EU sperrt Luftraum für Boeing 737 MAX 8
Europäischer Luftraum für Boeing 737 MAX gesperrt – Hälfte der ausgelieferten Maschinen nicht im Einsatz
(AFP) - Die Europäische Union sperrt ihren gesamten Luftraum für Verkehrsflugzeuge des Typs Boeing 737 MAX 8. Von Dienstagabend an müssten alle Flugbewegungen dieser Maschine in der EU eingestellt werden, teilte die europäische Luftfahrtbehörde EASA mit. Dies gelte auch für Flüge von Anbietern aus Nicht-EU-Ländern. Die Behörde reagierte damit auf den Absturz einer Boeing-Maschine dieses Typs in Äthiopien, bei dem 157 Menschen starben. Zuvor hatten Deutschland und andere EU-Länder ihren Luftraum für Flugzeuge des Typs Boeing 737 MAX 8 gesperrt. Laut EASA handle es sich bei der Sperrung um eine Vorsichtsmaßnahme.
(dpa) Nach dem Absturz einer Boeing 737 MAX 8 in Äthiopien gerät der USLuftfahrtriese Boeing immer tiefer in die Krise: Die europäische Luftfahrtbehörde EASA hat den europäischen Luftraum für Maschinen des Typs Boeing 737 Max gesperrt. Die Ankündigung am Dienstagabend kam nur wenige Stunden, nachdem bereits mehrere EU-Länder ihren Luftraum für die Boeing-Maschinen gesperrt hatten, darunter auch Deutschland und Großbritannien. Das Verbot gelte als „Vorsichtsmaßnahme“für die Flugzeuge vom Typ Boeing 737 MAX 8 und Boeing 737 MAX 9, erklärte die EASA.
Zahlreiche Airlines legten die Maschinen wegen Zweifeln an der Sicherheit der Baureihe bis auf Weiteres still. Inzwischen ist etwa die Hälfte der seit 2017 ausgelieferten rund 350 Flugzeuge aus dem Verkehr gezogen. Das stürzt Boeing nicht nur in eine tiefe Imagekrise: Bei andauernden Problemen könnten auch massive Umrüstungskosten und Geschäftseinbußen drohen. Boeing beharrt indes auf der Sicherheit der nach zwei Abstürzen innerhalb eines halben Jahres stark in die Kritik geratenen Baureihe. „Wir haben volles Vertrauen in die Sicherheit“, teilte der Konzern am Dienstag mit.
Boeing verwies erneut darauf, dass die US-Luftfahrtbehörde FAA derzeit keine weiteren Maßnahmen fordere. In den kommenden Wochen will der Konzern jedoch ein wichtiges Software-Update für die Baureihe anbieten. Die Devise laute, „ein bereits sicheres Flugzeug noch sicherer machen“, versprach Boeing.
Beim Absturz einer Maschine der Fluggesellschaft Ethiopian Airlines in der Nähe der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba waren am Sonntag 157 Menschen ums Leben gekommen, darunter auch fünf Deutsche.
Neben Deutschland und Großbritannien schlossen Frankreich, Österreich, Polen, Belgien, Italien, Irland, die Niederlande, Malaysia, Singapur und Australien ihren Luftraum vorerst für das Modell. In den für Boeing wichtigen Märkten China und Indonesien dürfen heimische Airlines die 737 MAX 8 schon seit Montag nicht mehr einsetzen.
Verbot gilt bis auf Weiteres
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte dem Fernsehsender n-tv: „Sicherheit geht absolut vor. Bis alle Zweifel ausgeräumt sind, habe ich veranlasst, dass der deutsche Luftraum für die Boeing 737 Max ab sofort gesperrt wird.“Deutsche Fluggesellschaften nutzen dem Verkehrsministerium zufolge keine Boeing 737 Max 8.
Das weitgehende Flugverbot hat nach Einschätzung des Verbandes ADV keine allzu großen Auswirkungen auf den Betrieb an den deutschen Flughäfen. „Bei uns herrscht keine Krisenstimmung wegen dieses Fliegers“, sagte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralf Beisel.
Der weltgrößte Reisekonzern Tui legt infolge des Flugverbots in Großbritannien seine 15 Flugzeuge vom Typ Boeing 737 Max 8 vorübergehend still. Auch die Billigfluggesellschaft Norwegian wird ihre 18 Maschinen vorerst außer Betrieb nehmen, andere Airlines wie Turkish reagierten ebenfalls. Die argentinische Airline Aerolíneas Argentinas setzt Flüge mit seinen fünf 737 MAX 8 ebenfalls aus. Zuvor hatten sich Piloten geweigert, mit dem Modell zu starten.
Viele Länder folgen diesmal nicht – wie üblich – der Linie der US-Luftfahrtbehörde FAA. „Diese Untersuchung hat gerade erst begonnen, und uns liegen bislang keine Daten vor, um Schlussfolgerungen zu ziehen oder Maßnahmen zu ergreifen“, hatte die FAA am Montag mitgeteilt. Die US-Behörde kündigte jedoch an, sie werde „geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn die Daten darauf hindeuten, dass dies erforderlich ist“. Nach dem Absturz einer Boeing 737 Max 8 im Oktober 2018 in Indonesien mit 189 Todesopfern gab es der FAA zufolge bereits zahlreiche technische Prüfungen und Maßnahmen. Im Zentrum der Untersuchungen stand bislang ein umstrittenes System zur Flugkontrolle, das laut Unfallermittlern eine entscheidende Rolle beim Crash in Indonesien gespielt haben könnte. Es geht um das sogenannte Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS). Laut Unfallermittlern drückte der Bordcomputer die Nase des Flugzeugs automatisch immer wieder nach unten, während die Crew versucht habe, sie nach oben zu steuern.
Die Piloten der in Äthiopien verunglückten Boeing hatten der Flugsicherung kurz vor dem Absturz von Problemen berichtet, die Maschine unter Kontrolle zu halten, sagte der Chef von Ethiopian Airlines, Tewolde GebreMariam, am Dienstag dem Nachrichtensender CNN.
Trump: Zu viel Computereinsatz
US-Politiker forderten unterdessen Konsequenzen der Luftfahrtbehörde FAA. Spitzenvertreter beider großer Parteien sprachen sich am Dienstag für ein Startverbot des betroffenen Flugzeugtyps aus. Alle Flieger sollten am Boden bleiben, bis die Ursachen der jüngsten Abstürze und die Flugtauglichkeit geklärt seien, forderte etwa der frühere republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney.
US-Präsident Donald Trump sprach sich derweil gegen den Einsatz von zu viel Computertechnologie in der Luftfahrtbranche aus. „Flugzeuge werden viel zu kompliziert zum Fliegen“, schrieb Trump am Dienstag auf Twitter, ohne Boeing zu erwähnen. Statt Piloten brauche es heutzutage Computerspezialisten. Doch diese Komplexität berge Gefahren, so Trump.
Die Boeing 737 ist das meistverkaufte Verkehrsflugzeug der Welt. Die 737-Max-Reihe ist die neueste Variante des Verkaufsschlagers. Der US-Hersteller hat nicht nur bereits mehr als 350 Maschinen ausgeliefert, sondern sitzt auch auf prall gefüllten Auftragsbüchern mit Tausenden Bestellungen.
An der Börse ließ der große Ausverkauf der Boeing-Aktie zwar nach, doch die Nervosität der Anleger blieb hoch. Im frühen US-Handel fiel der Kurs um rund fünf Prozent. Die Papiere des europäischen Erzrivalen Airbus profitierten leicht, hier näherte sich der Kurs mit einem Plus von gut einem Prozent dem Rekordhoch vom 1. März.