Ein Schönling wird erwachsen
Die zweite Auflage des Range Rover Evoque rollt an den Start – Neue Motoren und mehr Platz im Innenraum
Er kam, sah und siegte: Als Land Rover vor sieben Jahren den Evoque auf den Markt brachte, wurde der kompakte DesignerSUV über Nacht zum Star und Schönling in der Stadt und zum Liebling der Nachwuchskräfte unter den Besserverdienern. Denn so elegant und extrovertiert war bislang kein anderer Geländewagen in dieser Klasse – das Label „Range Rover“hat der Evoque also nicht umsonst getragen. Doch auch wenn sich der Newcomer über 800 000-mal verkauft und es so zum erfolgreichsten Modell der Marke gebracht hat, konnte er über einen Makel nicht hinwegtäuschen. Er basierte technisch noch auf dem alten Freelander und war deshalb alles andere als auf der Höhe der Zeit, was man vor allem dem Innenraum zuletzt auch deutlich angesehen hat. Doch damit ist jetzt Schluss.
Wenn die Briten im April zu nahezu unveränderten Preisen ab 37 350 Euro die zweite Auflage an den Start rollen, ist das Design zwar vertraut. „Denn warum sollten wir etwas Bewährtes und Begehrtes nur um des Veränderns willen verändern“, rechtfertigt Chefstylist Gerry McGovern, dass er nur Feinschliff betrieben, ein paar Linien herausgenommen, die Fugen verschmälert und die Konturen geglättet hat. Doch unter dem Blech ist alles neu, und innen ist der Evoque endlich im Hier und Heute angekommen. Weil er zudem auch noch besser – weil gelassener und komfortabler – fährt, fühlt er sich nun noch mehr nach Range Rover an und rückt seinen großen Brüdern deutlich näher an die Stoßstange.
Dass man trotz gleicher Form und bekannten Formats in einem neuen Auto sitzt, merkt aber nicht nur der Fahrer, sondern das spüren auch die Hinterbänkler. Schließlich gibt es jetzt mehr Raum auf allen Plätzen. Obwohl der Radstand nur um zwei Zentimeter gewachsen ist, hat man hinten deutlich mehr Kniefreiheit. Und der Kofferraum legt um zehn Prozent auf 591 bis 1383 Liter zu.
Dazu hat McGovern ein Interieur entworfen, das sich stark am Velar orientiert: Das Heer der Knöpfe und Schalter wird deshalb ausgedünnt, und das Cockpit ist geprägt von digitalen Instrumenten und zwei großen Touchscreens. Wer will, bekommt auch einen veganen Innenraum, der ohne Leder auskommt, aber trotzdem nicht billig wirkt – und natürlich teuer bezahlt werden muss.
Mehr als die Designer haben die Ingenieure am neuen Evoque gearbeitet. Sie haben den Wagen nicht nur auf eine neue, deutlich steifere Plattform gestellt und – trotz der Fokussierung auf die Innenstadt – auch Offroad-Kriterien wie Wattiefe und Böschungswinkel noch einmal verbessert. Sondern sie haben vor allem die Motorenpalette erneuert: Nur in der Basisversion mit Frontantrieb und sonst mit zwei unterschiedlich aufwändigen Allradsystemen gekoppelt, gibt es den Evoque zunächst mit Vierzylindern vom 150-PS-Diesel bis zum 300-PS-Benziner.
„Warum sollten wir etwas Bewährtes und Begehrtes nur um des Veränderns willen verändern?“Chefstylist Gerry McGovern
Wer die als Handschalter bestellt, ist selber schuld. Denn in Kombination mit der neuen 9-Stufen-Automatik werden alle Motoren zu Mild-Hybriden aufgerüstet und erhalten dann einen 48-Volt-Starter-Generator. Der kann den Evoque zwar nicht alleine antreiben, hilft aber beim Anfahren, verlängert die Start-StoppPhasen und rekuperiert beim Bremsen mehr Energie, sodass der Verbrauch im Schnitt um sechs Prozent zurückgeht, versprechen zumindest die Briten. Sie verweisen dabei auf Werte zwischen 5,4 Litern beim Diesel und 8,1 Litern bei den Benzinern.
Wem das noch nicht reicht, den bitten sie um ein paar Monate Geduld. Denn später im Jahr soll der Evoque erstmals auch mit einem Dreizylinder-Plugin-Hybrid erhältlich sein. Und für echte Sparfüchse dürfte es den Dreizylinder dann auch ohne Elektromotor und Akku geben.
Vor allem mit der Top-Motorisierung fühlt man sich im Evoque tatsächlich wie in einem großen Range Rover – nur dass der Junior natürlich deutlich handlicher ist und etwas agiler um die Kurven geht. Während das bei einer Tonne weniger Gewicht, bei 400 Newtonmetern Drehmoment und einem Sprintwert von 6,6 Sekunden wenig überraschend ist, beeindrucken Ruhe und Gelassenheit bei langer Fahrt mit hohem Tempo um so mehr: Kultiviert und komfortabel, kraftvoll und fast schon souverän und auf der Autobahn bei Vollgas immerhin 242 km/h schnell, wird der Evoque nun endlich erwachsen und gebärdet sich nicht mehr so unerzogen wie der Erstling.
Neben ernsthafter Ingenieurskunst will der neue Evoque aber auch mit ein paar coolen Gimmicks punkten. So erhält er als weltweit erstes Auto eine „durchsichtige Motorhaube“: Dafür schauen Kameras an der Seite und im Bug des Wagens auf die Fahrbahn, und die Elektronik komponiert daraus eine Liveübertragung auf dem Bordmonitor, die Fahrten im Gelände genauso erleichtern soll wie das Rangieren.
Die größte Errungenschaft ist für Designchef McGovern aber der digitale Rückspiegel. Weil man jetzt mit einem Knopfdruck auf eine Kamera umschalten kann, durfte er die extreme Rückseite, die so charakteristisch ist für den Evoque, auch diesmal umsetzen. Denn mit der neuen Technik sieht man jetzt nach hinten viel besser als je zuvor – selbst wenn die Heckscheibe auch weiterhin nicht viel breiter als ein Briefkastenschlitz ist.