Raus aus der Hängematte
Freiburger Jazzfest setzt auf Breite mit De-Phazz und dem Hendrika Entzian Quartett
- Entspannt in einer Hängematte liegen, aufs Meer schauen und einen Cocktail dabei schlürfen – das verbinden viele mit der Musik von De-Phazz. Selbst in einer Zahnarztpraxis in Las Vegas sorgten die Klänge aus Heidelberg schon für Entspannung, das erfährt man beim Konzert der Formation im gut besuchten Freiburger Jazzhaus.
Aber live ist dann doch alles ganz anders. Schon mit dem Opener „Heartfixer“geht es raus aus der Hängematte direkt auf die Tanzfläche, die den ganzen Abend vibriert. Die Songs werden von Bass (Bernd Windisch) und Baritonsaxofon (Marcus Bartelt) tiefer gelegt. Oli Rubow sorgt an den Drums für klare Beats und genügend Wumms. Keyboarder Ulf Kleiner wechselt zwischen loungig und groovy. Und Bandgründer Pit Baumgartner fummelt im Hintergrund dezent ein paar elektronische Schnipsel dazu oder spielt auch mal ein Thema auf der Ukulele. Pat Appleton ist im ersten Teil das Gesicht der Band, wenn sie „The Mambo Craze“mit schöner Ironie interpretiert oder bei „Our Relationship“die Soulröhre auspackt. Beim Wechsel zum Leadsänger Karl Frierson bleibt die Intensität hoch. „Jazz Music“und „Heroes of Swing“verbinden Coolness mit Groove. Und wenn die beiden dann gemeinsam das Jazzhaus unter Strom setzen mit ihrer Stimme, der enormen Ausstrahlung und den sexy Moves, dann wähnt man sich schon lange nicht mehr auf einem Jazzkonzert, wo höchstens mal einzelne Köpfe wackeln. (Am Samstag treten De-Phazz in Friedrichshafen im Bahnhof Fischbach auf).
Viele Stile, viele Orte
Aber genau diese stilistische Breite möchte das Jazzfestival Freiburg erreichen. Von niederschwelligen Angeboten wie Jazz in Kneipen am Eröffnungsabend beim „Minigipfel“im Stühlinger bis zum komplexen Jazz, von Newcomern bis zu Stars der Szene wie Michael Wollny oder Mare Nostrum. Die Stadt fördert das Festival pro Ausgabe mit 20 000 Euro. Das Programm machen Michael Musiol und Matthias Adam selbst, die Booker von Jazzhaus und E-Werk.
Auch der jeden Montag stattfindende Jazzkongress von Johannes Mössinger im Gasthaus Schützen ist mit einem Konzert dabei. Hier bietet das Kölner Hendrika Entzian Quartett anspruchsvollen zeitgenössischen Jazz. Die Kontrabassistin hat dieses Jahr den WDR Jazzpreis für Komposition gewonnen. Charmant führt sie durchs Programm, das einige sehr komplexe Stücke wie „Weekdays“oder „Pivot“vom gleichnamigen, 2017 erschienenen Album (Traumton Records) enthält. Die motivischen Verflechtungen sind nicht immer durchhörbar, die gemeinsamen Improvisationen verlieren auch mal die Richtung. Die klangliche Balance des Quartetts ist gelegentlich unausgewogen – Saxofon (Matthew Halpin) und Schlagzeug (Silvio Morger) dominieren gegenüber Klavier (Simon Seidl) und Kontrabass (Hendrika Entzian). Technisch und musikalisch agieren die vier auf hohem Niveau. Matthew Halpins warmer, auch mal luftiger Tenorsaxofon-Sound sorgt für einen ganz persönlichen Klang. Die atemberaubenden Walking-Bass-Linien und ein präzises Schlagzeuggewitter von Silvio Morger sind ein Ereignis. Die einfacher gebauten Stücke wie „Everything All at The Time“und das als Zugabe gespielte „Sleeping Dancer Sleep on“von Wayne Shorter macht das Hendrika Entzian Quartett zu echten Kostbarkeiten.