Schwabing und die toten Dichter
»
Als der Münchner Stadtteil Schwabing noch ein pulsierender Lebensmittelpunkt für Künstler und Intellektuelle war, dichtete der Student Alfred Henschke, der sich Klabund nannte, munter drauflos: „Es ist fünf Uhr früh / Der junge Tag schwingt seinen gelben Hut / Zwischen Wolken hervor. / Wir wandern durch die Leopoldstraße / Die Pappeln stehen steif ...“
Bert Brecht ließ sich von ihm inspirieren. Kurt Tucholsky bewunderte ihn. Karl Valentin trat mit ihm auf. Und der Kritikerpapst Alfred Kerr bescheinigte dem jungen Burschen, er schreibe wüst genialische Verse. Das war, wie viele ältere Leser wissen, in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Einen Weltkrieg und einige Jahrzehnte später war in Schwabing dichterisch nicht mehr so viel los. In die Erinnerung an die alte Zeit mischten sich Spott und Frust. Die 68er ätzten über die Ex-KünstlerHochburg: „Wedekind wird vorgetragen und Klabund wird rezitiert, was, man darf es ja nicht sagen, keinen Hund mehr interessiert.“
Tja, und heute? Heute beklagt der Lehrerverband, dass junge Leute fast gar keine Literatur mehr lesen, sondern nur chatten und mailen. In Schwabing sind die Dichter längst weg und bald auch die letzte kleine Buchhandlung. Schade. Aber vielleicht reicht’s noch für ein Schmähgedicht, in dem sich What’s App auf Depp reimt.