Deutschland will im Indo-Pazifik Flagge zeigen
Zwei Kriegsschiffe auf Weltumrundung – Übungen mit internationalen Partnern – Interessenskonflikte mit China
- Deutsche Flagge zeigen – weltweit: Die Fregatte „Baden-Württemberg“und der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“, beide Schiffe gehören zur Einsatzf lotille 2 der Bundesmarine, starten am Dienstag zu einer Weltumrundung. Deutschland will damit vor allem sein Interesse an den Entwicklungen in der indo-pazifischen Region unterstreichen und seine Solidarität mit Wertepartnern wie zum Beispiel Japan oder Singapur zeigen.
Die Reise steht im Kontext der Außenpolitik der Ampel-Koalition, denn die Bundesregierung hat sich vorgenommen, sich sicherheitspolitisch stärker in der Region um den Pazifischen und den Indischen Ozean zu engagieren. Derzeit ist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Australien, Neuseeland und Fidschi unterwegs: „Die Sicherheit in Europa hängt auch von der Sicherheit im Indo-Pazifik ab – und umgekehrt“, betonte Baerbock am Samstag bei ihrem Besuch in Neuseeland. „Gerät die internationale Friedensordnung auf der einen Seite der Welt unter Druck, bröckelt sie auch am anderen Ende der Welt.“
Deutschland hat sich 2020 mit einer neuen Indopazifik-Strategie vorgenommen, auch militärisch Flagge in der sicherheitspolitisch stets wichtiger werdenden Region zu zeigen, in der China immer aggressiver auftritt. Die Übungsmission der „Baden-Württemberg“und der „Frankfurt am Main“ist Teil dieser Strategie.
Die Region um den Pazifischen und den Indischen Ozean gewinnt eine immer größere strategische Bedeutung. 60 Prozent der Weltbevölkerung leben dort und generieren einen ebenso großen Teil der weltweiten Wirtschaftsleistung. Smartphones kämen aus Südkorea, Fernseher aus Japan und Mikrochips aus Südostasien, sagt Flotillenadmiral Axel Schulz, der Kommandeur der Einsatzf lottille 2 der Bundeswehr aus Wilhelmshaven. Wenn dort Handelswege gestört werden, dann wird sich das letzten Endes auch auf Europa und Deutschland auswirken.“Die Havarie des Frachters „Ever Given“im Suezkanal 2021 und die Corona-Pandemie hätten gezeigt, wie empfindlich die Seehandelswege seien.
Hier wolle die Marine Präsenz zeigen und sich zudem für eine freie Handelsschifffahrt und die friedliche Beilegung von Konflikten nach den internationalen Regeln des Seerechtes einsetzen: „Der Indo-Pazifik ist eine hochdynamische
Wirtschaftsregion und erstreckt sich von der Westküste Nordamerikas über die Ostküste von Asien bis hin zur Ostküste Afrikas“.
Die Marine war 2021 schon einmal in gleicher Mission im IndoPazifik unterwegs gewesen. „Die Fregatte ,Bayern' hat damals Hervorragendes geleistet“, sagt Schulz. Man habe mit den Partnern in der Region zusammengearbeitet und Hafenbesuche durchgeführt. „Militärische Kooperationen sind wie Freundschaften: Sie müssen von Zeit zu Zeit auch direkt vor Ort gepflegt werden“, so Schulz.
Mit China tritt eine autokratisch geführte Großmacht immer aggressiver im Indo-Pazifik auf. Vor allem im Südchinesischen Meer gibt es einen Gebietskonf likt zwischen China und anderen Anrainerstaaten. Peking beansprucht 80 Prozent des rohstoffreichen Meeres, durch das wichtige Schifffahrtsstraßen führen.
Auch Vietnam, die Philippinen, Taiwan, Brunei und Malaysia erheben dort Gebietsansprüche. Der internationale Schiedsgerichtshof in Den Haag wies 2016 die Ansprüche Chinas zurück. Peking ignoriert jedoch das Urteil. Weiter betrachtet China die demokratische Inselrepublik Taiwan als ihr eigenes Territorium. Wiederholt hat Peking mit einer Invasion gedroht
Ob die Fregatte „Baden-Württemberg“bei ihrer bevorstehenden Pazifik-Mission die Straße von Taiwan durchquert, gilt zur Zeit als offen. Denn dies könnte von China als Provokation gesehen werden. Großbritannien und Frankreich zeigen dennoch militärische Präsenz in der Meerenge zwischen Taiwan und China. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock schließt dennoch die Durchquerung der Straße von Taiwan nicht aus. Bei ihrem Besuch in Neuseeland sagte die GrünenPolitikerin am Samstag zwar, dass
die Route des Kriegsschiffes und eines Versorgungsschiffes nicht vorab bekannt gegeben werde. Sie betonte aber gleichzeitig, dass das „Recht der friedlichen Durchfahrt“auch für die Straße von Taiwan gelte. „Da gelten dieselben Regeln wie in allen vergleichbaren Meeresgebieten, wo unsere Schiffe und andere Schiffe langfahren.“Auf dieser Grundlage finde die Übungsmission der beiden Schiffe statt. Die Fregatte „Bayern“hatte auf ihrer Reise vor zwei Jahren zwar an Manövern mit Bündnispartnern teilgenommen, machte um Taiwan aber einen Bogen.
Der Repräsentant Taiwans in Deutschland, Jhy-Wey Shieh, hatte sich kürzlich in einem dpa-Interview gewünscht, dass die Fregatte „Baden-Württemberg“diesem Beispiel folgt. Es sei „enttäuschend“gewesen, dass dies bei der zurückliegenden Mission der „Bayern“nicht der Fall gewesen sei. Es wäre ein „Zeichen“an China, wenn das nun anders wäre.
Derweil sind an Bord der beiden Schiffe die Vorbereitungen abgeschlossen. Am Dienstag, 10 Uhr, heißt es „Leinen los”. Die Besonderheit dabei ist, dass die Fregatte aus Rota in Spanien und der Einsatzgruppenversorger aus Wilhelmshaven aufbrechen und sie dabei von Überf lügen der Luftwaffen Deutschlands und Spaniens verabschiedet werden. Gemeinsamer Treffpunkt der Schiffe wird dann in See sein, der erste geplante Hafen wird Halifax in Kanada.
Zum Auslaufen aus Wilhelmshaven wird Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erwartet. Ebenso werden die Inspekteure von Marine und Luftwaffe, Vizeadmiral Jan Christian Kaack und Generalleutnant Ingo Gerhartz, vor Ort sein. Staatssekretärin Siemtje Möller (SPD) wird die „Baden-Württemberg“in Rota verabschieden.
Die „Baden-Württemberg“, die bis vor einigen Wochen im Rahmen
des UNIFIL-Mandates die Seegrenzen des Libanon überwachte, läuft mit einer Besatzungsstärke von rund 180 Soldatinnen und Soldaten aus. Die „Frankfurt am Main“wird mit rund 200 Soldatinnen und Soldaten die Reise antreten. Zusätzlich ist eine Bordhubschrauberkomponente des Marinef liegergeschwaders 5 aus Nordholz mit zwei Sea Lynx MK 88A, sowie taktische Einsatzkräfte des Seebatallions und eine Bordzahnarztgruppe eingeschifft.
Über den Nordatlantik geht es für den Verband zunächst an die Ostküste Nordamerikas, wo mit den USA und Kanada geübt werde, so Flotillenadmiral Schulz. „Wir werden dann sicherlich ein einmaliges Erlebnis für die Besatzungsmitglieder schaffen, weil wir durch den Panamakanal in den Ostpazif ik verlegen und an einer großen US-amerikanischen Übung im Inselgebiet um Hawaii teilnehmen werden.“
Diese Übung namens RIMPAC (Rim of the Pacific, Randzone des Pazifiks) sei eines der größten Marinemanöver weltweit, so der Flottillenadmiral. „Wir werden ungefähr sechs Wochen mit unseren beiden Einheiten in diese Übung integriert, wobei sowohl die Fregatte als auch der Einsatzgruppenversorger unterschiedliche Aufgaben haben.“Es werde die Überwasser-Seekriegsführung, die U-Boot-Jagd per Helikopter und die Bekämpfung von Landzielen geübt, so Schulz. „Und gleichfalls – und das ist ein Novum und kommt auch nicht immer so häufig vor – werden wir an einem Flugkörperschießen im Seegebiet um Hawaii teilnehmen.“
Anschließend gehe es weiter in den Westpazifik, so der Flottillenadmiral. „Wir werden nach Hafenbesuchen in Japan und Singapur Richtung Indischer Ozean verlegen, um mit unserem strategischen Partner Indien gemeinsam zu üben.“Erst dann kehre der Verband über den Nordatlantik nach Deutschland zurück, er werde im November zurück sein.
„Zur Abschreckung und zur Verhinderung von künftigen Konflikten ist die Marine ein wesentlicher Akteur und eine nicht wegzudenkende Teilstreitkraft“, fasst Schulz zusammen. Die Bandbreite der Fähigkeiten reiche von der Militärdiplomatie bis hin zur hochintensiven Seekriegsführung. „Marinestreitkräfte sind de facto ein verlässliches, f lexibles und weltweit einsetzbares Instrument der Politik“, sagt der Flottillenadmiral. Das will die Deutsche Marine mit ihrem Indo-Pacific Deployment erneut unter Beweis stellen.