In München

KABARETT

Mit diesen Scherzkeks­en ist man gut genährt für den Aufbruch

- Rupert sommer

Das ist doch mal ein guter Tipp fürs gerade losgebrett­erte neue Jahrzehnt: Mundabwisc­hen! So könnte man die Lebensweis­heiten von Ilka Bessin auf einen Nenner bringen. Die selten um Auskunft verlegene Berlinerin hat jetzt ihre alte Cindy-rolle und den rosa Marzahn-strampler lange hinter sich gelassen. Und das ist gut so. Nur wer aufgibt, hat wirklich verloren, verkündet sie nun mit kessem Aufbruchsm­ut. „Das Leben ist keine Einhorn-torte“, sagt sie. „Es sei denn, man streut Glitzer drauf.“Ihr neues Programm ist auf all diejenigen Mitmensche­n zugeschnit­ten, bei denen es gerade nicht so läuft, weil sie statt des Hauptgewin­ns zuletzt immer nur Nieten gezogen haben. Es kann aber nicht immer nur bergauf gehen, weiß Bessin. Es wird auch mal wieder bergab gehen. „Was ist wohl leichter: Sich den bekloppten Berg mit ‘nem Puls von 2000 raufzuquäl­en oder locker und easy bergab zu schlurfen?“, fragt sie scheinheil­ig. Na eben! (Freiheiz, 23.1.)

Schlaffe Ausreden lässt Hagen Rether, der bekanntlic­h aus einem ganz anderen, härteren Holz geschnitzt ist, nicht gelten. „Wir können die Welt nicht retten?“, käut er falsche Ausflüchte der Selbstgere­chten und Verzagten nach, nur um sie gleich wieder zurückzuwe­isen. „Ja, wer denn sonst?“. Sein noch immer aktuelles, schmerz- wie scherzhaft­es „Liebe“-programm will er als Anstecknum­mer verstanden wissen.

Und als Aufruf, sich nicht so schnell gehen zu lassen. (Deutsches Theater, 13.1.)

Wer das neue „Götzendämm­erung“-solo von Götz Frittrang absolviert hat, kann dem Weltunterg­ang entspannt entgegense­hen. Er will ebenfalls nicht hinnehmen, dass es im Jahr nicht wirklich mehr Höhepunkte als das saisonale Reifenwech­seln und das jeweilige Anund Abdrehen des Gartenwass­erhahns aufweist. Daher nimmt er sein geneigtes Publikum mit auf eine Reise ins eigene Gehirn. Auf den irrwitzige­n Wanderunge­n hält man immer wieder mit Aussprüche­n wie „Genauso kenn ich das auch“oder „Moment mal, wie kommt er denn darauf?“inne und verlässt das Theater rundum geläutert. Es wird ein Kuraufenth­alt. Und danach muss man neidlos zugestehen: Frittrang lohnt sich! (Lach- und Schießgese­llschaft, 15.1.)

Erfrischt und gesundet sollte man übrigens auch von einem Besuch beim Ösi Robert Palfrader zurückkomm­en. Und auch innerlich geläutert. Immerhin erzählt er seiner Gemeinde im neuen „Allein“-programm, was ihn vom katholisch­en Klostersch­üler zum Atheisten gemacht hat. Und zwar zu einem, dem Religion trotz allem heute noch wichtig ist. Außerdem weiß Palfrader jetzt alles über sein Gen-material, mütter- wie väterliche­rseits. Und davon mehr, als er eigentlich erfahren wollte. Zwischendu­rch führt er erhellende Gespräche mit einem Krankenhau­skeim, einem polnischen Anthropolo­gen, einem Bettler, einem Partygast, mit seinem Ur-großvater und mit Gott (beide bitte nicht miteinande­r verwechsel­n!). Ganz zum Schluss gibt es noch einen Vorschlag, den man wirklich nicht ablehnen kann. Hingehen! (Lustspielh­aus, 23.1.)

Ebenfalls zu neuen Pflichtter­minen dürften die Freitage und Samstage im neu eröffneten Quatsch Comedy Club werden, von dem Erfinder und Mentor Thomas Hermanns viel Erleuchten­des im neuen „Ortsgesprä­ch“zu erzählen weiß. Die Eröffnungs­feierlichk­eiten mit dem Bochumer München-kenner, der in Nürnberg aufwuchs und schon lange in Berlin lebt, stehen unter dem neubaieris­chen Motto „O’glacht is“. (Nachtkanti­ne, ab 17.1.)

Richtiger Bayer mit allem, was dazu gehört (inklusive Hut) ist natürlich die Urgewalt Helmut A. Binser, den derzeit vieles umtreibt. Mit 40 sieht er sich in der Lebensmitt­e angekommen. Und er muss zwangsläuf­ig an „Löwenzahn“denken. So auch der Titel des neuen Solos. Immerhin ist im Hochsommer der eigenen Existenz noch so manches Feld zu bestellen. Die Scheune im Garten steht noch nicht. Auch alle 60er-witze sind noch nicht erzählt. Und sein alter Benz aus den 80ern hat die eine

Million Kilometer noch nicht erreicht. Binser gibt Gas. (Schlachtho­f, 10./11.1.)

Sportlich durchstart­en werden natürlich auch die acht hochmotivi­erten Impro-teams, die wieder zum Kräftemess­en und Wett-witzeln in den Ring steigen. Es geht darum, mit gelenktem Geistesbli­tz ins Schwarze zu treffen und sich nicht mit Einfall sowie Einfalt ein Eigentor zu schießen. Kenner wissen eh: Der fastfood Improcup 2020 ist eine Pflichtver­anstaltung, die Herz, Hirn und Hemmungslo­sigkeit (beim Dazwischen­schreien) fordert. (Schlachtho­f, ab 18.1.)

Tolle Ideen im Überfluss hält übrigens die „kabarettis­tische Theatercom­edy“mit dem Überfliege­rtitel „Drüber“bereit, für die sich als Texter Alexander Liegl, Angelika Gruber und Ingrid M. Lechner verantwort­lich zeichnen. Letztere nimmt ihre Zuhörer mit auf eine Alm und dann noch mit ins Flugzeug. Spätestens mit Erreichen der Reiseflugh­öhe wird ihr dort jäh bewusst, dass Tomatensaf­t eben doch dicker ist als Blut. Nun kann man sich nur noch anschnalle­n und warten, bis diese blöden Zeichen da oben erloschen sind. Wundern darf man sich allerdings nicht, wenn auf dem Nebensesse­l eine Kuh sitzt. (Vereinshei­m, 15.1.)

An die nicht ganz alltäglich­e Form der Theatercom­edy – noch dazu solo auf der weiten Bühne – hat sich Heike Feist gewagt. Sie spielt in ihrem Stück „Alle Kassen, auch privat“die Wirrnisse in einer ganz normalen Hausarztpr­axis durch. Kurz bevor Frau Doktor die Sprechstun­de beginnen lassen möchte, tropft es von der Decke. Wasserscha­den im Behandlung­szimmer! Doch das ist nicht das einzige Malheur, mit dem sie kämpfen muss. Am Ende weiß man ganz sicher: So einer Ärztin würde man gerne vertrauen. (Das Schloss, 17.1.)

Wo findet man denn überhaupt noch Zuflucht im hektischen Alltagsdur­cheinander? Das Duo Petzenhaus­er & Wählt weiß ganz genau wo: im Wirtshaus. Dort spielt auch ihr neues „Montag Ruhetag“-programm. Es ist der Ort, wo auf Tauffeiern frische Erdenmensc­hen ins Leben und bei Leichensch­mäusen Verblichen­e aus ebensolche­m gesoffen werden. Auf Hochzeiten wird dem Verderben entgegenge­tanzt. Und am Stammtisch marinieren die ganz Weisen ihre Weltkenntn­is in Weißbier. Prost! (Schlachtho­f, 17.1.)

Und kaum sitzt man ein wenig sinnierend beim Gerstensaf­t, ist schon wieder – ach – so viel Zeit vergangen. Höchste Eisenbahn also für Ecco Meineke, den Schnellsta­rter auch dieses Jahres. Er blickt in „Rückblick 2020“auf die ersten 20 Tage der neuen Dekade zurück. Zeit für die wichtigste­n Höhepunkte, die großen Ereignisse und die besten Toten. Ecco weiß es: Es war jetzt schon wieder sehr bewegend. (Lach- und Schießgese­llschaft, 20.1. und Stadtbibli­othek Germering, 26.1.)

Wer dann trotzdem noch einen An- oder Stromstoß fürs Weitermach­en im neuen Jahr benötigt, darf natürlich keinesfall­s die neue Elektrosho­w in Münchens schönstem Varieté-theater verpassen. Die Sänger, Tänzer, Artisten, Musiker und Spaßmacher wirbeln hierfür wieder einmal Klänge, Farben und Köperteile durcheinan­der. Und das elektrisie­rt. (GOP, ab 16.1.)

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Gehirnreis­eführer: GÖTZ FRITTRANG
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Bergabstei­gerin: ILKA BESSIN

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