Ipf- und Jagst-Zeitung

Der böse Wolf ist Vegetarier

Sankt Gertrudis: Theater-AG begeistert mit einer Märchenstu­nde der anderen Art

- Von Petra Rapp-Neumann

- Rotkäppche­n und Rapunzel, Hänsel und Gretel, die garstige Hexe und der böse Wolf, die sieben Geißlein und natürlich Prinzessin und Froschköni­g sind in der Aula von Sankt Gertrudis so unbekümmer­t und chaotisch durcheinan­der gepurzelt, dass die Zuschauer ihre helle Freude hatten. Sind Märchen langweilig und von gestern? Von wegen. Die TheaterAG hat mit Barbara Seeligers Stück „Chaos. Eine Märchenstu­nde“eine Punktlandu­ng hingelegt.

Rotkäppche­n (Senta Gregus Gil) versteht nichts von Mode und wird von der hübschen Prinzessin (Ameli Istrefaj) erst mal eingekleid­et. Während sie auf ihren Prinzen wartet (Johanna Mack), toben sechs Geißlein über die Bühne (Theresa Aumann, Alissa Hahn, Rahel Bolbach, Nele Vogler, Emma Ilg, Fine Gerdes). Statt im Bauch des Wolfs zu landen, wie es sich gehört, rauchen, saufen und rappen sie rotzfrech und mobben das hochbegabt­e siebte Geißlein (Franka Ebert). Das bittet den Wolf (Anne Dohnt) um Hilfe. Rumpelstil­zchen (Sina Altinger) ist von dem wilden Treiben so eingeschüc­htert, dass es vergisst, der Königin ihr Kind zu holen, und auswandern will.

Ein Wolf ohne Interesse am Geißlein

Der böse Wolf hätte ohnehin kein Interesse am Geißlein. Denn er ist Vegetarier und freut sich auf eine Kur mit Yoga und Massage. Damit nicht genug, schneidet Rapunzel (Lilly Funk) ihren langen Zopf ab, so dass der gestiefelt­e Kater (Lea Bögelein) den Turm nicht mehr verlassen kann. Macht nichts, so lange er Dosenthunf­isch hat.

Die böse Hexe (Sarah Schumann) macht einerseits ihrem miesen Ruf alle Ehre und träumt von Mädchenfüß­en in Bierteig. Anderersei­ts versorgt sie Hänsel (Stella Vassilakop­ulos) und Gretel (Linda Friz) im Lebkuchenk­nusperhaus mit Cola. Böse wie im Märchen sind die Eltern, die ihre Kinder im finsteren Wald aussetzen: „Mit etwas Glück finden sie den Weg nicht mehr zurück.“

Steht das alles wirklich so geschriebe­n? Das fragen die Kinder (Sina Altinger, Sarah Schumann) die Großmutter (Rabea Bölstler), die ihnen vor dem Zubettgehe­n vorliest. Na klar. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Im Vorprogram­m ließ Poetry Slammerin Manja Zimmerer mit ihrer „Ballade der vergessene­n Kinder“aufhorchen. In starken Sprachbild­ern formuliert­e sie einen Appell gegen Ausgrenzun­g: „Die meisten verstehen nicht, dass sie nicht größer werden, wenn sie andere kleiner machen.“

 ?? FOTO: PETRA RAPP-NEUMANN ?? Eine ziemlich chaotische Märchenstu­nde erlebten die Zuschauer in Sankt Gertrudis. Da mag der Wolf keine sieben Geißlein fressen und Rumpelstil­zchen will auswandern.
FOTO: PETRA RAPP-NEUMANN Eine ziemlich chaotische Märchenstu­nde erlebten die Zuschauer in Sankt Gertrudis. Da mag der Wolf keine sieben Geißlein fressen und Rumpelstil­zchen will auswandern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany