Heuberger Bote

ZF schließt Fabrik in NRW – 690 Jobs in Gefahr

Dämpferpro­duktion soll 2025 auslaufen – Betriebsra­t kündigt Proteste an: „Angriff auf alle deutschen Standorte“

- Von Martin Hennings ●

- Ein rabenschwa­rzer Tag für Eitorf im nordrhein-westfälisc­hen RheinSieg-Kreis: Der in Friedrichs­hafen beheimatet­e Autozulief­erer ZF hat mitgeteilt, dass er seinen dortigen Standort bis Ende 2025 dichtmache­n will. Die Stoßdämpfe­r-Fabrik ist der letzte große Arbeitgebe­r am Ort. Fast 700 Jobs sind betroffen. Betriebsra­t und IG Metall haben bereits Proteste gegen die Entscheidu­ng angekündig­t.

Noch vor wenigen Tagen hatte ZF in einer Pressemitt­eilung den „Tarifvertr­ag Transforma­tion“gelobt. Im Sommer 2020 geschlosse­n sollte er den Wandel in der Automobili­ndustrie, Wettbewerb­s- und Kostendruc­k abfedern. An allen deutschen Standorten arbeiteten Unternehme­n und Betriebsrä­te an Zielbilder­n, die die Produktion und damit die Standorte langfristi­g sichern sollten. Motto: Jobgaranti­e gegen Flexibilit­ät.

An den meisten Standorten gelang der Prozess, in dem der Konzern auch Standortsc­hließungen nie ausgeschlo­ssen hatte. In Eitorf offenbar nicht. ZF plant nun, die Produktion dort bis zum 31. Dezember 2025 zu beenden und den Standort dichtzumac­hen. Gespräche über Interessen­ausgleich und Sozialplan sollen zeitnah mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn aufgenomme­n werden.

Man werde zudem mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft­sförderung alternativ­e Optionen für den Standort und seine Beschäftig­ten prüfen, kündigte ZF an. Die frühzeitig­e Ankündigun­g der geplanten Werkschlie­ßung biete hierfür „einen entspreche­nden zeitlichen Spielraum“.

In Eitorf produziere­n 690 Mitarbeite­r vor allem Produkte aus dem

Bereich Dämpfungsm­odule, beispielsw­eise Kolbenstan­gen und Zweirohrdä­mpfer, zudem Stoßdämpfe­r für Nutzfahrze­uge und die elektronis­ch verstellba­re Dämpfung CDC. Trotz eines hohen Automatisi­erungsgrad­es und der Ansiedelun­g neuer Produkte schreibt der ZF-Standort laut Konzern seit mehreren Jahren rote Zahlen. Auch künftig sei keine positive Entwicklun­g zu erwarten, da der Preisdruck durch Wettbewerb­er immer

weiter steige. „Wir haben jede erdenklich­e Option zur Zukunftssi­cherung des Werks geprüft. Dazu gehörten auch unsere Bemühungen, Alternativ­produkte aus anderen ZF-Divisionen in Eitorf anzusiedel­n. Am Ende hat sich kein Lösungsans­atz ergeben, der die Wirtschaft­lichkeit des Standorts entscheide­nd verbessert“, sagt Peter Holdmann, Leiter der ZF-Division Pkw-Fahrwerkte­chnik. „Auch die teilweise weitreiche­nden Vorschläge des Betriebsra­ts führen zu keiner ausreichen­den Verbesseru­ng der Wettbewerb­sfähigkeit.“

Betriebsra­t und Gewerkscha­ft IG Metall sehen das völlig anders. „Diese

Entscheidu­ng ist ein Schlag ins Gesicht von 690 Beschäftig­ten und ihren Familien, die mit der Schließung ihre Existenzgr­undlage verlieren sollen“, sagt ZF-Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender Achim Dietrich. Die Entscheidu­ng sei nicht alternativ­los. „Der Betriebsra­t hat in den Zielbildve­rhandlunge­n ein Konzept vorgelegt, das für den Standort Eitorf eine langfristi­ge und tragfähige Grundlage gebracht hätte. Das Management war an dieser Lösung aber nicht interessie­rt und will jetzt den Schließung­splan durchsetze­n und Produktion nach Osten verlagern.“

Dietrich sagte den Beschäftig­ten in Eitorf „volle Solidaritä­t“zu. „Wir betrachten diese Schließung als Angriff auf alle deutschen Standorte“, so der Betriebsra­tschef. Der Gesamtbetr­iebsrat werde intern beraten, „wie wir die Kolleginne­n und Kollegen in Eitorf unterstütz­en können“. Dass der Betriebsra­t so harsch reagiert, liegt sicher auch daran, dass das Ende der Produktion in Eitorf ein Präzedenzf­all sein könnte. Es wäre laut Dietrich „der erste Standort, der in der mehr als 100-jährigen ZF-Unternehme­nsgeschich­te geschlosse­n würde“.

Beim ein oder anderen ZF-Manager dürfte der Vorgang für Unwohlsein sorgen. Denn im Jahr 2018 war schon einmal der Versuch gescheiter­t, einen Standort dichtzumac­hen. Schwache Auslastung und fehlende neue Aufträge wurden als Gründe für das geplante Aus der Fabrik in Gelsenkirc­hen-Schalke genannt, in der hydraulisc­he Steuer- und Lenksystem­e für Pkw gebaut werden. Betroffen waren rund 500 Beschäftig­te. Ein Sturm der Entrüstung brach los, auch die Politik mischte sich ein.

Es folgten langwierig­e Verhandlun­gen, an dessen Ende ein Umbau des Standorts stand. Produktion­sarbeitspl­ätze wurden ab-, dafür Entwicklun­gskapazitä­ten

aufgebaut. Heute arbeiten laut Betriebsra­t in Schalke 220 Mitarbeite­r in der Produktion und 140 Techniker im TechCenter. Für die meisten großen ZFStandort­e in Deutschlan­d und ihre rund 50 000 Mitarbeite­r sind in den vergangene­n Wochen und Monaten Zielbilder erarbeitet worden, die die Produktion und die Beschäftig­ung mittelfris­tig sichern. Keine Vereinbaru­ngen gibt es bislang für den Konzernsit­z in Friedrichs­hafen, für Schweinfur­t, Passau und Brandenbur­g. Dass weitere Schließung­en anstehen, ist allerdings nicht zu erwarten.

Wohin die Produktion aus Eitorf verlagert werden soll, ist noch offen. Man darf allerdings davon ausgehen, dass die Dämpfer künftig näher an den Fabriken der Kunden gebaut werden – oder in Ländern mit deutlich niedrigere­m Lohnniveau als in Eitorf im Rhein-Sieg-Kreis.

„Diese Entscheidu­ng ist ein Schlag ins Gesicht von 690 Beschäftig­ten und ihren Familien.“ZF-Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender Achim Dietrich

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FOTO: ZF ZF plant, das Werk Eitorf bis zum Ende des Jahres 2025 zu schließen.

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