Mit Annette Bezler auf Zeitreise durch Ellwangen
Stadtführungen sind wieder möglich – Vom staufischen Dom über die Poststation zum Heilig-Geist-Spital
GELLWANGEN - Offenbar hat es sich noch nicht herumgesprochen, dass es in Ellwangen wieder Stadtführungen gibt. Und man muss zugeben, dass auch das Wetter zu wünschen übrig ließ. So ist die „Ipf- und JagstZeitung“bei der ersten „Tour de Ellwangen“der neuen Corona-Zeitrechnung in den Genuss eines privaten Spaziergangs durchs historische Ellwangen gekommen mit einer Stadtführerin, wie sie kundiger nicht sein könnte: Annette Bezler. Nicht mal der Dauerregen trübte das Vergnügen.
Vor dem Portal der Basilika lugt sie unterm Regenschirm hervor: „Ich bin sozusagen das Versuchskaninchen“, sagt Annette Bezler und stellt gelassen fest, dass niemand mehr kommt. Der Basilika ist es ohnehin gleichgültig, wie viele ihre Schönheit bewundern, ist der „staufische Dom“als Referenz an die Stauferkaiser doch einer der bedeutendsten romanischen Gewölbebauten Schwabens. Um Kirche und Marktplatz gesellen sich prachtvolle Stiftsherrenhäuser: „Ein solches Haus für einen Pfarrer. Die haben wahrhaft barock gelebt“, so Bezler. Es sei übrigens ein Irrtum, dass die Basilika drei Türme habe. Es seien nur zwei – der dritte, der die Westseite schmückt, sei in Wahrheit ein Dachreiter.
Das Tympanon über dem Spitzbogenportal
mit Relieffiguren der Stiftspatrone stammt aus dem Jahr 1233. Sankt Vitus wurde ursprünglich als Stiftskirche für das Kloster Ellwangen erbaut. Trotz barocker Elemente, erläutert Annette Bezler drinnen bei Orgelklang und Gesang, sei die Basilika rein romanisch. Das belege auch die Krypta, die sich nicht wie sonst üblich unter dem Hochaltar, sondern unter der Vierung befinde. Den Kreuzgang habe man „aus reiner Pietät“wieder aufgebaut.
Das „Alte Stift“, wie die westliche Vorhalle genannt wird, beherbergt wuchtige Kapitelle und zahlreiche
Altäre. Eine Besonderheit ist die ökumenische Pforte, durch die man in die ehemalige Jesuitenkirche, die heutige Stadtkirche, gelangt. Mehr als 200 Jahre geschlossen, wurde sie 1999 wieder geöffnet: „Sie ist die Tür in unseren Herzen, die wir offenhalten müssen“, betont Annette Bezler. Die Deckenfresken stammen von Christoph Thomas Scheffler und sind der Jungfrau Maria gewidmet, die sogar Martin Luther als Vorbild für Demut und Reinheit sah. Der Stuck ist „nur“gemalt, die Raumperspektive täuschend echt.
In direkter Nachbarschaft sind die Gebäude des Landgerichts, das einst Rathaus und Jesuitenkolleg war, in dem nur männliche Schüler unterrichtet wurden. Die Mädchen gingen zu den Kapuzinern, „die als Bettelorden zwar arm, aber viel beliebter waren als die Jesuiten“, so Bezler. Und nicht die imposante Basilika, sondern die bescheidene Marienkirche war „die Kirche des Dorfes.“
Das Haus Zimmerle am Fuchseck wurde 1550 erstmals erwähnt und war einst Poststation. Der Goethe war hier und der Mozart – der Geheimrat, so Bezler, wohl eher zufällig, der Komponist leider schlecht gelaunt. Deshalb ist der Stadtführerin der Brunnen des Ellwanger Bildhauers Rudolf Kurz mit Szenen zur Stadtgeschichte und spielenden Kindern wichtiger: „Die Kinder sind die Zukunft.“
Der Blick schweift über die Fußgängerzone: „Die Turmspitze des bescheidenen Kapuzinerklösterchens, der heutigen Marienpflege, ist nicht zu sehen“, so Bezler. Die Spannung zwischen Jesuiten und Kapuzinern habe sich durch die gesamte Stadtgeschichte gezogen.
Das Spital der Stadt war einst in der Priestergasse, später im heutigen Rathaus: „Es war Auffangstation für die Armen und wie fast alle Spitäler dem Heiligen Geist gewidmet.“
Vorbei am hochherrschaftlichen Palais Adelmann – „es ist nicht eigentlich barock, sondern erinnert an einen Palazzo in Florenz zur Zeit der Renaissance“– öffnet sich am Ende der Oberamtsstraße der wohl schönste Blick auf den staufischen Dom und dessen nahezu unverändert gebliebene Ostfassade: „Nur die Dächer wurden etwas steiler.“Von ferne glaubt man, das gesungene Gebet zweier Benediktiner zu hören.
Vieles bliebe noch zu sagen. Ellwangen ist schön und Annette Bezler eine Stadtführerin, die ihre Stadt mit Begeisterung und Witz präsentiert, vom Wissen gar nicht zu reden. Bleibt zu hoffen, dass Führungen zu Ellwangens schönsten Bauten und Zeitreisen durch die wechselvolle Geschichte der guten Stadt auch in der „neuen Normalität“wieder den gewohnten Zuspruch finden werden. Die Teilnehmerzahl ist bis auf Weiteres auf zwölf Personen begrenzt.