Toleranz und Respekt. Unterhaltsam ist die Schilderung von Begebenheiten wie die Trauung von Fußballprofi Marco Reus, der umstrittene Start der Tour de France, die Absage des Konzerts mit Ed Sheeran sowie die Turbulenzen um eine Umweltspur auf einer Hauptverkehrsachse.
Das Rätsel, wie man so etwas bewältigen kann, wenn man mit einer ebenfalls sehr erfolgreichen Powerfrau verheiratet ist und mit ihr so nebenbei fünf Töchter aufzieht, löst sich erst bei der Lektüre des Buches. Hochaktuell im Hinblick auf die derzeitigen Koalitionsverhandlungen in Berlin ist die Beschreibung des nicht immer reibungslosen Funktionierens der Ampel im Düsseldorfer Gemeinderat.
Interessant und aufschlussreich sind auch die Schlussbetrachtungen zur Abwahl des „Grenzgängers“. Abgesehen davon, dass es für die CDU von NRW und ihren Ministerpräsidenten nahezu unerträglich war, in der Hauptstadt einen schwäbischen Sozialdemokraten ertragen zu müssen, geht Thomas Geisel durchaus auch selbstkritisch mit einigen Aspekten seiner Rathauspolitik um. Die Vorwortschreiber Günter Oettinger und Ulrich Tukur haben recht, wenn sie vom „Grenzgänger“auch in Zukunft noch einiges erwarten.
Das Buch ist im Droste Verlag erschienen und kann zum Preis von 22 Euro über den Buchhandel bezogen werden.