Weltuntergangspropheten und Danke-Anke-Butter
„Couchsurfing in Russland“– Erfolgsautor Stephan Orth liest im Palais Adelmann
(sj) – Mit imposanten Fotos und Berichten über Begegnungen mit interessanten Menschen hat Bestsellerautor Stephan Orth seine Zuhörer auf eine Reise nach Russland genommen. „Couchsurfing in Russland“, so der Titel seines Buches, lautete auch die Überschrift über die Multimedialesung im Palais Adelmann. Eingeladen hatten die Stadtbibliothek und die Volkshochschule Ellwangen.
Das wahre Russland fernab von Propaganda und Touristik wollte Orth, Jahrgang 1979, während seiner zehnwöchigen Reise zwischen Moskau und Wladiwostok kennenlernen. Unterwegs traf der Autor Wodkatrinker und Waffennarren, liebenswürdige Musiker und Intellektuelle.
Im Spätsommer 2016 fühlt sich eine Reise nach Russland an wie ein Besuch im Feindesland, berichtet Orth. Was wollen die Russen, wo steuert dieses rätselhafte Land hin? Auf diese Fragen wollte er eine Antwort finden. Sein Gastgeber in Moskau ist der 31-jährige Genrich, der sich für Gesang, Linguistik, Kochrezepte, orthodoxen Glauben, Motorräder, Poesie und Auf-dem-TischTanzen interessiert. Zudem spricht er fließend Englisch, Französisch, Russisch, Deutsch, Polnisch und Ukrainisch. Als Gästebett dient eine Luftmatratze.
Ein Ex-Polizist und eine Sekte in Sibirien
Die Gespräche sind etwas schräg, aber Genrich kann super kochen. Blumenläden bieten rund um die Uhr Blumensträuße an, stellt Orth in Moskau fest. Und in den Regalen stehen Produkte, die deutsche Namen haben wie Danke-Anke-Butter und Frau-Schmidt-Waschmittel.
Scharowsk in der sibirischen Taiga, auch „Sonnenstadt“genannt, ist ein weiteres Ziel. Dort hat der frühere Polizist Sergej Torop, der sich heute Wissarion nennt, in abgelegenen Dörfern 5000 Anhänger um sich versammelt, die ihn für den wiedergeborenen Jesus halten. Seine Lehre ist ein Mix der großen Religionen. Seine Jünger leben weitgehend vegan, trinken und rauchen nicht und sind bestrebt, nur das zu essen, was sie selbst anbauen. Es ist eine Art Weltuntergangssekte: 1993 sagte Wissarion das baldige Weltende voraus.
Auf der Reise machte Orth Station in einer Hippie-Villa auf der Krim, in Sankt Petersburg, Wolgograd, Jekaterinburg, Nowosibirsk und einer Diamantenmine in Jakutien. 24 Gastgeber hatte er.
Ein Lächeln sehe man in Russland seltener als in anderen Ländern, stellt Orth fest: „Zumindest in der Öffentlichkeit und gegenüber Fremden.“Bei den Menschen zu Hause habe man jedoch nach zehn Minuten das Gefühl, man gehöre zur Familie. Putin werde zugute gehalten, dass er den Menschen ihren Nationalstolz zurückgegeben habe.