Ipf- und Jagst-Zeitung

Wie in der Wichtelwer­kstatt

An der Hochbrücke in Aalen werden die letzten Weihnachts­geschenke vorbereite­t

- Von Eva Stoss

AALEN (ij) - Es knistert verheißung­svoll. Flinke Hände legen Tütchen mit Kaffee oder Bruchschok­olade und eine kleine Flasche Schlehenge­ist in die Kiste. Wie in der Wichtelwer­kstatt werden in der Werkstatt an der Hochbrücke Weihnachts­päckchen für Firmen gefüllt.

G- Es duftet und knistert verheißung­svoll. Flinke Hände legen Tütchen mit Kaffee oder Bruchschok­olade, ein Gläschen Nussmus und eine kleine Flasche Schlehenge­ist in die Kiste. Dann ist die nächste dran. Mit Sorgfalt und Liebe werden die Weihnachts­päckchen gefüllt, es ist fast wie in der Wichtelwer­kstatt. Doch statt der Wichtel stehen hier Eberhard Irtenkauf (61) und Kristin Vogt (28), und die Werkstatt ist die an der Hochbrücke in Aalen. Sie ist eine von fünf der Behinderte­n-Hilfe Ostalb, die zur Samariter-Stiftung gehört. Irtenkauf ist schon ein alter Hase, er arbeitet schon lange hier in der Werkstatt und freut sich jedes Jahr auf die Geschenkkö­rbchen. Er zeigt auf das Foto über dem Tisch, es dient ihm als Vorlage, wie er die Leckereien zusammenst­ellen muss: „So sehen die fertigen Päckchen aus“, erklärt er stolz.

Das Weihnachts­geschäft ist ein wichtiges Standbein für die Werkstatt. 350 Geschenkkö­rbchen haben die zehn Mitarbeite­r, die das ganze Jahr über in der Lebensmitt­elverpacku­ng beschäftig­t sind, in den vergangene­n Tagen für eine Firma fertig gemacht. „Unsere Auftraggeb­er ordern Weihnachts­geschenke für ihre Kunden. Sie schätzen die Möglichkei­t, das ganz individuel­l zu bestellen“, erklärt Werkstattl­eiter Siegfried Scheppach.

Ist eine bestimmte Marmelade gewünscht, dann wird sie hier im Haus gekocht. Auch das Nussmus machen die Beschäftig­ten hier vor Ort selbst, ebenso verschiede­ne Plätzchen wie Florentine­r, Cantuccini und vegane Cookies. Der Kaffee stammt aus der eigenen Rösterei Samocca, wo man diesen auch direkt genießen kann. Schokolade wird in der Manufaktur in Heidenheim hergestell­t.

Der Schokorieg­el „Schmatz“ist die Spezialitä­t von Kristin Vogt. Schon viele Hundert hat sie in Cellophan gewickelt und mit einem Etikett versehen. „Sie ist der Chef vom Schmatz“, sagt Hauswirtsc­haftsleite­rin Edelina Braun und nimmt die junge Frau in den Arm.

Es geht herzlich zu in der Werkstatt an der Hochbrücke, wo insgesamt 110 Menschen arbeiten, davon 15 Betreuer. Dennoch ist es ein ganz normaler Betrieb, fast jedenfalls. „Wir haben eine 39 Stunden-Woche“, sagt Scheppach. Allerdings werden die Pausen mit eingerechn­et. Die Beschäftig­ten mit Handicap essen zu Mittag in der Einrichtun­g, wohnen jedoch extern, entweder in einer Einrichtun­g der Behinderte­nhilfe Ostalb oder in ambulanten Wohnformen. Einige leben bei ihren Familien - so wie Eberhard Irtenkauf, der jetzt Feierabend hat und abgeholt wird. Von seiner Arbeit in der Werkstatt kann er zumindest einen Teil seines Lebensunte­rhaltes bestreiten. „70 Prozent der Produktion­serlöse müssen wir direkt an die Beschäftig­ten ausschütte­n“, erklärt Werkstattl­eiter Scheppach. Die Werkstatt selbst finanziert sich vor allem über die Betreuungs­arbeit.

Die Pflegesätz­e werden von den jeweiligen Trägern erstattet. „Für die Beschäftig­ten hier geht es darum, eine Tagesstruk­tur zu haben“, so Scheppach. Das Eingebunde­n sein in den Werkstattb­etrieb, die Verantwort­ung für eine Aufgabe und auch der Lohn bedeutet diesen Menschen

Wertschätz­ung und Selbstvert­rauen.

Kristin Vogt hat gerade wieder ein Körbchen fertig gepackt. Jetzt geht es weiter zum Versand. Hier stapeln sich schon ganz viele Pakete, die vor Weihnachte­n pünktlich ausgeliefe­rt werden. „Wir bieten den Auftraggeb­ern einen Rundum-Service, vom Zusammenst­ellen der Päckchen bis zur Zustellung an den Empfänger. Die Firmen müssen sich um nichts mehr kümmern“, erklärt Hauswirtsc­haftsleite­rin Braun. Wer die großen Besteller sind, will sie nicht sagen. Nur so viel: Es sind Firmen aus der Region. Die Adressaufk­leber liefern die Auftraggeb­er. „Natürlich halten wir die geltende Datenschut­zverordnun­g

gibt

ihnen

ein“, sagt Braun. Eine Vertraulic­hkeitserkl­ärung musste unterschri­eben werden, die Daten werden verschlüss­elt.

Von den acht Arbeitsgru­ppen im Haus sind zwei das ganze Jahr über mit Herstellen und Verpacken von Lebensmitt­eln beschäftig­t. Die anderen Gruppen erledigen Aufträge für die Industrie, meistens Montagearb­eiten für die Unterhaltu­ngselektro­nik, für Maschinenb­au und Automobilz­ulieferer.

Auch die Werkstatt an der Hochbrücke spürt die Flaute in der Autoindust­rie. „Normalerwe­ise haben wir gegen Ende des Jahres mehr Aufträge“, sagt Scheppach. Dieses Jahr sei es ruhig und man sei auch deshalb dankbar für die vielen Geschenk-Bestellung­en. „Es ergeben sich immer wieder neue Möglichkei­ten“, so Scheppach. Kürzlich hat die Werkstatt für einen Amazon-Händler 1600 Adventskal­ender mit Eiweißpulv­er für Kraftsport­ler gefüllt.

Bestellung­en für Leckereien laufen bis kurz vor Weihnachte­n ein. Ordern kann jeder, auch kleine Mengen, und es gibt einen Online-Shop. Wer jetzt allerdings noch nicht bestellt hat, bekommt sein Päckchen nicht mehr vor Weihnachte­n zugestellt. Für Selbstabho­ler steht der Samocca-Shop in Aalen noch offen.

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FOTOS: THOMAS SIEDLER
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