So war die Mode im Dritten Reich
Die Nazis hatten zwar ihre Vorstellungen, wie die Garderobe auszusehen hat. Aber es gab keinen uniformen Trend. Das Textilmuseum in Augsburg erzählt die Geschichte der Kleidung zwischen 1933 und 1945
Eine Lederhose war nicht weiter anrüchig, das war in Ordnung. Dirndl sowieso, die deutsche Frau sollte schließlich aller Welt zeigen, wie sportlich und traininert sie war. Die klassischen Trachten waren den Nationalsozialisten allerdings verdächtig, die passten nicht zur Ideologie. Die Trachten transportierten alte Werte und ein anderes Menschenbild. Und wer auf englischen Dandy machte, einen schicken Dreiteiler mit weiter Anzughose trug, also so aussah, als ob er heimlich zur verbotenen Swingmusik tanze, war verdächtig. Ein solcher Herr distanzierte sich öffentlich mit seiner Kleidung von den Nationalsozialisten und ihrer Ideologie. Man konnte aber auch viel subtiler zeigen, dass man sich nicht mit Haut und Haaren der überall in Reih und Glied durch Städte und Dörfer marschierenden Diktatur ergeben hatte. Dafür langte es, die Kniesocken nicht stramm nach oben zu ziehen, sondern lässig herabgerutscht zur Lederhose zu tragen.
Mit Hilfe der Kleidung erzählt das Augsburger Textil- und Industriemuseum in einer großen Sonderausstellung eine Alltagsgeschichte des Dritten Reichs, die den Titel „Glanz und Grauen“trägt. Die Grundidee der Ausstellung, viele Exponate und die Erforschung der Sachverhalte stammt vom rheinischen LVR-Industriemuseum. Das Augsburger Museum hat die Präsentation durch historische Aufnahmen aus den 1930er und 1940er Jahren regionalisiert sowie viele eigene Mode-Exponate beigesteuert. Dass die Ausstellung für das Museum keine alltägliche Angelegenheit ist, zeigt schon der Umstand, das erstmals ein vollständiges Fotografieverbot herrscht. „Wir zeigen verfassungsfeindliche Symbole, das darf in keinen falschen Zusammenhang kommen“, erklärt Museumsleiter Karl Borromäus Murr.
Das Museum betreibt mit der Ausstellung keine Verherrlichung des Dritten Reichs, sondern Aufklärungsarbeit. Die Kleidungsstücke geben einen Eindruck davon, was die Menschen damals auf der Straße getragen haben. Das war vielschichtiger, als man gemeinhin denkt. Auch wenn sich Behörden und Nazi-Größen immer wieder über „artgerechte“Mode äußerten, eine einheitliche ideologiekonforme Zivilkleidung gab es nicht. Die Mode der 30er Jahre in Nazi-Deutschland entsprach weitgehend den Trends, die sich auch in anderen europäischen Ländern wiederfinden. Deutschland war nicht abgeschnitten von diesen Entwicklungen. Frauenkleider wurden wieder auf Taille geschnitten, im Gegensatz zu den Kleidern der 20er Jahre. Die Körper wurden dadurch betont. Dass sich auch in der Zivilkleidung Anleihen von Unifor- men finden, hat es nicht nur im Deutschen Reich, sondern zum Beispiel auch in Frankreich geben.
Was sich durch die Herrschaft der Nationalsozialisten immer weiter verschlechterte, war die Zufuhr der primären Rohstoffe für Kleidung. Museumsleiter Murr erklärt, dass die Nazis die Importquoten für Baumwolle reduzierten, um die Devisen stattdessen für wichtige Rüstungsgüter zu verwenden. Sparsamkeit im Umgang mit den Stoffen, die dann zum Beispiel zu immer kürzeren, nicht so weit ausgestellten Röcken führten, propagierten die Nazis als oberste modische Pflicht.
Die Textilindustrie, unter anderem stark im schwäbischen Raum vertreten, hat unter den Import-Beschränkungen von Anfang an gelitten. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs verschlechterte sich die Versorgungssituation mit Rohstoffen dann nochmals dramatisch. Die Bevölkerung bekam nur noch über spezielle Karten neue Kleidung, jeder durfte nur noch einen Wintermantel besitzen. Als Ersatz für die Baumwolle sollten Kunstfasern dienen. Die Viskose-Stoffe der 30er und 40er Jahre waren qualitativ aber minderwertig. Die Mäntel wärmten kaum, das Material fühlte sich steif und künstlich an.
Die menschenverachtende und rassistische Ideologie der Nationalsozialisten fand auch über die Kleidung einen Weg in den Alltag. Die jüdische Bevölkerung wurde dazu gezwungen, gelbe Sterne zu tragen. Zu sehen ist auch ein paar neuer Schuhe der Firma Salamander aus der Zeit. Auf den ersten Blick sieht man ihm nicht an, dass für das Schuhwerk Menschen im Konzentrationslager
Was in jener Zeit getragen wurde, war vielschichtiger, als man gemeinhin denkt Schön aussehen sollte es, der Stoffverbrauch aber sollte möglichst gering sein
Sachsenhausen auf der Schuhprüfstrecke zu Tode gequält wurden. Fast alle großen Schuhhersteller im Deutschen Reich beteiligten sich an diesen Versuchen, die für die Gefangenen meist einem Todesurteil gleichkamen.
Dass für die Bonzen des Systems andere Regeln als für den Rest der Bevölkerung galten, zeigt ein Raum voller Luxuskleidung, für die im Vergleich zur Alltagsgarderobe geradezu verschwenderisch mit dem Material umgegangen wurde. Auf die Straße durften die Oberen mit dieser Kleidung allerdings nicht. Das hätte für Unmut gesorgt. Den gab es zum Beispiel auch, wenn in Filmen die Schauspieler und vor allem die Schauspielerinnen über Gebühr ausstaffiert wurden. Auch die deutsche Filmindustrie war deshalb sehr schnell angehalten, zwar schöne Kleidung herzustellen, aber bitte mit möglichst geringem Stoffverbrauch.
Mit dem Mangel waren die Menschen nach dem Krieg immer noch konfrontiert. Die Schau schließt damit, wie Kleidungsstücke und Stoffe von nationalsozialistischen Symbolen befreit wurden, um weiterverwendet werden zu können.
Bis 22. Oktober im Textil und Industriemuseum Augsburg. Geöffnet Dienstag bis Sonntag von 9 bis 18 Uhr.