Eine Geste für die Welt
Kniend oder auf dem T-Shirt: Teams nutzten die große Bühne, um sich klar gegen Rassismus zu positionieren
DORTMUND (SID/dpa) - In diesem Moment waren auch die größten Rivalen plötzlich ganz eng beisammen: getreu dem Motto „in der Tabelle getrennt, in ihrem Anliegen vereint“, haben die Stars der Bundesliga ein starkes Zeichen im Kampf gegen Rassismus gesetzt. Schweigend sanken etwa die Profis vor den Partien in Dortmund am Samstag und Bremen und Berlin am Sonntag rund um den Mittelkreis nieder und zeigten sich so solidarisch mit den Demonstranten in den USA und den Protesten weltweit nach dem brutalen Tod von George Floyd. Auch Ersatzspieler, Trainer und Schiedsrichter schlossen sich den beeindruckenden Signalen aus der Bundesliga an.
Mehrere Teams wärmten sich zudem in T-Shirts mit unterschiedlichen Botschaften gegen Rassismus auf. Der Mainzer Pierre Kunde Malong ging nach seinem Tor gegen Eintracht Frankfurt ebenfalls in die Knie. „Als Schwarze haben wir genug Ungerechtigkeiten erlitten, und wir müssen zusammenarbeiten, um dagegen anzukämpfen“, schrieb der 24-jährige Kameruner auf Instagram.
Der FC Bayern München setzte sowohl mit seinen Fußballern als auch mit den Basketballern ein Zeichen. Beim Spiel des Rekordmeisters in Leverkusen und beim Auftaktspiel der Basketballer beim Bundesliga-Finalturnier trugen Spieler T-Shirts der Vereinsaktion „Rot gegen Rassismus“. Die Basketball-Bundesliga hatte das Meisterturnier in München vorab unter des Motto „Vereint gegen Rassismus“gestellt.
Mit einem speziellen Trauerflor unterstützte der FC Bayern zudem die „Black Lives Matter“-Bewegung („Schwarze Leben zählen“). Die Aktion sei aus der Mannschaft gekommen, sagte Trainer Hansi Flick: „Das ist in der heutigen Zeit enorm wichtig, dass man immer wieder darauf aufmerksam macht, was schief läuft“, meinte der 55-Jährige. „Die Botschaft gibt es ja permanent von uns Spielern. Wir sind tolerant, wir sind offen, wir sind weltoffen“, sagte Bayerns Kapitän Manuel Neuer: „Wir sehen keinen Zwischenraum, um da Platz zu lassen. Das haben wir ganz klar dokumentiert.“Ex-Nationalspieler Jérôme Boateng, in der Vergangenheit
wiederholt Anfeindungen ausgesetzt, betonte, er hoffe auf ein generelles „Umdenken“, das sich „langfristig etablieren“müsse. Schon in der vergangenen Woche hatte es in der Liga einzelne Aktionen gegeben, nun folgte das Kollektiv und das –mit Duldung von oben.
So hatte der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes zuvor bekannt gegeben, auf Verfahren zu verzichten, obwohl laut Statut politische Äußerungen auf dem Spielfeld untersagt sind. Im konkreten Fall handele es sich aber „um gezielte Anti-Rassismus-Aktionen der Spieler, die sich damit für Werte stark machen, für die der DFB ebenfalls steht und immer eintritt“, hatte Anton Nachreiner, der Vorsitzende des Kontrollausschusses, die Entscheidung begründet und angekündigt: „Daher werden keine Verfahren eingeleitet, auch bei vergleichbaren Anti-Rassismus-Aktionen in den nächsten Wochen nicht.“
Und so gingen auch in der 3. Liga die Profis des SV Waldhof Mannheim und von Viktoria Köln sowie die Unparteiischen um Referee Patrick Alt rund um den Anstoßkreis gemeinsam in die Knie und machten den Kaepernick. Im American Football hatte der heute 32 Jahre alte ehemalige Quarterback der San Francisco 49ers Colin Kaepernick 2016 mit der Geste des Hinkniens eine Protestwelle gegen Unterdrückung von Schwarzen und gegen Polizeigewalt gestartet.
Leichtathletik-Olympiasieger Tommie Smith, dessen Black-PowerGeste bei der Siegerehrung bei den Olympischen Spielen in Mexico City 1968 zum Symbol des Protests im Sport gegen Rassismus wurde, begrüßte die Solidaritätsbekundungen aus der Bundesliga. „Es freut mich sehr, das zu hören“, sagte der 76-Jährige der „Bild am Sonntag“. „Sie haben offenbar verstanden, dass George Floyd auch sie repräsentiert. Er repräsentiert ein System, das Hilfe benötigt.“