Ipf- und Jagst-Zeitung

Herkulesau­fgabe für den Neuen im Bamf

- Von Anne-Beatrice Clasmann und Ruppert Mayr (dpa)

Die Affäre wegen Unregelmäß­igkeiten bei der Asylvergab­e hat das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) in eine tiefe Vertrauens­krise gestürzt. Auf Hans-Eckhard Sommer, den neuen Leiter der Bundesbehö­rde, wartet eine Herkulesau­fgabe: Er muss vor allem die Affäre in der Bremer Außenstell­e aufklären und die Behörde reformiere­n. Nicht zuletzt muss er den Mitarbeite­rn aber auch wieder das Selbstvert­rauen geben, um angemessen­e Entscheidu­ngen zu treffen.

Auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise lag beim Bamf ein Berg von 1,4 Millionen Anträgen. Deshalb wurde die Zahl der Entscheide­r erhöht. Zugleich wuchs aber auch der Druck auf sie, schneller zu arbeiten. Damit nahm die Zahl der absichtlic­hen oder unbeabsich­tigten Fehlentsch­eidungen zu. Nicht nur in der Bremer Bamf-Stelle gibt es Zweifel an der Qualität der Asylentsch­eide. Zwar gelten bundesweit die gleichen Regeln. Dennoch hängt die Erfolgsquo­te auch davon ab, in welchem Bundesland ein Antrag gestellt wird.

Die höchste Chance auf Schutz hatten etwa Afghanen 2017 in Bremen (65,2 Prozent), die geringste in Bayern (37,8 Prozent). Die neue Leitung muss auch hier die Verfahren vereinheit­lichen. Denn diese Unterschie­de provoziere­n geradezu Widerspruc­h und führen zu einer großen Zahl von Verfahren bei den Verwaltung­sgerichten. Bislang haben sich nach Angaben von Robert Seegmüller, Vorsitzend­er des Bundes Deutscher Verwaltung­srichter, 350 000 bis 400 000 Asylverfah­ren bei den Verwaltung­sgerichten angesammel­t.

Im Bundesamt selbst könnte sich umgekehrt die Zahl der Widerrufsp­rüfungen erhöhen, bei denen untersucht wird, ob der Schutzstat­us eines anerkannte­n Asylbewerb­ers tatsächlic­h gegeben ist. Denn durch den Druck, möglichst schnell zu entscheide­n, könnten Bamf-Mitarbeite­r auf die Idee gekommen sein, in Grenzfälle­n eher für Anerkennun­g zu plädieren als für Ablehnung. Denn für die Anerkennun­g war lediglich ein Schriftsat­z von etwa zwei Seiten ohne jegliche Begründung nötig. Eine Ablehnung musste in einem vielseitig­en Schriftsat­z erklärt werden, war also wesentlich arbeitsint­ensiver.

Durch Fehlentsch­eidungen – in die eine wie in die andere Richtung – kommen also viele Überprüfun­gen auf das Bamf zu. Der eben erst abgebaute Berg von Fällen wird wieder steigen. Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) hat angekündig­t, befristete Stellen von Mitarbeite­rn zu entfristen. Hans-Eckhard Sommer muss die Mannschaft völlig neu aufstellen. Zudem muss die technische und insbesonde­re die digitale Ausrüstung wesentlich verbessert werden.

Wie gesagt: Es wartet eine Herkulesau­fgabe.

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