Er schenkte diesem Jungen ein neues Leben
Schicksal Mit einer Knochenmarkspende rettete Stefan Koppold einen Teenager aus England. Nun trafen sich die beiden.
Kühbach/London Als Stefan Koppold erfuhr, dass seine Hilfe als Knochenmarkspender gebraucht wird, musste er sich erst einmal sammeln. Unmittelbar zuvor hatte seine Frau Melanie ihm erzählt, dass das dritte Kind unterwegs war. Der 41-jährige Kühbacher (Kreis Aichach-Friedberg) lacht und sagt: „Ich bin mit der Situation völlig überfordert gewesen.“Die Freude darüber, dass seine Familie bald ein Mitglied mehr haben würde, mischte sich mit der Erkenntnis, dass er für einen Menschen irgendwo auf der Welt die letzte Hoffnung war. Dass es um den 14-jährigen Jim Wood aus England ging, wusste er damals vor vier Jahren noch nicht. Ebenso wenig, dass der Teenager mit seinem Leben abgeschlossen hatte und seine Beerdigung plante.
Seit Jim fünf Jahre alt war, litt er an einer seltenen Autoimmunerkrankung. Sie bereitete ihm unerträgliche Schmerzen. Er hatte Geschwüre und Wunden am ganzen Körper. Kein einziges Schuljahr verbrachte er komplett im Unterricht. Wenn seine Freunde draußen spielten, musste er zu Hause bleiben. Die Schmerzen wären sonst noch schlimmer geworden. Irgendwann konnte und wollte Jim nicht mehr. Die Knochenmarktransplantation war der letzte verzweifelte Versuch der Ärztinnen und Ärzte, sein Leben zu retten.
Zwei Jahrzehnte zuvor hatte sich Koppold als potenzieller Stammzellenspender bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) registrieren lassen, nachdem ein Arbeitskollege an Leukämie erkrankt war. Für den Kollegen war der Fertigungsplaner für Bauteile für Flugzeugturbinen nicht der passende Spender. Für Jim schon. Dass es mit einer Stammzellenspende per Blutabnahme in diesem Fall nicht getan sein würde, sondern dass unter Vollnarkose Knochenmark aus dem
Stefan Koppold und Jim Wood trafen sich in London.
Beckenkamm entnommen werden musste, schreckte Koppold nicht. Der frühere Fußballtrainer hatte infolge von Sportverletzungen mehrere Operationen hinter sich. Auf eine mehr kam es ihm nicht an.
In den Monaten nach der Transplantation im Oktober 2018 ging es Jim weiter schlecht. Erst allmählich erholte er sich. Im Juni wird er volljährig. Er geht zur Schule, macht seinen Führerschein und verdient sich beim Kellnern Geld dazu.
Sobald die vorgeschriebene Zweijahresfrist um war, nahm Jims Mutter Kontakt mit Koppold auf – unendlich dankbar und erleichtert. Erst da sei ihm vollends bewusst geworden, was seine Knochenmarkspende sowie die Hilfe der Ärzte und der DKMS für Jim und seine Familie bedeutet hatten: ein neues Leben. Weil er und Jim hoffen, dass möglichst viele Menschen sich als
Stammzellenspender registrieren lassen, erzählt Koppold ihre gemeinsame Geschichte.
Die Corona-Pandemie machte ein erstes Treffen lange unmöglich. Bis vergangene Woche, als ihre Begegnung emotionaler Höhepunkt der „Big Love“-Gala der DKMS in London war. Der Kühbacher weiß nicht mehr so genau, was auf der Bühne geschah. „Ich war komplett neben der Spur“, sagt er und lacht wieder. „Ich hatte Jim im Arm und er hat mich mit Riesenaugen angestrahlt. Das war total schön.“Die beiden Familien verbrachten mehrere Tage in London, um sich kennenzulernen. Gegenseitige Besuche sind bereits verabredet. Mit den Woods aus England hat die Familie Koppold aus Kühbach noch einmal Zuwachs bekommen. Stefan Koppold sagt: „Aus zwei Familien ist eine Familie geworden.“