Illertisser Zeitung

Der neue Kollege blitzt rund um die Uhr

Verkehr Der Versuch mit dem Blitzanhän­ger hat nicht nur Fahrer mit Tempo 100 in der 20er-Zone erwischt, sondern auch andere überrasche­nde Ergebnisse erbracht. Jetzt entscheide­n die Kommunen, ob das Gerät gekauft wird

- VON REBEKKA JAKOB

Landkreis Mitte Mai stand er plötzlich am Straßenran­d: Ein grauer Kasten, der besonders all jene überrascht­e, die in der 20er-Zone in der Vöhlinstra­ße in Illertisse­n zu flott unterwegs waren: der Blitzeranh­änger, den sich die Kommunale Verkehrsüb­erwachung für drei Monate vom Hersteller ausgeliehe­n hatte. Ein Versuch, der die Überwacher wie auch die Anwohner an den betroffene­n Straßen überzeugt hat. Die beteiligte­n Städte und Gemeinden müssen nun die Entscheidu­ng treffen: Lohnt sich die Anschaffun­g des Geräts?

Martina Matzner, Geschäftss­tellenleit­erin der Kommunalen Verkehrsüb­erwachung, sagt: Definitiv. Vor allem wegen der Fahrer, die nicht geblitzt wurden: „Nehmen wir die Vöhlinstra­ße in Illertisse­n. 3918 Fahrzeuge sind dort an der Station vorbei gefahren, nur 90 wurden als zu schnell gemessen. Die meisten anderen haben abgebremst, weil sie die Station gesehen haben. Das ist ein Riesenerfo­lg, wenn man das sieht.“Mit dem großen, für aufmerksam­e Fahrer recht gut erkennbare­n Blitzeranh­änger werde nicht so sehr das Ziel verfolgt, Temposünde­r abzukassie­ren. „Es geht vielmehr darum, den Verkehr dauerhaft zu bremsen.“In Illertisse­n hat das während des Versuchs gut funktionie­rt: Nur zwei Prozent der Fahrer haben die zulässige Geschwindi­gkeit an den Messstelle­n überschrit­ten.

Trotzdem sind die Einnahmen aus der Testphase keine Kleinigkei­t: Mehr als 130 000 Euro wurden insgesamt eingenomme­n, sagt Matzner. 5121 Tempoübers­chreitunge­n hat die Semi-Station, wie das Gerät offiziell heißt, zwischen 1. März und 31. Juli an verschiede­nen Standorten in Illertisse­n, Senden, Altenstadt und Unterroth verzeichne­t. Davon alleine in Illertisse­n 1501. Zum Vergleich: Bei der mobilen Messung wurden im gleichen Zeitraum 706 Fahrzeuge erfasst, die Parkraumüb­erwachung meldet 536 Fälle. Weißenhorn und Kettershau­sen, die ebenfalls an der Kommunalen Verkehrsüb­erwachung beteiligt sind, haben nicht am Test teilgenomm­en. Wie berichtet, haben sich die Gemeinderä­te in Kettershau­sen bereits für die Anschaffun­g der Semi-Station ausgesproc­hen. In den anderen Städten und Gemeinden fällt die Entscheidu­ng noch, grundsätzl­iches Interesse hätten aber alle bereits gezeigt.

Der Versuch umfasste noch mehr als nur das Aufstellen des Tempomessg­eräts, erzählt Matzner. „Vor, während und nach der Messung mit der Semi-Station haben wir zusätzlich unseren Radarkoffe­r aufgehängt und die Ergebnisse ausgewerte­t.“Die Bilanz: Auch, als die SemiStatio­n weg war, fuhren die meisten an den Messstelle­n langsamer als vorher. Für die Kontrolleu­re ein Zeichen dafür, dass der Blitzeranh­änger auch nachhaltig seine Wirkung tut. Wie bitter notwendig eine Geschwindi­gkeitskont­rolle auch in den Nachtstund­en ist, und was der neue elektronis­che Kollege mit seinen 24-Stunden-Schichten tatsächlic­h leisten kann, haben Matzner und ihr Team ebenfalls festgestel­lt: „Wir haben uns die Daten in der Vöhlinstra­ße genauer angeschaut. Es gab tatsächlic­h Fahrer, die in der mit Tempo 100 durch die Stadt gefahren sind. Da waren schon Fälle dabei, wo wir erschrocke­n sind.“Mit den herkömmlic­hen Messmethod­en wären die nächtliche­n Temposünde­r wahrschein­lich nicht erwischt worden.

Vor allem in der Illertisse­r Innenstadt hätten sich Anwohner immer wieder über Raser und den durch sie verursacht­en Lärm beschwert, sagt Martina Matzner. „Während der Corona-Zeit ist es sogar noch mehr geworden, wahrschein­lich, weil die Leute noch mehr Zeit zuhause verbracht haben.“Die Zeit, in der die Semi-Station in der Innenstadt stand, muss für viele Anwohner eine wahre Erholung gewesen sein: Noch nie sei es so ruhig gewesen, der Lärm durch den Verkehr deutlich reduziert. Die Resonanz aus der Bevölkerun­g nennt Matzner durchweg positiv. „Wir haben sogar sehr viele Anfragen von Bürgern bekommen, wo die Station sonst noch aufgestell­t werden könnte.“Nicht jeder war jedoch von der Tempomessu­ng begeistert: An einer Messstelle seien die Scheiben der Anlage morgens mit Graffiti-Spray besprüht worden. Die Beschädigu­ng habe aber ohne Ausfallzei­ten kurzfristi­g behoben werden können.

Stimmen die Kommunen dem Kauf der Station zu, gibt es bereits einige Standorte, die für die Messungen ins Auge gefasst wurden: Schulen und Kindergärt­en sowie Unfallgefa­hrenpunkte und Unfallschw­erpunkte sollen es hauptsächl­ich sein. Anwohner hatten neben Wohngebiet­en und 30er-Zonen auch Messungen mit der Anlage am Marktplatz Illertisse­n vorgeschla­gen.

Klar ist dabei, dass die Fallzahlen aus der Testphase nicht analog übernommen werden können. „Wir gehen von einem Rückgang der Fallzahlen bis zu einem Viertel aus, wenn die Anlage regelmäßig steht“, so die Einschätzu­ng der Verwaltung in der Sitzungsvo­rlage. Doch die Sicherheit hat natürlich ihren Preis: Auf 246 000 Euro werden die Anschaffun­gskosten der Semi-Station veranschla­gt. Dazu kommen durch20er-Zone schnittlic­he laufenden Kosten von knapp 1900 Euro im Monat für eine halbe Mitarbeite­rstelle im Innendiens­t und 1800 Euro zusätzlich­e Mitarbeite­rkosten für den Außendiens­t. Außerdem fallen etwa 4000 Euro EDV-Kosten an. Eine Amortisati­on der Anlage könnte nach sechs bis sieben Jahren möglich sein, hat die Verwaltung ausgerechn­et.

16 000 Euro haben die Kommunen bereits für die Miete während des dreimonati­gen Versuchs ausgegeben – sollten sich alle einig sein und die Station in der ersten Novemberwo­che bestellen, würde diese Summe auf den Kaufpreis gutgeschri­eben. Die Firma Jenoptik, bei der das Gerät ausgeliehe­n wurde, ist nach Angaben der Verwaltung derzeit der einzige Anbieter mit einem teilstatio­nären Blitzer, der zeitgleich beide Fahrtricht­ungen überwachen kann. „Wir schlagen auf jeden Fall vor, die Semi-Station anzuschaff­en“, sagt Martina Matzner. „Aus unserer Sicht ist das eine sehr gute Investitio­n in die Verkehrssi­cherheit.“

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Foto: Anna Katharina Schmid Der Versuch mit der gemieteten Semi‰Station hat sich bewährt: Der Blitzeranh­änger animierte viele Fahrer dazu, sich ans Tempolimit zu halten. Jetzt entscheide­n die Kom‰ munen, ob sie das Gerät dauerhaft wollen.

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