Fehlende Dolmetscher bereiten Löhrschule in Trossingen Probleme
Schüler springen bei Sprachproblemen mit Flüchtlingsfamilien als Übersetzer ein – Eltern als „Cultural Coaches“?
- Fehlende Dolmetscher stellen die Löhrschule angesichts wachsender Zahlen nicht deutsch sprechender Schüler vor ein Problem. „Wir würden uns seitens des Landratsamts mehr Unterstützung wünschen“, sagt Schulleiter Steffen Finsterle. Das Landratsamt weist darauf hin, dass es angesichts hoher Flüchtlingszahlen keine Garantie geben könne für den Einsatz von Dolmetschern. Die Kreisbehörde setzt auf das geplante Projekt der „Cultural Coaches“- interessierte Eltern sollen künftig Bindeglied sein zwischen dem ehrenamtlichen Dolmetscherpool und dem Bildungsbereich.
Fast 40 ukrainische Schüler, sie machen inzwischen rund ein Sechstel der Schüler aus, werden an der Trossinger Werkrealschule unterrichtet. Darüberhinaus verzeichnet die Schule derzeit einen „großen Zugang an syrischen, afghanischen und türkischen Kindern“, berichtet Finsterle. Unter ihnen seien viele Analphabeten, „ein Problem für uns - und ebenso, dass die Schüler aus einigen der Länder die lateinische Schrift nicht kennen“.
Die stellvertretende Schulleiterin Nina Henne berichtet beispielhaft von einem 15-Jährigen, „der noch nie eine Schule von innen gesehen hat - er bräuchte eigentlich eine Einzelbetreuung“. Die Schule versuche es bei dem Jugendlichen nun mit „Unterrichtsmaterial für Schulanfänger“.
Einige der syrischen Kinder könnten nicht lesen und schreiben, sagt Finsterle. „Die Kommunikation läuft über andere Schüler als Dolmetscher.“Auch, dass deren Eltern oft kein oder kaum Deutsch können, bereitet der Schule Schwierigkeiten: „Zuletzt hatten wir ein Problem mit einem syrischen Schüler“, berichtet Finsterle. „Als sein Vater hier war, mussten wir einen anderen Schüler zum Übersetzen aus dem Unterricht rausholen - das geht eigentlich nicht.“
„Wir sagen den Eltern, dass sie einen Übersetzer mitbringen sollen aber sie machen es nicht“, schildert Schulsekretärin Dagmar Messner das Dilemma. Viele der Flüchtlinge seien in dieser Situation hilflos. Wenn Schüler nicht zum Unterricht kämen, „müssen wir deren Eltern anrufen“. Doch wie, wenn die weder Deutsch noch Englisch verstehen? Wenn sie die Eltern nicht anrufen könne, gebe es keine Krankmeldung der Schüler.
Für die Schulsekretärin geht das Problem fehlender Dolmetscher schon bei der Anmeldung von Flüchtlingskindern los. „Die Familien werden von der Stadt zu uns geschickt, sie können oft kein Englisch.“Um sich mit ihnen in etwa verständigen zu können, „versuche ich die Kommunikation mit Händen und Füßen“. Oder sie nutze das Übersetzungsprogramm ihres privaten Handys. „Doch das dauert ewig dafür geht Zeit ohne Ende drauf.“
Bisweilen, wie jüngst bei einem neuen türkischen Schüler, sage sie, dass die Eltern zur Stadtverwaltung gehen und Hilfe holen sollten. „Manchmal setzen wir bei den Anmeldungen auch andere Schüler zum Übersetzen ein.“Wunsch wäre es laut Steffen Finsterle und Dagmar Messner, „dass das Landratsamt bei Anmeldungen jemand zum Übersetzen mitschickt“.
„Wenn die Zuweisung erfolgt ist, ist das Problem für das Landratsamt erledigt“, sagt Dagmar Messner. „Doch dann beginnt für uns das Problem.“Manche der Flüchtlingskinder seien „nie in einer Schule gewesen - wie sollen die einen geregelten Schulablauf kennen?“Besser sei die Lage bei den aus Rumänien stammenden Löhrschülern, sagt Finsterle - da mehrere Lehrer der Werkrealschule rumänisch sprächen.
„Grundsätzlich ist es möglich, den ehrenamtlichen Dolmetscherpool im Landkreis Tuttlingen zur Überbrückung sprachlicher Hürden anzufragen“, sagt Muriel Eikmeyer, Pressereferentin des Landratsamts der Kreisstadt. Dieses Angebot werde von den Bildungseinrichtungen im Landkreis Tuttlingen auch rege genutzt. Für Schulen und Kindergärten der Stadt Tuttlingen sei die Stadt für die Verwaltung der Dolmetscheranfragen zuständig. Für die Bildungseinrichtungen im Landkreis Tuttlingen könne über das Landratsamt ein Dolmetscher über Anita Dummel, Amt für Aufenthalt und Integration, angefragt werden.
„Alle Sprachen können über den Dolmetscherpool nicht abgedeckt werden“, schränkt Eikmeyer ein.
Über die regelmäßig stattfindenden Dolmetscherschulungen werde jedoch „versucht, ein möglichst umfassendes Angebot verschiedener Sprachen bereitzustellen“. Die Kosten für die Dolmetschereinsätze würden von der Stadt Tuttlingen beziehungsweise vom Landratsamt getragen.
„Da es sich bei den Dolmetschern um ein Ehrenamt handelt, sollte möglichst frühzeitig bei Bedarf Kontakt mittels einer Anfrage seitens der Bildungseinrichtung beim Amt für Aufenthalt und Integration, Frau Dummel, gestellt werden“, erläutert Eikmeyer. „Eine Garantie – auch aufgrund des aktuell sehr hohen Bedarfs an Dolmetscherinnen und Dolmetschern – kann leider nicht immer gegeben werden. Wir haben aktuell rund 2.000 ukrainische Kriegsvertriebene im Landkreis zu integrieren.“
„Wir wollen die berechtigten Anliegen der Bildungsträger weiter verbessern und planen ein neues Projekt“, kündigt Muriel Eikmeyer an. Das staatliche Schulamt Konstanz habe die Schulen, „somit auch die Löhrschule“, über dieses geplante neue Angebot schriftlich informiert. „Es ist uns ein großes Anliegen, im Zuge des Förderprogramms Integration vor Ort einen Schwerpunkt auf die Förderung des Verständnisses der politischen und gesellschaftlichen Mitgestaltungsmöglichkeiten – vor allem der Menschen mit Migrationshintergrund – zu legen.“
Im Fokus stünden explizit der Bildungsbereich und das Schulsystem in Deutschland, so Eikmeyer. „Ziel soll es sein, Personen verschiedener kultureller Hintergründe als Botschafter auszubilden, um wechselwirkend und auf Augenhöhe einen informellen Austausch zu gewährleisten.“Mit dem Projekt der „Cultural Coaches“wolle man ein Schulungsangebot für interessierte Eltern generieren, „welche in ihrer Funktion als Bindeglied zwischen dem ehrenamtlichen Dolmetscherpool und dem Bildungsbereich fungieren sollen“. Über den Verteiler des staatlichen Schulamts Konstanz seien bereits alle Schulen des Landkreises Tuttlingen angeschrieben worden, um ein möglichst flächendeckendes Angebot zu schaffen.
„Die Hilfen für Menschen aus dem Ausland sind seitens des Landkreises und der Stadt sehr umfangreich und gehen in Teilen auch über den gesetzlichen Anspruch deutlich hinaus“, betont Sabine Felker, Pressesprecherin der Stadtverwaltung. In Trossingen sei dies zum Beispiel das Angebot des Beratungsbüros für rumänischsprachige Menschen; „Asylbewerber oder Flüchtlinge werden stark vom Helferkreis TroAsyl unterstützt.“
„Natürlich bemühen sich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rathauses nach Kräften, Sprachbarrieren zu überwinden“, sagt Sabine Felker. Beratungsgespräche - insbesondere im Bürgerbüro - profitierten „immer wieder davon, dass bei uns viele zweisprachige Menschen arbeiten, so können wir Türkisch, Russisch und ein paar andere Sprachen abdecken“. Im Zweifel sei auch mit einem Übersetzungsprogramm auf dem Handy schon viel zu erreichen, auch wenn die Kommunikation damit mühsam sei.
„Klar ist aber auch, dass die Menschen, die in Deutschland leben möchten, sich bemühen müssen, die Amtssprache zu lernen“, betont Felker. Einen Verwandten oder Bekannten zur Schulanmeldung mitzubringen, um sich verständigen zu können, könne „als Mindestmaß an Mitarbeit erwartet werden“.
Dass die Schulen unter dem teilweise mangelnden Engagement der Eltern zu leiden hätten, ist „sehr bedauerlich“, so Felker. „Den Einsatz, den die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die Sekretärinnen erbringen, um Kinder nichtdeutschsprachiger Eltern den Einstieg in die Schule so leicht wie möglich zu machen, ist beeindruckend.“
Trossingens Bürgermeisterin Susanne Irion meint dazu: „Die Erwartungshaltung mancher Migranten, dass die öffentliche Hand für jeden Behördengang - und den Zugang in unsere Sozialsysteme - auch noch Übersetzer stellt, halte ich im Rahmen einer Politik des Forderns und Förderns für das falsche Signal.“
Um das Sprachproblem zumindest langfristig zu verringern, hat die Löhrschule damit begonnen, „allen ukrainischen Schülern als Willkommensgeschenk“ein Wörterbuch deutsch-ukrainisch zu schenken. „Wir haben viele gekauft - so ein Wörterbuch kostet knapp 20 Euro“, erläutert Schulleiter Finsterle. Finanziert werde dies aus dem Schulbudget.