Beschämendes Versagen
Die Flüchtlingsproblematik ist spätestens mit dem fast gleichzeitigen Auftauchen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und CDU-Herausforderer Guido Wolf in der Erstaufnahmestelle in Ellwangen sichtbar zum Wahlkampfthema geworden. Vorläufiger Tiefpunkt: Gegenseitige Schuldzuweisungen, wer wem den Ellwangen-Trip nachgemacht habe.
Das Thema Flüchtlinge ist zu wichtig, um es zu instrumentalisieren – zumal der Staat beim Umgang mit Asylbewerbern auf beschämende Weise versagt. Einem reichen Land, in dem das öffentliche Leben sehr gut funktioniert, ist es nicht möglich, den Zustrom von Flüchtlingen zu beherrschen. Politiker mögen überrascht sein, Behörden überlastet. Doch es ist kein Zustand, wenn in Deutschland Zeltstädte für Menschen aufgebaut werden – zumal Herbst und Winter nahen. Der Staat, der sonst am liebsten auch noch das Privatleben der Menschen regeln will, kriegt auf einmal nichts mehr geregelt.
Dabei ist die Stimmung in der Bevölkerung nicht so schlecht, wie oft dargestellt. Die allermeisten Deutschen finden es richtig, dass ihr Land Menschen in Not hilft. Der braune Mob vor Flüchtlingsheimen ist nicht die Mitte der Gesellschaft. Aber die Menschen erwarten auch, dass sie nicht hinters Licht geführt werden. Sie können schöngefärbte Aussagen über Belegungszahlen und Zeiträume für den Betrieb von Erstaufnahmeeinrichtungen, wie jüngst wieder in Weingarten, nicht mehr hören – vor allem nicht mit der Begründung, man müsse darauf achten, dass die Stimmung nicht kippe. Wenn etwas schief läuft, will die Politik dadurch implizit mitteilen, liegt es nicht an ihr, sondern an der fehlenden „Willkommenskultur“in der Bevölkerung. In der Realität nehmen derweil Tausende Flüchtlingshelfer ehrenamtlich dem Staat dessen Arbeit ab.
Die Menschen erwarten zu Recht, dass die Sache besser geregelt wird als bisher. Dazu gehört, Menschen ohne Anspruch auf Asyl, und das sind nach geltender Rechtslage nicht wenige, zügig abzuschieben. Die anderen müssen integriert werden. In Zeltstädten gelingt das nicht.