„Es braucht noch viel für klimaneutrale Events“
Interview Das Staatstheater Augsburg hat ein Klimafestival veranstaltet. Kuratorin Nicola Bramkamp spricht über die Notwendigkeit, bei Theatersanierungen die Nachhaltigkeit mitzudenken. Dazu führt sie aus, welche Rolle die Kunst beim Klimaschutz spielen k
Frau Bramkamp, warum hat das Staatstheater Augsburg ein Klimafestival veranstaltet?
Nicola Bramkamp: Nachhaltigkeit und Klimaschutz gehören ja zu den größten Herausforderungen der Kreativität, vor denen die Gesellschaft je stand, da kann die Kunst eine entscheidende Rolle spielen. Die Idee hinter dem Klimafestival ist, dass wir die Akteurinnen und Akteure aus Augsburg, die sich im zivilgesellschaftlichen Engagement für Nachhaltigkeit einsetzen, wie das Klima-Camp und Greenpeace, verknüpfen mit Künstlerinnen und Künstlern, die sich inhaltlich und ästhetisch mit diesen Themen auseinandersetzen. Das Staatstheater hat diese Spielzeit tolle Produktionen zum Thema herausgebracht, etwa „Freitags vor der Zukunft“und „Das Ende der Schöpfung“. Beide Produktionen haben wir gezeigt. Dazu kamen Gastspiele aus dem deutschsprachigen Raum.
Was kann passieren, wenn sich Künstlerinnen und Künstler mit Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten kurzschließen?
Bramkamp: Man hat das bei der Premiere von Maja Göpel gut gesehen. Sie als Wissenschaftlerin hat sehr kluge Thesen zur Transformation der Gesellschaft vorgestellt. Dann kam mit der Musikerin Dota Kehr eine sinnliche, emotionale Ebene dazu. Die Augsburger Philharmoniker haben mitgespielt. Das Thema konnte vom Kopf in den Bauch rutschen. Am Schluss kam ein Chor von Bürgerinnen und Bürgern aus Augsburg, die die Bühne geflutet haben. Plötzlich hat der ganze Saal getanzt. Da konnte sich Gesellschaft als ein Wir begreifen; jeder brachte seine Expertise mit. Das kann so ein Festival erreichen.
Wie schaut es denn mit der Klimabilanz von Theatern aus, etwa mit der des Staatstheaters?
Bramkamp: Wir lassen das Festival klimabilanzieren.
Das Festival jetzt?
Bramkamp: Ja, genau. Das Staatstheater hat noch keine Klimafinanzierung gemacht, hat aber eine „Emas-Zertifizierung“, das heißt, es arbeitet nach nachhaltigen Standards. Die Klimabilanzierung des Festivals ist ein wichtiger Schritt, um abzuleiten, was man bei einem nächsten Klimafestival nachhaltiger gestalten muss. Wo liegen die großen Umweltsünden bei Veranstaltungen dieser Art?
Zum Beispiel bei der Anfahrt der Künstlerinnen und Künstler?
Bramkamp: Die sind ausschließlich mit der Bahn angereist.
Mussten Sie jemanden dazu überreden?
Bramkamp: Dank der digitalen Möglichkeiten haben wir da, wo Flüge nötig gewesen wären, die Leute live dazugeschaltet. Zum Bahnfahren überreden mussten wir nicht, alle waren dazu bereit.
Womit rechnen Sie bei der Klimabilanzierung? War das Festival klimaneutral?
Bramkamp: Klimaneutral war es auf gar keinen Fall. Ich glaube, dass wir noch viele Möglichkeiten finden müssen, um klimaneutrale Events zu schaffen. Wir versuchen, Müll zu vermeiden, wo es geht. Aber ich glaube, dass wir über Recycling oder das nachhaltigere Nutzen von Ressourcen noch einen großen Schritt nach vorne machen können.
Wie schaut es insgesamt mit dem Theaterbetrieb aus? Das war ja ein Treffen von vielen Häusern. Gibt es in Deutschland Bühnen, die ihre Klimabilanz kennen?
Bramkamp: Die Kulturstiftung des Bundes hat die Klimabilanz von 19 Kulturinstitutionen auf dem Festival vorgestellt. Das Deutsche Theater in Göttingen hat seine GemeinwohlBilanzierung vorgestellt. Da gibt es schon ein paar gute Beispiele.
Wo liegen für Theater die Schwierigkeiten?
Bramkamp: Es gibt zwei große Themen: die Mobilität, also immer dann, wenn man international arbeitet oder ein Orchester hat, das viel tourt. Das ist ein großer Treiber. Das zweite große Thema ist die betriebliche Nachhaltigkeit. Da geht es oft um denkmalgeschützte Häuser und die Frage nach Dämmung, Strom und Energie. Man sieht deutliche Unterschiede bei sanierten Theatern, bei denen Nachhaltigkeit mitgedacht worden ist. Es zahlt sich aus, wenn man nicht am falschen Ende spart.
Macht man das gerade auch in Augsburg bei der Sanierung?
Bramkamp: Das kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Ich bin als Gastkuratorin in der lokalen Debatte nicht tief genug verwurzelt. Aber Klimabilanzierungen zeigen, dass das total sinnvoll ist. Am Ende werden wir für das Kohlendioxid etwas bezahlen müssen. Jede Kommune, die das innovativ mitdenkt, wird am Ende Kosten sparen.
Gibt es schon ein klimaneutrales Theater in Deutschland?
Bramkamp: Nein, das gibt es noch nicht. Es gibt in London ein kleines Theater, das das versucht. Aber Klimaneutralität ist, wenn man sie nicht über Kompensation erreicht, noch nicht möglich. Aber es gibt viel positive Bewegung.
Theater achten darauf, dass der Kohlendioxid-Ausstoß weniger wird? Bramkamp: Wir haben noch keine Kreislaufwirtschaft etabliert. Solange das so ist, werden wir CO produzieren. Klimaneutralität erreicht man meistens durch Kompensation, durch Ausgleichszahlungen. Aber das würde ich jetzt als Faktor nicht gelten lassen.
Wie bringt man als Theater Klima auf die Bühne? Wie durchdringt man dieses Thema künstlerisch?
Bramkamp: Die Bandbreite ist riesengroß. Im Rahmen unseres Festivals haben wir eine finstere Apokalypse gezeigt. Wir haben von Maja Göpel die positive Seite beleuchtet bekommen. Wir haben aber auch mit dem Rhein-Ranger einen Performer, einen Künstler, der darüber erzählt, dass er jeden Tag Müll sammelt. Der Schauspieler Daniel Breitfelder, übrigens in Augsburg geboren, sammelt am Rhein Müll und ist ein total positives Beispiel. Die Bandbreite reicht von poetisch über provokant über verstörend bis zu didaktisch und assoziativ.
Der Klimawandel treibt nicht nur das Augsburger Staatstheater um? Bramkamp: 2014 haben wir die Initiative „Save the World“zu genau diesem Thema gegründet. Seither nimmt das immer weiter Fahrt auf.
Was wird in fünf oder zehn Jahren erreicht sein?
Bramkamp: Das konnten wir bei der Pandemie gut beobachten. In dem Moment, wo wir einen Impfstoff gegen Corona brauchten, haben wir ihn schnell erfunden. Dahinter stand jahrelange Wissenschaftsförderung. Beim Klima sehe ich das ähnlich. Wir müssen wahnsinnig viel in Bildung und in Wissenschaft und in Kunst investieren, damit wir die Gesellschaft mitnehmen bei diesem Prozess. Es wird viel Innovation geben. Wir alle wissen, dass es stattfinden muss, jetzt. Die Krisen zeigen das. Da ist viel Handlungsbedarf; aber es wird auch viel entstehen, wir müssen nicht so viel Angst davor haben. Interview: Richard Mayr
Nicola Bramkamp, 43, stammt aus Osnabrück.
Sie ist künstlerische Leiterin der Initiative „Save The World“.