Der Wahnsinn wohnt in den Schweizer Alpen
„A Cure for Wellness“: Imposante Bilder, aber wenig Tiefgang
Ein Sanatorium in der Schweiz, wunderschöne Landschaften, eine glückseligmachende Wunderbehandlung – aus den Zutaten für Gore Verbinskis neuen Film „A Cure for Wellness“hätte auch ein idyllischer Heimatfilm werden können. Doch der horror-erfahrene USRegisseur versucht sich in seinem neuesten Leinwandabenteuer an einem Psychothriller der Marke „Shutter Island“. Dem Vergleich mit Martin Scorseses Film hält Verbinskis Regiearbeit allerdings nicht Stand. Trotz visueller Grandezza bleibt ein schaler Nachgeschmack.
Der junge Wall-Street-Banker Lockhart (Dane DeHaan) soll den Firmenchef Pembroke (Harry Groener) aus einer Erholungsklinik in den Schweizer Alpen zurück nach New York holen. Für eine Firmenfusion wird dessen Unterschrift gebraucht. Doch Pembroke will – oder darf? – nicht mehr von dort weg. Als Lockhart in einen Autounfall verwickelt wird, sitzt er ebenfalls im Sanatorium fest. Je länger sich der junge Mann dort aufhält, desto mehr zweifelt er daran, dass Direktor Heinrich Volmer (Jason Isaacs) das Wohl der Patienten im Sinn hat. Gequält von seltsamen Visionen kommt er dem Geheimnis des Alpenresorts auf die Spur. Dabei spielen das Mädchen Hannah (Mia Goth) und grausame Ereignisse aus vergangenen Jahrhunderten eine entscheidende Rolle.
Gore Verbinski, der mit den ersten drei „Fluch der Karibik“-Streifen zu Filmruhm gelangte, hat Erfahrung im Horrormetier: Mit „The Ring“brachte er 2002 eine verstörende Gruselgeschichte in die Kinos. Das Remake eines japanischen Horrorfilms war atmosphärisch extrem dicht. Dieses Talent setzt der 52-Jährige auch bei „A Cure for Wellness“sehr gekonnt ein. Wie schon bei „The Ring“ist es Kameramann Bojan Bazelli, der beeindruckende Bilder komponiert. Der Kontrast zwischen spiegelnden Wolkenkratzern in New York und imposanten Landschaftspanoramen in der Schweiz könnte nicht größer sein. Als Kulisse der deutsch-amerikanischen Produktion diente die Burg Hohenzollern. Aus Baden-Württemberg kommt auch der ein oder andere Spezialeffekt. Das unter anderem in Stuttgart beheimatete Unternehmen RiseFX steuerte digitale Leinwandtricks bei.
Leos unausgeschlafener Bruder
Wenn Lockhart nachts durch die sterilen Korridore des Sanatoriums geistert und dabei immer neuen Schrecken begegnet, ist das grundsätzlich erstmal spannend. Dane DeHaan („The Place beyond The Pines“) wirkt ein wenig wie der unausgeschlafene kleine Bruder von Leonardo DiCaprio, der in „Shutter Island“auf einen ähnlichen Trip ging. Auch hier verschwimmen die Grenzen zwischen Vision und Wahrheit, auch hier sind die Mächte des Wahnsinns am Werk.
Doch der Bilderrausch wirkt effekthascherisch, vieles bleibt Selbstzweck. Der Film kann sich nicht so richtig entscheiden, was er sein will. Schockmomente erzeugen Ekel, die Motive von Inzest und Pädophilie wirken arg kalkuliert. Zudem sind die Wendungen vorhersehbar.
Da wird der Unterschied zu Martin Scorsese klar. Was soll die Botschaft sein? Schweizer sprechen Dialekt? Finanzhaie sind böse? Dafür muss man nun keine zweieinhalb Stunden Kino auf sich nehmen.