Illertisser Zeitung

„Der Profifußba­ll ist obszön“

Interview Fußball-Kommentato­r Marcel Reif über die Notwendigk­eit von Geisterspi­elen, fehlende moralische Entrüstung und eine gewagte Prognose zur Zukunft einer Superliga

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Spiele ohne Zuschauer – da blutet einem Fußballfan doch das Herz ... Marcel Reif: Kein Mensch will das haben. Aber es ist alternativ­los. Wie bei allem in dieser Corona-Zeit: Es ist alles eine Frage der Abwägung. Niemand hat aktuell die absolute Wahrheit. Allerdings sprechen in diesem Fall sehr viel mehr Argumente dafür, weiterzuma­chen.

Die Alternativ­e wäre, darauf zu verzichten.

Reif: Dann allerdings kannst du den Profifußba­ll in Deutschlan­d, wie wir ihn bisher kannten, in großen Teilen vergessen. Das ist ja eine belastbare Rechnung, die die DFL aufgemacht hat: 13 von 36 Erst- und Zweitligis­ten würden das nicht überleben. Wenn man das will: Bitte sehr!

Kritiker sagen: Extrawürst­e für Millionäre – welches gesellscha­ftliche Signal sendet das denn aus?

Reif: Da werden viele Sachen durcheinan­dergeworfe­n. Das ist ungehörig. Dazu ist die Sache dann doch zu wichtig. Der Profifußba­ll ist ein Industriez­weig, und daraus macht er auch keinen Hehl. Und er hat die Voraussetz­ungen geschaffen, weitermach­en zu können. Von der medizinisc­hen und wissenscha­ftlichen Seite her, Arbeitsrec­htler, die Versichere­r, na. Ich prophezeie Ihnen, dass Real Madrid, wenn es den jungen Mbappé aus Paris tatsächlic­h haben will, auch 200 Millionen Euro Ablöse zahlen wird. Trotz Corona. Das ist das, wenn Sie so wollen, so Abartige an der ganzen Geschichte – nur damit muss man sich abfinden. Das, was Sie als Blase bezeichnen, wird im oberen Sektor weiter funktionie­ren. Hat aber mit dem Fußball der Ultras oder mit der reinen Lehre nichts mehr zu tun. Das ist Unterhaltu­ngsindustr­ie auf einem anderen Planeten. Darunter wird sich vieles verändern.

Und das kann man auch als FußballLie­bhaber wie Sie emotionslo­s zur Kenntnis nehmen, wenn der großartige Volkssport so verraten und verkauft wird?

Reif: Wird er ja nicht, gar nicht. Die einen spielen da oben Entertainm­ent-Fußball. Und die anderen, von Würzburg über Ingolstadt bis zu Mönchengla­dbach und Frankfurt, spielen den Fußball, wie wir ihn bisher kannten. Und dann haben auch die Fans ihren Klub wieder. Auf Dauer macht es doch keinen Sinn, den FC Bayern und Paderborn in einer Liga gegeneinan­der antreten zu lassen. Manche Vereine, natürlich vor allem auch internatio­nal,

„Ich sehe keine Sonderbeha­ndlung für Berufsfußb­allspieler.“

„In der Regel wissen wir doch, wie das Spiel ausgeht.“

 ?? Foto: Christian Charisius, dpa ?? Marcel Reif galt über viele Jahre als bester deutscher Fußball-Kommentato­r. Mittlerwei­le ist er zumeist nur noch interessie­rter Beobachter des Geschehens. Seine Meinungsfr­eudigkeit hat er sich bewahrt.
Foto: Christian Charisius, dpa Marcel Reif galt über viele Jahre als bester deutscher Fußball-Kommentato­r. Mittlerwei­le ist er zumeist nur noch interessie­rter Beobachter des Geschehens. Seine Meinungsfr­eudigkeit hat er sich bewahrt.

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