Der neue Kollege blitzt rund um die Uhr
Verkehr Der Versuch mit dem Blitzanhänger hat nicht nur Fahrer mit Tempo 100 in der 20er-Zone erwischt, sondern auch andere überraschende Ergebnisse erbracht. Jetzt entscheiden die Kommunen, ob das Gerät gekauft wird
Landkreis Mitte Mai stand er plötzlich am Straßenrand: Ein grauer Kasten, der besonders all jene überraschte, die in der 20er-Zone in der Vöhlinstraße in Illertissen zu flott unterwegs waren: der Blitzeranhänger, den sich die Kommunale Verkehrsüberwachung für drei Monate vom Hersteller ausgeliehen hatte. Ein Versuch, der die Überwacher wie auch die Anwohner an den betroffenen Straßen überzeugt hat. Die beteiligten Städte und Gemeinden müssen nun die Entscheidung treffen: Lohnt sich die Anschaffung des Geräts?
Martina Matzner, Geschäftsstellenleiterin der Kommunalen Verkehrsüberwachung, sagt: Definitiv. Vor allem wegen der Fahrer, die nicht geblitzt wurden: „Nehmen wir die Vöhlinstraße in Illertissen. 3918 Fahrzeuge sind dort an der Station vorbei gefahren, nur 90 wurden als zu schnell gemessen. Die meisten anderen haben abgebremst, weil sie die Station gesehen haben. Das ist ein Riesenerfolg, wenn man das sieht.“Mit dem großen, für aufmerksame Fahrer recht gut erkennbaren Blitzeranhänger werde nicht so sehr das Ziel verfolgt, Temposünder abzukassieren. „Es geht vielmehr darum, den Verkehr dauerhaft zu bremsen.“In Illertissen hat das während des Versuchs gut funktioniert: Nur zwei Prozent der Fahrer haben die zulässige Geschwindigkeit an den Messstellen überschritten.
Trotzdem sind die Einnahmen aus der Testphase keine Kleinigkeit: Mehr als 130 000 Euro wurden insgesamt eingenommen, sagt Matzner. 5121 Tempoüberschreitungen hat die Semi-Station, wie das Gerät offiziell heißt, zwischen 1. März und 31. Juli an verschiedenen Standorten in Illertissen, Senden, Altenstadt und Unterroth verzeichnet. Davon alleine in Illertissen 1501. Zum Vergleich: Bei der mobilen Messung wurden im gleichen Zeitraum 706 Fahrzeuge erfasst, die Parkraumüberwachung meldet 536 Fälle. Weißenhorn und Kettershausen, die ebenfalls an der Kommunalen Verkehrsüberwachung beteiligt sind, haben nicht am Test teilgenommen. Wie berichtet, haben sich die Gemeinderäte in Kettershausen bereits für die Anschaffung der Semi-Station ausgesprochen. In den anderen Städten und Gemeinden fällt die Entscheidung noch, grundsätzliches Interesse hätten aber alle bereits gezeigt.
Der Versuch umfasste noch mehr als nur das Aufstellen des Tempomessgeräts, erzählt Matzner. „Vor, während und nach der Messung mit der Semi-Station haben wir zusätzlich unseren Radarkoffer aufgehängt und die Ergebnisse ausgewertet.“Die Bilanz: Auch, als die SemiStation weg war, fuhren die meisten an den Messstellen langsamer als vorher. Für die Kontrolleure ein Zeichen dafür, dass der Blitzeranhänger auch nachhaltig seine Wirkung tut. Wie bitter notwendig eine Geschwindigkeitskontrolle auch in den Nachtstunden ist, und was der neue elektronische Kollege mit seinen 24-Stunden-Schichten tatsächlich leisten kann, haben Matzner und ihr Team ebenfalls festgestellt: „Wir haben uns die Daten in der Vöhlinstraße genauer angeschaut. Es gab tatsächlich Fahrer, die in der mit Tempo 100 durch die Stadt gefahren sind. Da waren schon Fälle dabei, wo wir erschrocken sind.“Mit den herkömmlichen Messmethoden wären die nächtlichen Temposünder wahrscheinlich nicht erwischt worden.
Vor allem in der Illertisser Innenstadt hätten sich Anwohner immer wieder über Raser und den durch sie verursachten Lärm beschwert, sagt Martina Matzner. „Während der Corona-Zeit ist es sogar noch mehr geworden, wahrscheinlich, weil die Leute noch mehr Zeit zuhause verbracht haben.“Die Zeit, in der die Semi-Station in der Innenstadt stand, muss für viele Anwohner eine wahre Erholung gewesen sein: Noch nie sei es so ruhig gewesen, der Lärm durch den Verkehr deutlich reduziert. Die Resonanz aus der Bevölkerung nennt Matzner durchweg positiv. „Wir haben sogar sehr viele Anfragen von Bürgern bekommen, wo die Station sonst noch aufgestellt werden könnte.“Nicht jeder war jedoch von der Tempomessung begeistert: An einer Messstelle seien die Scheiben der Anlage morgens mit Graffiti-Spray besprüht worden. Die Beschädigung habe aber ohne Ausfallzeiten kurzfristig behoben werden können.
Stimmen die Kommunen dem Kauf der Station zu, gibt es bereits einige Standorte, die für die Messungen ins Auge gefasst wurden: Schulen und Kindergärten sowie Unfallgefahrenpunkte und Unfallschwerpunkte sollen es hauptsächlich sein. Anwohner hatten neben Wohngebieten und 30er-Zonen auch Messungen mit der Anlage am Marktplatz Illertissen vorgeschlagen.
Klar ist dabei, dass die Fallzahlen aus der Testphase nicht analog übernommen werden können. „Wir gehen von einem Rückgang der Fallzahlen bis zu einem Viertel aus, wenn die Anlage regelmäßig steht“, so die Einschätzung der Verwaltung in der Sitzungsvorlage. Doch die Sicherheit hat natürlich ihren Preis: Auf 246 000 Euro werden die Anschaffungskosten der Semi-Station veranschlagt. Dazu kommen durch20er-Zone schnittliche laufenden Kosten von knapp 1900 Euro im Monat für eine halbe Mitarbeiterstelle im Innendienst und 1800 Euro zusätzliche Mitarbeiterkosten für den Außendienst. Außerdem fallen etwa 4000 Euro EDV-Kosten an. Eine Amortisation der Anlage könnte nach sechs bis sieben Jahren möglich sein, hat die Verwaltung ausgerechnet.
16 000 Euro haben die Kommunen bereits für die Miete während des dreimonatigen Versuchs ausgegeben – sollten sich alle einig sein und die Station in der ersten Novemberwoche bestellen, würde diese Summe auf den Kaufpreis gutgeschrieben. Die Firma Jenoptik, bei der das Gerät ausgeliehen wurde, ist nach Angaben der Verwaltung derzeit der einzige Anbieter mit einem teilstationären Blitzer, der zeitgleich beide Fahrtrichtungen überwachen kann. „Wir schlagen auf jeden Fall vor, die Semi-Station anzuschaffen“, sagt Martina Matzner. „Aus unserer Sicht ist das eine sehr gute Investition in die Verkehrssicherheit.“