Wieder draußen
Thai-Fußballer schildern, was sie in der Höhle erlebt haben – Jugendliche nun wieder zu Hause
Nach dem glücklichen Ausgang des Höhlendramas in Thailand durften die zwölf Jungen des Fußballteams und ihr Trainer Ekkapol Janthawong (unten links/Foto: AFP) am Mittwoch die Klinik verlassen. Fast vier Wochen nach der leichtsinnigen Idee, während der Regenzeit eine überflutete Höhle zu erkunden, berichteten die überglücklichen Jungs in der Provinzhauptstadt Chiang Rai von ihrer Rettung.
(dpa/AFP) - Sie haben Regenwasser getrunken, das von den Höhlenwänden tropfte, und (vergeblich) versucht, sich selbst aus der Höhle zu befreien: Nach ihrer riskanten und dramatischen Rettung haben die zwölf thailändischen Jungen und ihr Trainer am Mittwoch bei einer Pressekonferenz das Drama zum ersten Mal aus ihrer Sicht geschildert. Zuvor war die Mannschaft aus dem Krankenhaus entlassen worden. Nun können die Jungen endlich wieder nach Hause.
Wenn es 18 Uhr wird, läuft im thailändischen Fernsehen jeden Abend die Nationalhymne. Dann folgen auf den verschiedenen Sendern für eine halbe Stunde Nachrichten der Militärregierung, die seit vier Jahren an der Macht ist.
Am Mittwoch jedoch war alles anders. Statt Bildern von älteren Generälen gab es welche mit fröhlichen Kindern in Fußballtrikots – von den zwölf Jungen und ihrem Trainer, die nach dem glücklichen Ende des Höhlendramas und den Tagen im Krankenhaus endlich nach Hause durften. Alle großen Sender übertrugen live. Und im ganzen Land hingen die Leute an den Fernsehern.
Regime nutzt Auftritt für sich
Der Titel der Übertragung war vorgegeben: „Dern Nah Prathet“(„Thailand kommt voran“). 45 Minuten sollte die große Rettungs-Show dauern. Sie ging dann fast doppelt so lang. Auf die Bergung der Kinder von 11 bis inzwischen 17 Jahren sind die Thailänder immer noch enorm stolz. Und die Militärs haben Interesse daran, dass das so bleibt. Sie können davon nur profitieren.
Fast einen ganzen Monat lang ist das Schicksal der Kinder in Thailand nun schon das große Thema – noch viel mehr als im Rest der Welt. Hier reden alle nur noch liebevoll von den „Moo Pah“, den „Wildschweinen“. So heißt der Verein, aus dem die Jungen kommen.
Zum Beweis dafür, wie gut es ihnen heute schon wieder geht, dribbelten alle kurz nach 18 Uhr (Ortszeit) mit Bällen in den Saal. Dann setzten sie sich wie für ein Mannschaftsfoto zusammen und plauderten drauflos. Als ob die Tage in der Dunkelheit längst vergessen wären.Vor allem der 14-jährige Adul – der Einzige, der passabel Englisch spricht – zeigte Entertainer-Qualitäten. Der Junge, der nicht einmal einen thailändischen Pass besitzt, berichtete noch einmal, wie sich die Entdeckung zugetragen hat. „Plötzlich haben wir Leute sprechen gehört“, schildert er den Augenblick der Entdeckung und spricht von einem „Wunder“. Der 14-Jährige hatte den britischen Tauchern auf Englisch geantwortet. Adul sagt heute: „Diese Erfahrung hat mir deutlich gemacht, was das Leben für einen Wert hat. Und was für Folgen ein einziger Fehler haben kann.“
Dann kam der Trainer dran: Ekkapol Chantawong (25), verantwortlich dafür, dass das Team trotz aller Warnungen mitten in der Regenzeit in die Höhle stieg. Angeblich kam die Idee von ein paar Jungen, die zuvor noch nie dort waren. Als das Thema zur Schuldfrage wechselte, sprach der frühere Mönch, der mit den Jungen viel gebetet haben soll, in der Mehrzahl: „Wir sind uns bewusst, dass wir das verursacht haben.“Heute würde er mit den Jungen nicht mehr in die Höhle gehen. Davon, dass er selbst strafrechtlich belangt werden könnte, redet in Thailand inzwischen niemand mehr.
Am größten ist die Verehrung jedoch für den Marinetaucher Saman Kunan (38), der bei den Vorbereitungen für die Rettungsaktion ums Leben kam. Der Ex-Militär wurde posthum vom König um sieben Ränge nach oben befördert. So etwas gab es in der jüngeren Geschichte des Landes noch nie. Auch die Kinder weinten, als sie von seinem Tod erfuhren. Mit einem Porträt im Goldrahmen erinnerten sie auch am Mittwoch an ihn. Es war der traurigste Moment der anderthalb Stunden.
Gegen die kollektive Entlassung der „Wildschweine“, einen Tag früher als geplant, hatten schließlich auch die Mediziner nichts mehr einzuwenden. Die Ärztin Patchareewan Inta sagte: „Alle sind gesund. Auch mental können sie den Druck aushalten. Es gibt keinen Grund, sich irgendwelche Sorgen zu machen.“Dann durften alle nach Hause zu den Familien. Bald ist auch wieder Schule.
So beginnt langsam dann auch der Weg zurück in die Normalität. Zum Plan gehört auch, dass es keinerlei Interviews mehr gibt. Die Behörden baten hochoffiziell darum, die Kinder und ihre Familien ab sofort in Ruhe zu lassen. Der neue Provinzgouverneur Prachon Pratsakun verwies dazu auf Kinderschutzgesetze, die auch streng angewandt würden. Was mit all den Einladungen zu Fußballspielen rund um die Welt geschieht, ist noch offen.
Trotz des munteren Auftritts wird es aber noch eine ganze Weile dauern, bis die Kicker die Extremsituation aus der Höhle verkraftet haben. Zudem müssen sie lernen, mit ihrer vorübergehenden weltweiten Prominenz umzugehen. „Zu viel Aufmerksamkeit erhöht den Druck und Stress jetzt nur“, sagt der Kinderpsychologe Benjaporn Tuntasood. Die Hoffnung ruht darauf, dass die Kinder mit ihrer gesunden Team-Erfahrung das besser bewältigen als andere.
Es gibt auch schon weiter gehende Pläne. Die Rede ist davon, dass sich die Jungen alle gemeinsam den Kopf scheren lassen und eine Zeit lang in ein buddhistisches Kloster gehen. Für Leute, die ein Unglück hinter sich haben, ist es in Thailand durchaus üblich, sich auf diese Weise zu „reinigen“. Der Großvater eines Jungen, Seewad Sompiangjai, meint dazu: „Das ist, als ob sie (in der Höhle) gestorben wären und jetzt wieder geboren. Das ist zu ihrem eigenen Schutz.“