Kälte führt zu hohen Ernteausfällen
Experten befürchten im bayerischen Wein- und Obstbau Einbußen von bis zu 40 Prozent. Wie bayerische Pflanzenforscher dem Frost den Kampf ansagen wollen
Auf die rekordverdächtige Hitze im März mit Temperaturen von weit über 20 Grad folgte der plötzliche Kälteeinbruch im April: Was bei uns Menschen allenfalls zu schlechter Laune führt, ist für viele Obst- und Weingewächse tödlich. Denn die kalten Nächte in den vergangenen Tagen lassen viele frische Triebe oder Blüten wieder absterben und die Winzer und Bauern in Bayern zittern. Experten beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.
Wie hoch sind die Schäden?
„Wir rechnen in fränkischen Weinbergen mit Ausfällen von 30 bis 40 Prozent“, sagt Hermann Kolesch, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG). „Das ist aber noch eine frühe, optimistische Schätzung.“Martin Nüberlin, Sprecher der Lindauer Obstbauern, rechnet in besonders betroffenen Gebieten mit Temperaturen von bis zu minus sechs Grad sogar mit totalen Ernteausfällen: „Im Bodensee-Raum gibt es gewaltige Schäden, die mancherorts sogar eine komplette Missernte bedeuten könnten.“
Was befürchten die Bauern jetzt?
Weniger Ernte heißt weniger Geld. „Der Frosteinbruch kann für manche Landwirte bei uns das wirt- schaftliche Ende bedeuten“, sagt Nüberlin. In den vergangenen Tagen hat er bei sich unzählige schwarze Apfelblüten ausgemacht, die wegen der Kälte abgestorben sind. Gerade weil die vergangenen Jahre nicht besonders ertragreich gewesen seien, hätten viele Apfelbauern im Bodenseeraum jetzt schon finanzielle Engpässe und so kein Polster für schlechte Zeiten.
Warum wird der Frost auf einmal zu einer so großen Bedrohung?
„Das Problem ist, dass die Pflanzen durch die Erderwärmung heute zehn bis vierzehn Tage eher auszutreiben beginnen“, sagt Experte Kolesch. Kommt es dann zu frostigen Temperaturen, was für die Jahreszeit durchaus normal sei, sind die Schäden häufig sehr groß. Schon 2016 erfroren in der Region Steigerwald fast drei Viertel aller Rebstöcke.
Können sich Winzer und Obstbauern vor plötzlichem Kälteeinbruch wappnen?
Weil durch den Klimawandel künftig häufiger mit solchen Extremen zu rechnen ist, forschen Wissenschaftler an der LWG in Veitshöchheim schon seit 2012 an Frostschutzmethoden für Pflanzen. Versuche zeigen, dass vor allem eine Beregnung der Wein- oder Obstberge mit Wasser helfen kann. „Der so entstehende Eispanzer schützt Blü- ten und Reben vor Kälte und lässt sie überleben“, sagt Forschungsleiter Georg Bätz. Eine andere Möglichkeit sind Feuer, die bewusst in den Plantagen gelegt werden: „Durch den aufziehenden Rauch kann man die Pflanzen um zwei bis vier Grad erwärmen“, erklärt Bätz.
Helfen die erforschten Methoden?
Ob der Frostschutz wirkt, hängt vor allem von der allgemeinen Wetterlage und dem Anbaugebiet ab. Gibt es ein sogenanntes Inversionswetter mit warmer Luft in höheren Lagen und Kaltluft am Boden, kann auch eine Aufwirbelung durch Hubschrauber oder gasbetriebene Windräder erfolgreich sein. Die warme Luft wird dabei in Richtung der Anbaugebiete zurückgeblasen, wo sich die Temperatur dann großflächig erhöht. Bei rapiden Temperaturstürzen wie in diesem Jahr würden aber alle erforschten Maßnahmen an Grenzen stoßen. „Es gibt zwar Versuche, mit Pflanzenschutzmitteln den Austrieb von Weinreben um bis zu vier Wochen zu verzögern“, erklärt LWG-Präsident Kolesch. „Aber durch das aufwendige EUZulassungsverfahren ist das bisher noch kein Thema für die Winzer.“
Warum setzen noch nicht alle bayerischen Wein- und Obstbauern auf die neuartige Technik?
Viele Betriebe können sich eine solche Investition schlicht nicht leisten. „Die Ernteerträge reichen dafür häufig nicht aus“, sagt Martin Nüberlin, der selber auf über 20 Hektar Äpfel, Erdbeeren und Kirschen anbaut. In Südtirol haben mittlerweile fast alle Plantagen eine Frostschutzbewässerung nachgerüstet. Möglich wurde das dort durch hohe Zuschüsse aus dem EU-Agrarfonds. Am Bodensee hingegen sind solche Anlagen die Ausnahme. „Trotzdem ist das bei uns ein Riesenthema“, versichert Nüberlin.
Wird Obst vom Bodensee und Wein aus Franken nun teurer?
„Ich bin mir sehr sicher, dass die Preise für Äpfel vom Bodensee steigen werden“, meint der Bauer aus Lindau. Durch die absehbare Missernte gehe das Angebot zurück, und damit müssen Verbraucher wohl mehr Geld für Obst vom Bodensee hinlegen. „Es gibt keinen Grund mehr, einen Apfel billig herzugeben“, sagt Nüberlin. Beim Frankenwein sieht es besser aus: „Ich erwarte keine großen Preissteigerungen“, sagt Georg Bätz von der LWG. Schon im Frühjahr 2011 wurden nach kalten Temperaturen Preissteigerungen wegen Missernte befürchtet, am Ende blieb aber alles beim Alten. „Bei über 6000 Hektar Weinanbau in Franken bleibt das Angebot trotz Ernteeinbußen hoch“, meint der Experte. Zudem lagern noch Vorräte aus dem vergangenen Jahr in fränkischen Weingütern.