Münchner „Tatort“mit vielen Patzern
Nicht nur bei den Ermittlungen der Kommissare Batic und Leitmayr lief am Sonntagabend einiges schief. Die echte Münchner Polizei entlarvt noch weitere Fehler
Für manche Mitarbeiter der Münchner Polizei war es am Sonntag kein ruhiger „Tatort“-Abend auf dem Sofa. Das Presseteam des Polizeipräsidiums kommentierte die neue Münchner Folge in Echtzeit auf Twitter – und entlarvte dabei manchen Patzer, der in der tatsächlichen Polizeiarbeit niemals vorkommen dürfte.
Die Folge „Der Tod ist unser ganzes Leben“war die Fortsetzung einer Episode vom Oktober 2016 („Die Wahrheit“) über einen Zufallsmord an einem Familienvater. Die Kommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) gaben damals die Suche nach dem Mörder frustriert auf. Das steigerte die Erwartung auf die Fortsetzung, die am Sonntagabend mit 7,27 Zuschauern wieder einmal den Quotensieg für die holte. Die Festnahme des damaligen Mörders Thomas Barthold (Gerhard Liebmann) steht – mehr als ungewöhnlich für einen Tatort – am Anfang des Films. Doch bei der Überführung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft in ein anderes Gefängnis geht alles schief. Zum Schluss liegt Batic schwer verletzt im Krankenhaus – und Leitmayr rätselt, warum sein Partner ihn belügt. Die echten Polizisten ermittelten derweil Fehler im Plot: ● Mühsamer als im Film ist meist die Auswertung von Überwachungskameras. Auf dem Bildschirm überführen die Kommissare den Täter, weil er gestochen scharf auf der Kamera eines Ladengeschäfts am Gärtnerplatz zu sehen ist. „Wäre schön, wenn Überwachungskameras immer so eine Qualität hätten.“● Auch den Umgang der Fernseh-Ermittler mit Zeugen fanden die echten Polizisten unglaubwürdig. Denn Batic hatte sich schon im ersten Teil aufopferungsvoll um die Witwe des Ermordeten und deren Sohn Taro gekümmert. Er aß mit der Familie zu Abend, telefonierte regelmäßig mit der Frau. „Der Kontakt zwischen Batic und Witwe überschreitet die professionelle Distanz! Opferbetreuung: Ja! Aber nur dienstlich.“● Die Verhöre sind im Fernsehen dramatischer als in der Realität: „Keine ,Schockbilder‘ bei Vernehmung.“Und zur Befragungstaktik: Irgendwie sind unsere Ermittler emotional auch ein bissl cooler drauf.“● Im „Tatort“ist vieles actionreicher dargestellt als in Wirklichkeit: „Die Festnahme würde anders ablaufen. Schneller, unauffälliger und vor allem: ohne Fremdgefährdung von Unbeteiligten.“Im Film verhaftet die Polizei den Täter an seinem Arbeitsplatz, der Archäologischen Staatssammlung in München, vor den Augen dutzender Besucher. ● Besonders unrealistisch sind wohl die Alleingänge der Kommissare. Die beiden suchen den geflüchteten Täter minutenlang allein in einer Fabrikruine. „Wo bleiben SEK, Hund, Hundertschaft und Hubschrauber?“, fragten die Experten. ● In diesem „Tatort“steckt Batic selber ganz tief mit im Fall – und verwischt im wahrsten Sinne des Wortes Spuren. Halb verblutend putzt er seine Pistole am Pulli ab. Einziger Kommentar der echten Polizisten: „Einmal kurz abwischen und alle Spuren vernichtet? Nette Idee!“
Umso überraschender fällt das Fazit der Ermittler nach dem Abspann aus, denn trotz inhaltlicher Mängel sind sie von der Episode begeistert: „Chapeau, Tatort München! Wir diskutieren gerade darüber, ob das der beste Tatort überhaupt war.“Twitternutzer verteilen auch für den Live-Check der Münchner Pressestelle viel Lob, die für ihre professionelle Arbeit in den sozialen Medien vor allem durch den Amoklauf im Juli 2016 am Münchner Olympia-Einkaufszentrum bekannt geworden ist: „Chapeau für den Faktenchecker! Spannend, informativ und lässig zugleich.“