Windkraft-Widerstand tritt in eine neue Phase ein
Bürgerinitiative legt keine Beschwerde gegen Gerichtsbeschluss ein – Windkraftgegner wollen „an anderer Stelle weiterkämpfen“
- Die Bürgerinitiative „Windkraft mit Vernunft“will nicht weiter gerichtlich gegen den Windpark Rosenberg-Süd vorgehen. Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hatte im Oktober einen Eilantrag abgelehnt, mit dem die Initiative einen Baustopp der Windräder erreichen wollte. Diese Entscheidung wollen die Windkraftgegner nicht anfechten. Stattdessen will die Bürgerinitiative nun einen Verein gründen, der Aufklärungsarbeit leisten und für Transparenz in Sachen Windkraft sorgen soll.
Die Informationsveranstaltung im Dorfhaus Eggenrot stand unter dem Eindruck der Niederlage vor dem Stuttgarter Gericht. Dr. Michael Hoffmann aus Hinterbrand kritisierte inhaltliche Fehler. So ist in dem Gerichtsbeschluss unter anderem von der Gemeinde Matzengehren die Rede, die es nicht gibt. „Was uns aber verblüfft dastehen lässt, ist, dass die ganzen Umstände des Genehmigungsverfahrens gar keine Rolle gespielt haben. Insofern sind wir einigermaßen baff“, sagte Hoffmann. So gab es bei der Genehmigung der Anlagen keine Umweltverträglichkeitsprüfung. Das Gericht rügte dies nicht. Hoffmann ereiferte sich auch darüber, dass das Gericht keine „optisch bedrängende Wirkung“der Anlagen erkennen wollte. Das Grundstück eines Bürgers in Matzengehren ist nur 866 Meter von einem der 230 Meter hohen Windräder entfernt, Hoffmann sieht daher die optische Bedrängung sehr wohl gegeben.
Jens Greiner aus Matzengehren legte die Optionen dar. Es gebe die Möglichkeit, beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim gegen den Beschluss des Stuttgarter Gerichts Beschwerde einzulegen. Selbst bei einem Erfolg hätte diese Beschwerde bestenfalls nur aufschiebende Wirkung. Nämlich so lange, bis das Regierungspräsidium über die Einwände der betroffenen Bürger entscheidet. „Das heißt, eine Beschwerde hat nur Sinn, wenn wir bereit sind, danach das Hauptsacheverfahren zu eröffnen“, betonte Greiner. Ein solches Gerichtsverfahren würde sich über mehrere Jahre hinziehen. Die Kosten bezifferte Greiner auf 15 000 bis 40 000 Euro oder noch mehr, und das nur für die erste Instanz.
Greiner führte weiter aus, dass aus rein rechtlicher Sicht eine gute Chance bestehe, das Hauptverfahren zu gewinnen. Realistisch betrachtet sei sie aber deutlich schlechter: „Recht haben und Recht bekommen, hängt in Baden-Württemberg von mehreren Faktoren ab: Man braucht wirklich viel Geld, einen langen Atem und politischen Einfluss.“Deshalb empfahl Greiner den etwa 100 Anwesenden im Eggenroter Dorfhaus, den Rechtsweg einzustellen. „Aber wir wollen an anderer Stelle weiterkämpfen“, sagte Greiner.
Bürgerinitiative will Verein gründen und weiter aufklären
Laut Greiner bestand nur dann eine echte Chance, die Windräder in Rosenberg-Süd zu verhindern, wenn der Eilantrag vom Gericht wie ein solcher behandelt worden wäre und die BI Recht bekommen hätte. Dann hätte sich der Betreiber EnBW vielleicht aus Wirtschaftlichkeitsgründen aus dem Projekt zurückgezogen. Inzwischen stehen zwei der drei geplanten Windräder, der Bau des dritten ist derzeit zurückgestellt.
Deswegen empfahl Greiner den 89 Bürgern, die beim Regierungspräsidium Stuttgart Widerspruch gegen die Baugenehmigung eingelegt hatten, diese Eingaben zurückzuziehen. Das Regierungspräsidium habe die betroffenen Bürger aufgefordert, ihre Einwände bis zum 22. November zurückzunehmen. Andernfalls würden Kosten in Höhe von 350 Euro anfallen. Nur der Widerspruch eines Bürgers aus Matzengehren wird aufrechterhalten, dieser wird weiter von der BI unterstützt.
Als nächsten Schritt denkt die BI an die Gründung eines Vereins. Ein eingetragener Verein bietet laut Hermann Sorg aus Rosenberg viele Vorteile gegenüber einer Bürgerinitiative. Ein e. V. sei uneingeschränkt rechtsfähig und hafte mit dem Vereinsvermögen. Bei einer BI hafte dagegen jedes Mitglied mit seinem Privatvermögen. Der Verein wolle unter anderem informieren, wie sich Bürger von den Energieversorgern unabhängig machen können. Zudem will man Themen im Zusammenhang von Windkraft und Gesundheit aufgreifen. Eines davon ist die Wirkung von Infraschall, der für Menschen nicht hörbar ist. Ein weiteres Anliegen ist es, Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik offenzulegen. So will der Verein ergründen, warum in den Jahren 2015 und 2016, als die meisten Windkraftanlagen im Ostalbkreis genehmigt wurden, nirgends eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgt sei. „Auf gut Schwäbisch: Wir wollen a bissle stuttra“, sagte Sorg. Im Publikum zeigte etwa ein Dutzend Zuhörer Interesse, dem geplanten Verein beizutreten.