Der böse Wolf ist Vegetarier
Sankt Gertrudis: Theater-AG begeistert mit einer Märchenstunde der anderen Art
- Rotkäppchen und Rapunzel, Hänsel und Gretel, die garstige Hexe und der böse Wolf, die sieben Geißlein und natürlich Prinzessin und Froschkönig sind in der Aula von Sankt Gertrudis so unbekümmert und chaotisch durcheinander gepurzelt, dass die Zuschauer ihre helle Freude hatten. Sind Märchen langweilig und von gestern? Von wegen. Die TheaterAG hat mit Barbara Seeligers Stück „Chaos. Eine Märchenstunde“eine Punktlandung hingelegt.
Rotkäppchen (Senta Gregus Gil) versteht nichts von Mode und wird von der hübschen Prinzessin (Ameli Istrefaj) erst mal eingekleidet. Während sie auf ihren Prinzen wartet (Johanna Mack), toben sechs Geißlein über die Bühne (Theresa Aumann, Alissa Hahn, Rahel Bolbach, Nele Vogler, Emma Ilg, Fine Gerdes). Statt im Bauch des Wolfs zu landen, wie es sich gehört, rauchen, saufen und rappen sie rotzfrech und mobben das hochbegabte siebte Geißlein (Franka Ebert). Das bittet den Wolf (Anne Dohnt) um Hilfe. Rumpelstilzchen (Sina Altinger) ist von dem wilden Treiben so eingeschüchtert, dass es vergisst, der Königin ihr Kind zu holen, und auswandern will.
Ein Wolf ohne Interesse am Geißlein
Der böse Wolf hätte ohnehin kein Interesse am Geißlein. Denn er ist Vegetarier und freut sich auf eine Kur mit Yoga und Massage. Damit nicht genug, schneidet Rapunzel (Lilly Funk) ihren langen Zopf ab, so dass der gestiefelte Kater (Lea Bögelein) den Turm nicht mehr verlassen kann. Macht nichts, so lange er Dosenthunfisch hat.
Die böse Hexe (Sarah Schumann) macht einerseits ihrem miesen Ruf alle Ehre und träumt von Mädchenfüßen in Bierteig. Andererseits versorgt sie Hänsel (Stella Vassilakopulos) und Gretel (Linda Friz) im Lebkuchenknusperhaus mit Cola. Böse wie im Märchen sind die Eltern, die ihre Kinder im finsteren Wald aussetzen: „Mit etwas Glück finden sie den Weg nicht mehr zurück.“
Steht das alles wirklich so geschrieben? Das fragen die Kinder (Sina Altinger, Sarah Schumann) die Großmutter (Rabea Bölstler), die ihnen vor dem Zubettgehen vorliest. Na klar. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Im Vorprogramm ließ Poetry Slammerin Manja Zimmerer mit ihrer „Ballade der vergessenen Kinder“aufhorchen. In starken Sprachbildern formulierte sie einen Appell gegen Ausgrenzung: „Die meisten verstehen nicht, dass sie nicht größer werden, wenn sie andere kleiner machen.“