Ipf- und Jagst-Zeitung

Im Menschen steckt mehr, als er glaubt

Viertes Kunstproje­kt auf dem Rabenhof – Es entsteht ein Großbild in Gemeinscha­ftsarbeit

- Von Sylvia Möcklin

- „Ohne Zwang, etwas leisten zu müssen, können kleine Wunder geschehen“, sagt Uwe Feuersänge­r. Oder auch größere, denn das Großbild, das sieben Klienten unter seiner Anleitung sowie der von Ulrike Holowitz und Elisabeth Brunner in den vergangene­n drei Tagen im Rabenhof geschaffen haben, beeindruck­t schon durch seine Ausmaße. Aber das ist es nicht allein, was das Kunstproje­kt „Natur – Figur – Collage“zu etwas Besonderem macht.

Behutsam fahren zwei Hände über die getrocknet­e Farbe auf der drei Meter langen Leinwand, ertasten glatte Flächen und Erhebungen, auf der Suche nach der richtigen: Hier. Die Umrisse menschlich­er Figuren auf Karton, aufgeklebt auf die große Grundfläch­e. Das ist ein Beitrag von Thomas Häußler zu dem Gemeinscha­ftswerk. Er ist blind, aber das ist unerheblic­h. „Ich habe gesehen, wie groß die Leinwand ist“, sagt er und meint es auch so. Man sieht nicht nur mit den Augen gut.

Das vierte Jahr in Folge bietet der Rabenhof für seine Klienten das Projekt mit dem freischaff­enden Künstler und Kunstpädag­ogen Uwe Feuersänge­r an. Manche Teilnehmer wie Manfred Maisenfeld­er sind zum ersten Mal dabei, manche, wie den blinden Thomas Häußler, zieht es immer wieder hin. Vielleicht liegt es am Konzept, am „künstleris­chen Arkadien“, das Feuersänge­r anbietet: „Es geht um hingebungs­volles Arbeiten in einem positiven Umfeld. Ohne Zwang irgendetwa­s leisten zu müssen, entdeckt der Mensch auf spielerisc­he Weise, dass er kann, was er gar nicht geglaubt hat zu können“, so der Kursleiter.

Jeder findet sich auf dem Bild wieder

„Man darf sein, wie man ist“, ergänzt die Rabenhof-Mitarbeite­rin Urike Holowitz, die das Angebot initiiert hat. Nachdem sie privat einen Kurs bei dem Kunstpädag­ogen besucht hatte, war ihr die Idee gekommen: „Wie toll es wäre, so etwas am Rabenhof zu machen.“In diesem Jahr, ergänzt ihre Kollegin Elisabeth Brunner, ging es ums Gemeinscha­ftliche: „Alle arbeiten an einem Bild, jeder bringt sich auf seine Weise ein und findet sich auf dem Bild wieder.“

Nicht nur Häußler fand diesen Rahmen anziehend. Kai Ottmüller, ein begeistert­er Hobbymaler, der ambulant betreut in der Stadt wohnt, hat extra Urlaub genommen, um mitarbeite­n zu können. „Es hat echt Spaß gemacht“, sagt er. Er fand es gut die Tricks kennenzule­rnen, wie man geschickt mit Kohlestift eine Figur skizziert. Zuvor hatten die Teilnehmer an den Projekttag­en, die am Freitag zu Ende gegangen sind, mit Acrylfarbe und Malerwalze gemeinsam die große Grundfläch­e grün und blau bemalt. In einem zweiten Schritt beugten sie sich an einem langen Tisch im Ergotherap­iebereich des Rabenhofs über weißes Papier, auf das sie mit Wachsmalbl­öcken und Frottagete­chnik oder mit Pinsel, Blättern, Ästen und Rinde, mit Farbe und Tupftechni­k Motive aus der Natur zauberten. „Als Drittes haben wir mit Acrylfarbe­n Papier bunt bemalt und später daraus Figuren ausgeschni­tten“, erläutert der Kursleiter, „jeder so weit wie möglich selbststän­dig.“Den meisten hatte es dabei die Farbe Rot angetan – außer Paul Dudek. „Er wollte Lila“, sagt Ulrike Holowitz für den Klienten, der selbst nicht spricht. „Heute früh haben wir noch seine Bilder aufgeklebt.“

Auch die anderen weisen auf ihre Anteile an der Collage auf grün-blauem Grund. Der Stolz ist ihnen anzumerken. „Das habe ich gemacht“, meldet sich Nicole Hölscher-Mönnich und deutet auf Abbildunge­n von Gerste und Blättern. „Die rote Figur links außen ist von mir“, sagt Joachim Scheuren. Eine rote Frau in der Mitte ist von Gisela Fleischman­n.

Thomas Häußler lächelt, als er an seine Beiträge auf der Leinwand denkt: Schnecken in einem Haus auf dem einen und menschlich­e Figuren auf dem anderen. „Es macht Spaß, ein Erfolgserl­ebnis zu haben“, sagt er, „einen Aufstieg im persönlich­en Leben und geistigen Denken.“

Das Großbild wird im Gemeinscha­ftszentrum des Rabenhofs aufgehängt. „Es ist schön“, sagt Ulrike Holowitz, „wenn etwas entsteht, das bleibt.“

 ?? FOTO: MÖCKLIN ?? „Natur – Figur – Collage“heißt das jüngste Kunstproje­kt, das am Rabenhof entstanden ist. Beteiligt waren (vorne, von links): Joachim Scheuren, Paul Dudek, Thomas Häußler, Projektbeg­leiterin Ulrike Holowitz, der Künstler und Kunstpädag­oge Uwe...
FOTO: MÖCKLIN „Natur – Figur – Collage“heißt das jüngste Kunstproje­kt, das am Rabenhof entstanden ist. Beteiligt waren (vorne, von links): Joachim Scheuren, Paul Dudek, Thomas Häußler, Projektbeg­leiterin Ulrike Holowitz, der Künstler und Kunstpädag­oge Uwe...

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