Ein Schritt vor und zwei zurück
Auf dem Mobile World Congress zeigen Smartphone-Hersteller die neuesten Modelle – Aufregung im Vorfeld um ein 17 Jahre altes Handy
- 16 Tasten, ein grünstichiges Mini-Display, ein nerviger Klingelton und das Minispiel „Snake“: In der kurzen Geschichte des Mobiltelefons ist das Nokia 3310 einer der großen Klassiker. Welche Bedeutung das Handy bis heute hat, zeigt die Aufregung um eine mögliche Rückkehr: Nach einem Bericht des Magazins „Venturebeat“bastelt HMD Global, neuer Besitzer des Markennamens Nokia für Mobiltelefone, gerade an einer Neuauflage. Kostenpunkt demnach: 59 US-Dollar (etwa 56 Euro).
Das Licht der Welt erblicken soll das neue 3310 auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona, der am kommenden Montag beginnt. Gut möglich allerdings, dass der unverwüstliche Klassiker in den Messehallen wie ein Fremdkörper wirkt. Denn eigentlich gibt es dort natürlich keine Uralt-Handys, sondern die neuesten Smartphones zu sehen, mit hochauflösenden Touchscreens, profitauglichen Kameras und Preisen meist jenseits von 500 Euro.
Vielleicht ist die Aufregung um das Nokia 3310 aber ein Zeichen dafür, dass das ewige „Schneller, höher, weiter“auf dem Smartphone-Markt langsam an seine Grenzen kommt – oder die neuesten Funktionen einfach noch nicht so wichtig sind. Eines der großen Themen auf dem MWC wird zum Beispiel 5G sein, der Nachfolger von LTE. Ein Mobilfunknetz, in dem sich der schnelle Übertragungsstandard nutzen lässt, gibt es in Deutschland aber noch nicht.
Die Folge: Den Herstellern gehen langsam die Argumente für den Kauf der neuen Luxusgeräte aus. „Der Markt für Smartphones hat eine gewisse Sättigung erreicht“, sagt Mark Schulte, Analyst beim Marktbeobachter IDC. „Im letzten Jahr war er in Deutschland sogar leicht rückgängig.“Branchenangaben zufolge wurden 2016 mit rund 23,2 Millionen Geräten etwa zwei Millionen Smartphones weniger als 2015 verkauft.
Apps wichtiger als Endgeräte
Wichtiger als die Hardware sind inzwischen die Apps, die darauf laufen: Ein Update für „Pokemon Go“oder neue Funktionen für WhatsApp produzieren mehr Schlagzeilen als das nächste angebliche SuperSmartphone. Und für solche populären Apps braucht es kein 500-EuroGerät mehr. „Selbst im Niedrigpreisbereich gibt es inzwischen sehr solide Hardware für die Grundfunktionen“, sagt Schulte.
Erschwerend kommt für den MWC hinzu, dass die zwei Giganten der Branche dort gar keine oder nur eine kleine Rolle spielen: Anders als im Vorjahr zeigt Samsung dort nicht das neue Flaggschiff der Galaxy-Serie. Und Apple ignoriert Messen aus Prinzip. Wenn die Erfinder von iPhone und iPad etwas mitzuteilen haben, machen sie das auf einer eigenen Veranstaltung. In Deutschland stammen aber fast zwei Drittel der verkauften Smartphones von den beiden Unternehmen, im vierten Quartal 2016 lag der kombinierte Marktanteil von Apple und Samsung laut IDC bei 63 Prozent.
Trotzdem gibt es in Barcelona natürlich genug neue Modelle zu sehen: darunter das neue LGFlaggschiff G6 oder neue Moto-Modelle von Lenovo. Der chinesische Hersteller TCL kehrt mit dem Blackberry Mercury, das klassisch per Tastatur gesteuert wird, zu den Wurzeln des einstigen Riesen zurück. Sony, HTC und Huawei zeigen ebenfalls neue Ware, und auch von HMD Global gibt es mehr Nokia-Modelle als nur ein neues 3310.
Viel Raum für virtuelle Welten
Echte Innovationen erwarten Messebesucher aber eher anderswo. Denn wer von mobilen Technologien spricht, meint nicht mehr nur das Smartphone. Zunehmend wichtig und damit auch in Barcelona vertreten sind zum Beispiel auch Virtual Reality und Augmented Reality – Datenbrillen also, die den Nutzer direkt im Sichtfeld mit zusätzlichen Informationen versorgen oder ihn komplett in eine virtuelle Welt versetzen.
Eine richtig große Rolle spielen diese Technologien bisher aber erst im Geschäftskundenbereich, sagt Schulte: Augmented-Reality-Brillen können in der Fabrik der Zukunft zum Beispiel bei der Reparatur von Maschinen helfen, Reisebüros können Kunden mit Virtual Reality ihre Kabine auf dem Kreuzfahrtschiff zeigen.
Ob und wann diesen Technologien der Durchbruch auf dem Massenmarkt gelingt, ist noch unklar. Erste Gehversuche wie die von Facebook angebotene Oculus Rift für den PC oder die Samsung Gear VR für das Smartphone gibt es zwar bereits. Bisher leidet der junge Markt aber noch an hohen Preisen und einer zu kleinen Zahl interessanter Anwendungsmöglichkeiten.
Günstiger und ausgereifter sind da Technik-Trends wie die sogenannten Wearables – vom populären Fitness-Armband über Smartwatches bis hin zur cleveren Laufsocke. Solche mehr oder weniger guten Ideen gibt es auf dem MWC reichlich zu sehen, genau wie neue Gadgets aus der Welt der Drohnen oder 360-Grad-Kameras. Fraglich aber auch hier, ob solche Spielzeuge je ein breites Publikum erreichen. Denn dem Massenmarkt reicht vielleicht eine Runde „Snake“.
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