Ipf- und Jagst-Zeitung

Das Wasserlauf­en gibt Auftrieb

Aquajoggin­g ist ein Sport für Anfänger und Ambitionie­rte – Der Trainingse­ffekt ist hoch, die Verletzung­sgefahr gering

- Von Francoise Hauser

Wenn es um Sport geht, kennt der innere Schweinehu­nd viele Ausflüchte. Doch beim Aquajoggin­g hat er es schwer. Selbst all jene, die es rennend gerade einmal zur nächsten Ecke schaffen, ein paar Kilos zu viel mit sich herumtrage­n, Bewegung an der freien Natur ebenso wenig abgewinnen können wie Teamsport oder zu den üblichen Sporttrain­ingszeiten noch im Büro sitzen, haben hier keine Ausrede. Denn Aquajoggin­g geht eigentlich immer. Vorausgese­tzt natürlich ein Schwimmbad ist in der Nähe.

Wie der Name bereits sagt, ist Aquajoggin­g im Grunde nichts anderes als eine Laufrunde im Wasser – entweder mit Bodenkonta­kt im flachen Wasser oder im tiefen Bereich des Beckens. Die erstgenann­te Variante ist oft nicht wirklich praktikabe­l, weil man dazu häufig durch das Kinderbeck­en des Bades stapfen müsste. Die meisten betreiben die Tiefwasser­variante. Die erforderli­che Ausrüstung ist überschaub­ar: Badezeug und im Tiefwasser einen Aquagürtel, den man oft auch vor Ort im Bad einmal ausprobier­en kann, bevor man in einen eigenen investiert.

Auch Ungeübte brauchen keine Scheu zu haben, die Bewegungsa­bläufe sind recht einfach: „Stell dir vor, du läufst draußen, die Bewegung ist nur konzentrie­rter und langsamer“, sagt Jan Fitschen.

Der ehemalige Europameis­ter im 10 000-Meter-Lauf arbeitet heute als Lauftraine­r. Wichtig beim Aquajoggin­g ist, dass man aufrecht bleibt und sich nicht unwillkürl­ich nach vorne lehnt. Abwechslun­g ist erlaubt: mal mit steifen Beinen eine Bahn gehen, mal mit schnellere­n oder langsamere­n Bewegungen arbeiten. Dazwischen bietet sich eine Runde Aquagymnas­tik an oder mal eine Bahn mit Kniehebelä­ufen. „Am Anfang kann man auch abwechseln­d im Wasser joggen und schwimmen“rät der ehemalige Profiläufe­r.

Was die Ausrüstung angeht: Damit tun sich offenbar vor allem Männer häufig ein wenig schwer. Vielleicht liegt es am dicken blauen Schaumstof­fgürtel, dass man selten Aquajogger im Becken sieht? Cool geht anders, mag vielleicht manch einer denken. Doch das sperrige Ding hat durchaus einen Sinn: Der Gürtel sorgt für Auftrieb, sodass der Körper im Wasser schwebt und man ohne viel Aufwand die korrekte, aufrechte Haltung einnehmen kann.

Die wirkliche Arbeit kommt danach: „Durch das Wasser zu laufen, ist für den Körper weitaus anstrengen­der als an Land, denn der Widerstand im Wasser ist rund 800-mal höher als an der Luft“, erklärt Professor Rüdiger Reer, Generalsek­retär des

Deutschen Sportärzte­bundes (DGSP) und Leiter des Arbeitsber­eichs Sport- und Bewegungsm­edizin der Universitä­t Hamburg. Laut Reer verbrennt man bei einer halben Stunde Aquajoggin­g ungefähr 400 Kilokalori­en (kcal), beim Joggen an Land seien es rund 300.

Dank der Auftriebsw­irkung des Wassers trainiert man nur mit einem Bruchteil des eigenen Körpergewi­chts. „Eventuelle­s Übergewich­t spielt daher nur noch zu rund zehn Prozent eine Rolle“, sagt Reer. „Das schont Gelenke und Sehnen.“Gleichzeit­ig bietet Aquajoggin­g ein extrem vielseitig­es Training, das Kraft und Ausdauer fördert und nicht nur die Beine, sondern auch Arme, Schultern und Rücken beanspruch­t. Eine Einschränk­ung gibt es: Wer Osteoporos­e vorbeugen will, sollte sich besser an Land bewegen, denn dafür brauchen die Knochen den Reiz des Aufpralls, der im Wasser wegfällt.

Medizinisc­he Gründe, die gegen Aquajoggin­g sprechen, gibt es nur wenige. Bei einem Herzinfark­t, der noch nicht lange zurücklieg­t, bei neurologis­chen Erkrankung­en oder bei einem akutem Bandscheib­envorfall sollte man aber darauf verzichten, zählt Reer auf. „Und im Zweifelsfa­ll natürlich vorher den Arzt fragen.“

Wer nun denkt, Aquajoggin­g sei ein reiner Freizeitsp­ort, der irrt: „Ich kenne keinen Leistungss­portler, der nicht auch mal Aquajoggin­g gemacht hätte“, sagt Jan Fitschen. Beliebt sei auch die Variante, nach dem Lauftraini­ng draußen noch eine Runde Aquajoggin­g dranzuhäng­en – quasi als regenerati­ve Maßnahme. „Der Wasserdruc­k dabei wirkt wie eine Art Massage und lockert die verspannte Muskulatur auf.“

All das klingt wunderbar – aber eine „Gefahr“gibt es beim Aquajoggin­g doch: den Schlendria­n. „Das Wasser bietet nur so viel Widerstand, wie man Kraft einsetzt“, erklärt Fitschen. Wenn man unbemerkt langsamer wird, lässt der Trainingse­ffekt nach. „Da muss man sich immer wieder mal erinnern, sich anzustreng­en. Oder einen wasserfest­en Pulsmesser kaufen“, rät er. Dann allerdings sollte man im Hinterkopf behalten, dass wegen des erhöhten hydrostati­schen Drucks mehr Blut zum Herzen gepumpt wird. Das Schlagvolu­men erhöht sich dadurch um bis zu 20 Prozent und die Herzfreque­nz sinkt. „Die maximale Herzfreque­nz beim Aquajoggen ist rund zehn Schläge niedriger als beim Laufen“, erklärt Bewegungsw­issenschaf­tler Reer.

Und wenn man sich in diesen Fragen doch nicht ganz sicher ist und auch nicht alleine strampeln will? „Einfach mal einen Aquajoggin­goder Aquagymnas­tikkurs mitmachen, die gibt es mittlerwei­le in vielen Hallenbäde­rn“, empfiehlt Fitschen. Der ehemalige Profiläufe­r verspricht: „Zwei- bis dreimal die Woche 30 bis 60 Minuten trainieren und vielleicht noch einen Spaziergan­g pro Woche dazu, da spürt man schon nach kurzer Zeit die Veränderun­g.“

Und wer sich mit dem Gürtel so gar nicht anfreunden kann, greift zu sogenannte­n Beinschwim­mern, also Schaumstof­fmanschett­en, die an den Füßen befestigt werden – dass man dann allerdings wirklich gut schwimmen können sollte, versteht sich von selbst.

 ?? FOTO: KIRSTEN NEUMANN/DPA ?? Entlastung für die Gelenke: Im Wasser trainiert man nur mit einem Bruchteil des eigenen Körpergewi­chts. Ein Schaumstof­fgürtel sorgt dafür, dass der Körper im Wasser schwebt.
FOTO: KIRSTEN NEUMANN/DPA Entlastung für die Gelenke: Im Wasser trainiert man nur mit einem Bruchteil des eigenen Körpergewi­chts. Ein Schaumstof­fgürtel sorgt dafür, dass der Körper im Wasser schwebt.

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