Rechnung ohne den Wirt
Längst hat sich die Türkei beim Umgang mit dem Kurdenproblem in die Logik des Krieges begeben. Seit der Friedensprozess vor fast drei Jahren in neuen Kämpfen unterging, verfolgt Ankara das Ziel eines militärischen Sieges über die kurdischen Separatisten von der PKK und deren Verbündete. Die Einnahme der Stadt Afrin ist die Fortsetzung dieser Strategie. Doch möglicherweise hat die Türkei die Rechnung ohne den russischen Wirt gemacht.
Mit der Intervention im Nachbarland will Präsident Erdogan außenpolitisch drei Dinge deutlich machen: Erstens beansprucht die Türkei für sich das Recht, in Syrien einzugreifen, wenn sie ihre eigene Sicherheit gefährdet sieht; im Nordirak tut sie das mit ihren Luftangriffen auf dortige PKK-Stellungen schon seit Jahren. Zweitens scheut sie bei der Verfolgung ihrer Ziele auch nicht vor einem Konflikt mit dem westlichen Hauptverbündeten USA zurück. Und drittens signalisiert sie ihre Absicht, bei Entscheidungen über die Zukunft Syriens mitzureden.
Erdogans Syrien-Politik hat allerdings eine große Schwäche: Der Präsident ist im Nachbarland auf die Zustimmung Russlands angewiesen. Bisher hat der Kreml die Türken gewähren lassen, nicht zuletzt weil wachsende Spannungen im westlichen Lager für Moskau willkommen sind. Doch die Türkei lässt sich auf ein Spiel ein, bei dem sie am kürzeren Hebel sitzt.