Das Wasserlaufen gibt Auftrieb
Aquajogging ist ein Sport für Anfänger und Ambitionierte – Der Trainingseffekt ist hoch, die Verletzungsgefahr gering
Wenn es um Sport geht, kennt der innere Schweinehund viele Ausflüchte. Doch beim Aquajogging hat er es schwer. Selbst all jene, die es rennend gerade einmal zur nächsten Ecke schaffen, ein paar Kilos zu viel mit sich herumtragen, Bewegung an der freien Natur ebenso wenig abgewinnen können wie Teamsport oder zu den üblichen Sporttrainingszeiten noch im Büro sitzen, haben hier keine Ausrede. Denn Aquajogging geht eigentlich immer. Vorausgesetzt natürlich ein Schwimmbad ist in der Nähe.
Wie der Name bereits sagt, ist Aquajogging im Grunde nichts anderes als eine Laufrunde im Wasser – entweder mit Bodenkontakt im flachen Wasser oder im tiefen Bereich des Beckens. Die erstgenannte Variante ist oft nicht wirklich praktikabel, weil man dazu häufig durch das Kinderbecken des Bades stapfen müsste. Die meisten betreiben die Tiefwasservariante. Die erforderliche Ausrüstung ist überschaubar: Badezeug und im Tiefwasser einen Aquagürtel, den man oft auch vor Ort im Bad einmal ausprobieren kann, bevor man in einen eigenen investiert.
Auch Ungeübte brauchen keine Scheu zu haben, die Bewegungsabläufe sind recht einfach: „Stell dir vor, du läufst draußen, die Bewegung ist nur konzentrierter und langsamer“, sagt Jan Fitschen.
Der ehemalige Europameister im 10 000-Meter-Lauf arbeitet heute als Lauftrainer. Wichtig beim Aquajogging ist, dass man aufrecht bleibt und sich nicht unwillkürlich nach vorne lehnt. Abwechslung ist erlaubt: mal mit steifen Beinen eine Bahn gehen, mal mit schnelleren oder langsameren Bewegungen arbeiten. Dazwischen bietet sich eine Runde Aquagymnastik an oder mal eine Bahn mit Kniehebeläufen. „Am Anfang kann man auch abwechselnd im Wasser joggen und schwimmen“rät der ehemalige Profiläufer.
Was die Ausrüstung angeht: Damit tun sich offenbar vor allem Männer häufig ein wenig schwer. Vielleicht liegt es am dicken blauen Schaumstoffgürtel, dass man selten Aquajogger im Becken sieht? Cool geht anders, mag vielleicht manch einer denken. Doch das sperrige Ding hat durchaus einen Sinn: Der Gürtel sorgt für Auftrieb, sodass der Körper im Wasser schwebt und man ohne viel Aufwand die korrekte, aufrechte Haltung einnehmen kann.
Die wirkliche Arbeit kommt danach: „Durch das Wasser zu laufen, ist für den Körper weitaus anstrengender als an Land, denn der Widerstand im Wasser ist rund 800-mal höher als an der Luft“, erklärt Professor Rüdiger Reer, Generalsekretär des
Deutschen Sportärztebundes (DGSP) und Leiter des Arbeitsbereichs Sport- und Bewegungsmedizin der Universität Hamburg. Laut Reer verbrennt man bei einer halben Stunde Aquajogging ungefähr 400 Kilokalorien (kcal), beim Joggen an Land seien es rund 300.
Dank der Auftriebswirkung des Wassers trainiert man nur mit einem Bruchteil des eigenen Körpergewichts. „Eventuelles Übergewicht spielt daher nur noch zu rund zehn Prozent eine Rolle“, sagt Reer. „Das schont Gelenke und Sehnen.“Gleichzeitig bietet Aquajogging ein extrem vielseitiges Training, das Kraft und Ausdauer fördert und nicht nur die Beine, sondern auch Arme, Schultern und Rücken beansprucht. Eine Einschränkung gibt es: Wer Osteoporose vorbeugen will, sollte sich besser an Land bewegen, denn dafür brauchen die Knochen den Reiz des Aufpralls, der im Wasser wegfällt.
Medizinische Gründe, die gegen Aquajogging sprechen, gibt es nur wenige. Bei einem Herzinfarkt, der noch nicht lange zurückliegt, bei neurologischen Erkrankungen oder bei einem akutem Bandscheibenvorfall sollte man aber darauf verzichten, zählt Reer auf. „Und im Zweifelsfall natürlich vorher den Arzt fragen.“
Wer nun denkt, Aquajogging sei ein reiner Freizeitsport, der irrt: „Ich kenne keinen Leistungssportler, der nicht auch mal Aquajogging gemacht hätte“, sagt Jan Fitschen. Beliebt sei auch die Variante, nach dem Lauftraining draußen noch eine Runde Aquajogging dranzuhängen – quasi als regenerative Maßnahme. „Der Wasserdruck dabei wirkt wie eine Art Massage und lockert die verspannte Muskulatur auf.“
All das klingt wunderbar – aber eine „Gefahr“gibt es beim Aquajogging doch: den Schlendrian. „Das Wasser bietet nur so viel Widerstand, wie man Kraft einsetzt“, erklärt Fitschen. Wenn man unbemerkt langsamer wird, lässt der Trainingseffekt nach. „Da muss man sich immer wieder mal erinnern, sich anzustrengen. Oder einen wasserfesten Pulsmesser kaufen“, rät er. Dann allerdings sollte man im Hinterkopf behalten, dass wegen des erhöhten hydrostatischen Drucks mehr Blut zum Herzen gepumpt wird. Das Schlagvolumen erhöht sich dadurch um bis zu 20 Prozent und die Herzfrequenz sinkt. „Die maximale Herzfrequenz beim Aquajoggen ist rund zehn Schläge niedriger als beim Laufen“, erklärt Bewegungswissenschaftler Reer.
Und wenn man sich in diesen Fragen doch nicht ganz sicher ist und auch nicht alleine strampeln will? „Einfach mal einen Aquajoggingoder Aquagymnastikkurs mitmachen, die gibt es mittlerweile in vielen Hallenbädern“, empfiehlt Fitschen. Der ehemalige Profiläufer verspricht: „Zwei- bis dreimal die Woche 30 bis 60 Minuten trainieren und vielleicht noch einen Spaziergang pro Woche dazu, da spürt man schon nach kurzer Zeit die Veränderung.“
Und wer sich mit dem Gürtel so gar nicht anfreunden kann, greift zu sogenannten Beinschwimmern, also Schaumstoffmanschetten, die an den Füßen befestigt werden – dass man dann allerdings wirklich gut schwimmen können sollte, versteht sich von selbst.