Zuwanderung: Deutsche bleiben entspannt
Eine Umfrage belegt, dass die Stimmung weit weniger vergiftet ist, als es die öffentliche Debatte nahelegt. Welche Befürchtungen es trotzdem gibt
Allen Diskussionen über Migration und Flüchtlinge zum Trotz haben die Menschen in Deutschland ein überwiegend positives Bild vom Zusammenleben mit Zuwanderern. Nach einer aktuellen Studie des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration gilt dies insbesondere für jene, die kulturelle Vielfalt im Alltag erleben. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), sprach von einem „guten Zeichen“. Linke und Grüne werteten die Studienergebnisse als Niederlage für konservative und rechte Politiker.
Insgesamt ist das Integrationsklima der Studie zufolge stabil: „Die Alltagserfahrungen sind deutlich besser, als der Diskurs erwarten lässt.“Die Ergebnisse des „Integrationsbarometers“, die auf den meist ganz unspektakulären Alltagserfahrungen beruhten, setzten insgesamt „einen Kontrapunkt zum medialen Diskurs, der oft eher die natürlich auch vorhandenen negativen Erfahrungen oder Fälle in den Mittelpunkt rückt“.
Die Befragten sollten das Integrationsklima auf einer Skala von null (sehr negativ) bis 100 (sehr positiv) einschätzen. Deutsche ohne Migrationshintergrund beurteilten das Klima eher positiv (63,8). Im Vergleich zu der Befragung von 2015 hat sich die Stimmung nur leicht eingetrübt (65,4). Ähnlich sieht es bei den hierzulande lebenden EUAusländern aus. Ihr Wert sank von 71,4 auf 68,9. Aussiedler und Menschen mit türkischen Wurzeln haben dagegen sogar eine leichte Verbesserung wahrgenommen. Dass der Anteil der Integrationsskeptiker im Osten deutlich höher ist als im Westen, lässt sich laut Untersuchung teilweise, wenn auch nicht vollständig dadurch erklären, dass die Menschen auf dem Gebiet der Ex-DDR im Schnitt weniger direkten Kontakt zu Migranten haben. „Am besten können etwaige wechselseitige Vorbehalte in der persönlichen Begegnung abgebaut werden“, heißt es in der Untersuchung.
Etwa sieben von zehn Menschen in Deutschland glauben nicht, dass die Kriminalität durch die Zuwanderung der vergangenen Jahrzehnte
Deutschland ist ein Land am Rande des Nervenzusammenbruchs. Dieser Eindruck entsteht zumindest, wenn man Politikern in Talkshows zuhört, wenn man die Kommentare in vielen Zeitungen liest oder sich in sozialen Netzwerken wie Twitter informiert. Selten war die Aufregung größer und die Bereitschaft, anderen überhaupt noch zuzuhören, kleiner. Und fast immer geht es in den Diskussionen um Flüchtlinge, um Migration und Integration. gestiegen sei. Anders sieht es aus, wenn ausschließlich nach Flüchtlingen gefragt wird. 17 Prozent der Deutschen ohne Migrationshintergrund stimmen dem Satz „Die aufgenommenen Flüchtlinge erhöhen die Kriminalität in Deutschland“voll und ganz zu. 30,8 Prozent stimmen eher zu. Rund 36 Prozent halten die Aussage für eher falsch. Rund 16 Prozent stimmen gar nicht zu. Die größtenteils schon lange in Deutschland lebenden türkischen Migranten sehen dies übrigens ganz ähnlich. Die integrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Gökay Akbulut, erklärte, „konservative und rechte Politiker“versuchten, den Menschen beim Thema Migration Angst einzuflößen. „Das Integrationsbarometer zeigt: Die Bevölkerung fällt auf diesen Trick nicht herein.“Auch die integrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Filiz Polat, erklärte, der „Abschottungswahn und Asyltourismus-Populismus der CSU“habe wenig mit der Stimmung im Land zu tun. Die Mehrheit der Menschen lasse sich nicht anstecken.
Für das aktuelle Integrationsbarometer wurden zwischen Juli vergangenen Jahres und Januar 2018 insgesamt 9298 Personen bundesweit über Festnetz und Mobiltelefone befragt.